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Christiane Benner steht an der Spitze von 2,1 Millionen IG Metall-Mitgliedern.

© Georg Wendt/dpa

„Lage ist wirklich ernst“: IG Metall fordert Job-Offensive für Industrie

Zehntausende Arbeitsplätze seien in Gefahr, warnt die größte Gewerkschaft und fordert die Politik zum Handeln auf. An ihre Mitglieder appelliert sie, keine ausländerfeindlichen Parteien zu wählen.

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Knapp vier Wochen vor der Bundestagswahl schlägt die IG Metall Alarm. „Die Lage ist wirklich ernst, Zehntausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel“, sagte Christiane Benner, die Vorsitzende der Gewerkschaft, am Montag. Nur mit einer starken Industrie gehe es dem Land gut, fügte sie hinzu und verwies darauf, dass die Industrie hierzulande für 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung verantwortlich sei.

Mit 2,096 Millionen Mitgliedern (Vorjahr: 2,136 Millionen) sei die IG Metall „die größte Bewegung in Deutschland“. Vor allem aufgrund der Krise der Autoindustrie verliert die Gewerkschaft Mitglieder. Von der nächsten Bundesregierung forderte Benner „eine Job-Offensive, um Wertschöpfung im Land zu halten und neue Arbeitsplätze zu schaffen“.

Die Vorsitzende appellierte zudem an die Mitglieder, am 23. Februar keine „extremistischen Kräfte“ zu wählen. Rund 500.000 IG-Metall-Mitglieder hätten einen Migrationshintergrund, viele seien besorgt aufgrund der ausländerfeindlichen Stimmung.

„Wenn Menschen Angst haben um den Arbeitsplatz, dann haben bestimmte Parteien ein leichtes Spiel“, warnte Benner. Auch deshalb wolle man gemeinsam mit den Arbeitgebern und der Politik die Transformation vorantreiben und die Deindustrialisierung stoppen.

76,5
Prozent beträgt derzeit die Auslastung der Industrie.

Wie das Ifo Institut mitteilte, nimmt die Skepsis der Unternehmen mit Blick auf die kommenden Monate zu, die Kapazitätsauslastung der Industrie stagniert demnach bei 76,5 Prozent. „Dies ist deutlich weniger als der langfristige Mittelwert von 83,4 Prozent“, erklärte das Institut anlässlich der Veröffentlichung des aktuellen Geschäftsklimaindexes.

Merz bekennt sich zu grünem Stahl

Mit einer aktiven Industriepolitik, wozu für die IG Metall ein Investitionsprogramm für die öffentliche Infrastruktur, wettbewerbsfähige Energiepreise und die Förderung privater Investitionen gehört, möchte die Gewerkschaft die Krise bewältigen. Das habe man kürzlich auch Friedrich Merz, dem Kanzlerkandidaten der Union, erläutert. Dabei seien auch Unstimmigkeiten über die Zukunft der Stahlindustrie ausgeräumt worden.

„Es gibt ein klares Bekenntnis von Merz zum grünen Stahl“, sagte Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender der IG Metall. Im ersten Schritt sei grauer oder blauer Wasserstoff auf Basis von Erdgas erforderlich, bis grüner Wasserstoff aus erneuerbarer Energie in ausreichenden Mengen verfügbar ist. „Bei der Farbenlehre müssen wir flexibel sein“, sagte Kerner.

Pflichtanteil für europäische Komponenten

Er plädierte zudem für einen härteren Umgang der EU mit chinesischen und amerikanischen Investoren. „Für alle industriellen Produkte, die in Europa vermarktet werden, muss es einen verpflichtenden Anteil europäischer Komponenten geben“, wie das in China und den USA auch der Fall sei, forderte Kerner.

„Wenn zum Beispiel chinesische oder US-amerikanische Pkw-Hersteller in Europa ihre Pkw verkaufen wollen, dann ist die Verpflichtung zu europäischen Fertigungen mit europäischen Komponenten notwendig“, sagte er. Für eine solche Local-Content-Strategie müsse die neue Regierung in Brüssel aktiv werden.

Die Erwartungen an die nächste Regierung sind hoch und sollen bei einem Aktionstag am 15. März von Zehntausenden artikuliert werden. Demonstrationen gibt es in den Regionen beziehungsweise Städten, „wo es massiv brennt“, wie Benner sagte: Leipzig und Stuttgart, Hannover, Frankfurt am Main und Köln. Strukturen und Netzwerke der Autoindustrie müssten unbedingt erhalten bleiben. „Was weg ist, ist weg“, warnte die Gewerkschaftschefin.

Verstaatlichung der überregionalen Stromnetze

Um die Stromkosten zu drücken, befürwortet die IG Metall die Verstaatlichung der überregionalen Stromnetze. Andernfalls drohten die Kosten „ins Unermessliche zu steigen – mit fatalen Folgen für private Verbraucher, die Arbeitsplätze in der Industrie und das Gelingen der Energiewende“.

Netzentgelte machen derzeit ein Viertel der Stromkosten aus. Im Zuge der Energiewende müssen Tausende Kilometer neuer Stromleitungen gebaut werden, was etwa 650 Milliarden bis 2045 kostet. Bei einer Übernahme der Netze durch den Staat entfallen Risikoaufschläge bei der Finanzierung sowie die Renditeerwartungen privater Investoren.

Bei einer öffentlichen Finanzierung würden die durchschnittlichen Netzentgelte nur moderat um 1,7 Cent pro Kilowattstunde steigen. Fast doppelt so stark, um drei Cent pro Kilowattstunde, müssen hingegen die Netzentgelte angehoben werden, wenn private Investoren das nötige Kapital zur Verfügung stellen. „Diese Zusatzbelastung können wir uns nicht leisten. Sonst sind Industrietransformation und Energiewende gleichermaßen abgesagt“, sagte Kerner.

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