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Übernahme durch ACS: Hasta la vista Hochtief

Der Baukonzern ACS aus Spanien hält jetzt gut 30 Prozent von Hochtief. Belegschaft, Aktionäre und Politik sind alarmiert.

Berlin - Deutschlands größter Baukonzern Hochtief wird spanisch. Mit seinem feindlichen Übernahmeangebot hat sich der spanische Hochtief-Großaktionär ACS mehr als 30 Prozent der Aktien – exakt 30,33704 Prozent – gesichert. ACS muss damit kein teures Pflichtangebot vorlegen, um die Kontrolle über das Essener Traditionsunternehmen zu erlangen. Vielmehr können die Spanier sich nun an der Börse so lange mit Hochtief-Aktien eindecken, bis die Mehrheit erreicht ist. Nach derzeitigem Börsenkurs würde sie das knapp eine Milliarde Euro kosten

Voraussetzung ist aber, dass das Übernahmedrama in den kommenden Wochen keine überraschende Wendung nimmt. Zunächst tritt nun eine weitere Annahmefrist von zwei Wochen in Kraft. Widersprüche können die Frist zusätzlich verlängern. Realistische Abwehrchancen hat Hochtief nach Einschätzung von Beobachtern aber kaum noch. Sie erwarten in Zukunft ähnlich spektakuläre Übernahmen deutscher Konzerne.

Während ACS-Chef Florentino Pérez, zugleich Chef des Fußballclubs Real Madrid, seinem Ziel näher kommt, den weltgrößten Infrastrukturkonzern zu schmieden, fürchtet man bei Hochtief die Zerschlagung. Der Betriebsrat hatte vor einer Gefährdung der rund 11 000 deutschen Arbeitsplätze gewarnt. Die IG Bau hatte zur Empörung des Betriebsrats separat mit ACS über einen Erhalt von Arbeitsplätzen verhandelt.

Wenn der mit rund neun Milliarden Euro verschuldete spanische Konzern die Mehrheit erringt, kann er Hochtief in seine Bücher nehmen und so seine Schuldenlast drücken. Schon bei der Hauptversammlung am 12. Mai rechnen Beobachter mit einem „Showdown“: Mit dem 30-Prozent-Aktienpaket könnte ACS- Chef Pérez die Mehrheit der anwesenden Stimmen auf seine Seite bringen und Neuwahlen des Aufsichtsrats durchsetzen. Denn meist sind nur etwas mehr als 60 Prozent der Stimmen bei Hochtief-Hauptversammlungen vertreten. „Dann wird Pérez sein wahres Gesicht zeigen“, sagte Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

ACS hatte zunächst acht eigene Aktien für je fünf Hochtief-Aktien geboten, die Offerte dann aber auf neun eigene Aktien aufgestockt. Eine Hochtief-Aktie wird damit mit rund 64 Euro bewertet. Aktionärsvertreter halten das Übernahmeangebot an die freien Hochtief-Aktionäre für unfair und bekräftigten ihre Forderung nach einer Verschärfung des Übernahmegesetzes. „Das deutsche Recht hat Lücken und kann missbraucht und umgangen werden“, sagte Marc Tüngler dem Tagesspiegel. Er kritisierte, dass Optionsgeschäfte im Vorfeld einer Übernahmeofferte zwar seit dem 1. Januar gemeldet werden müssen, nicht aber in die Berechnung des Angebots an die freien Aktionäre einfließen. Die DSW regt Nachbesserungen beim Gesetz an, um Privatanleger besser zu schützen: So soll eine zweite Angebotsschwelle bei 50 Prozent eingezogen werden. „Hochtief fangen wir nicht mehr ein“, sagte Tüngler. „Aber es werden weitere, große Übernahmeversuche kommen – wir haben noch nicht aufgegeben.“

Ende 2010 war eine SPD-Initiative zur Verschärfung des Übernahmegesetzes im Bundesrat gescheitert. Die SPD-Fraktion brachte parallel einen Entwurf zur Änderung des Übernahmegesetzes in den Bundestag ein, der zusätzliche Schwellen für Pflichtangebote vorsieht. „Wir verfolgen dies weiter“, sagte Joachim Poß, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, dieser Zeitung. Der Gesetzentwurf orientiert sich an der Praxis anderer europäischer Länder wie Großbritannien oder Frankreich. „Die Vorgänge bei Hochtief machen deutlich, wie wichtig es wäre, zu fairen Wettbewerbsbedingungen in Europa zu kommen“, sagte Poß. Die Weigerung der Bundesregierung und insbesondere von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), einer Verschärfung des deutschen Übernahmerechts zuzustimmen, sei „rational nicht nachvollziehbar und höchst unbefriedigend“. Man könne nur hoffen, dass Hochtief nicht zerschlagen werde, so Poß.

Eine Schlüsselrolle im Übernahmepoker spielt der Finanzinvestor Southeastern Asset Management. Er ist sowohl bei ACS als auch bei Hochtief engagiert. In der Essener Konzernzentrale wird schon länger spekuliert, ob sich ACS und Southeastern rechtswidrig abgesprochen haben könnten. Die Finanzaufsicht schickte dem US-Investor einen Fragebogen, wie das Unternehmen mitteilte. Southeastern habe bereits auf das Schreiben der Aufseher reagiert, das keine Vorwürfe eines Fehlverhaltens enthalten habe. Ein Bafin-Sprecher sagte, die Aufseher schauten sich generell bei großen Übernahmen entsprechende Vorwürfe genauer an.

Die Bauindustrie gibt den Kampf um Hochtief derweil noch nicht verloren. ACS sei der Übernahme zwar näher gekommen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes HDB, Michael Knipper. „Die Spanier haben aber nur eine Zwischenetappe erreicht. Die Schlacht ist noch nicht verloren.“ mit rtr, dpa

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