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Zusatzbeitrag

© Doris Spiekermann-Klaas; Montage: Peter Krause

Gesundheitspolitik: Krankenkassenbeitrag: Monatliche Einnahme

Millionen Krankenversicherte müssen bald einen Zusatzbeitrag zahlen. Wie soll das gehen?

Rund zehn Millionen der 51,5 Millionen Versicherten müssen in den kommenden Monaten Zusatzbeiträge für ihre Krankenversicherung zahlen. Und es könnten im Lauf des Jahres noch mehr werden.

Warum ist der Zusatzbeitrag nötig?

Dass Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben können, liegt am Gesundheitsfonds. Der wurde von der großen Koalition beschlossen. Union und SPD legten einen einheitlichen Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) von 14,9 Prozent fest. Dieser wird zusammen mit einem Steuerzuschuss in einen Topf, den Gesundheitsfonds, eingezahlt. Aus diesem erhalten die Kassen Geld – je nach Versichertenstruktur. Pro Beitragszahler erhalten die Kassen eine Grundpauschale. Je nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand der Mitglieder wird Geld dazugerechnet oder abgezogen. Sollte das nicht reichen, können die Kassen Zusatzbeiträge erheben. Zahlen müssen diese nur die Versicherten, nicht die Arbeitgeber. Die Krankenkassen können pauschal einen Betrag von bis zu acht Euro verlangen oder bis zu ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens eines Versicherten fordern, im Höchstfall 37,50 Euro monatlich. Der Zusatzbeitrag kann kurzfristig eingeführt werden.

Genau das haben nun einige vor. Zu groß ist das Defizit vieler Kassen. Nach jüngsten Prognosen fehlen den Kassen in diesem Jahr rund vier Milliarden Euro. Schuld an dem Milliardenloch seien gestiegene Ausgaben und sinkende Einnahmen. „Das ist ein Problem, das alle Kassen haben“, sagt Verbandschefin Doris Pfeiffer. Genau deshalb wird der Ruf, die Ausgaben der Kassen zu senken, auch laut. CSU-Chef Horst Seehofer hat seinen Koalitionsfreund, Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), bereits aufgefordert, sich darum zu kümmern.

Wie wird der Zusatzbeitrag erhoben?

Mit einem immensen Verwaltungsaufwand. Da der Zusatzbeitrag nicht – wie der normale Beitrag – vom Arbeitgeber eingezogen wird, muss die Kasse mit jedem Mitglied einzeln abrechnen. „Wir legen für jeden Kunden ein Beitragskonto an“, berichtet Frank Meiners von der DAK. Auf dieses Konto wird dann der Zusatzbeitrag eingezahlt – wahlweise per Einzugsermächtigung oder per Überweisung. Nach Schätzungen der Kassen kostet das insgesamt bis zu eine Milliarde Euro oder anders ausgedrückt: Von acht Euro Zusatzbeitrag gehen zwei Euro für die Verwaltung drauf.

Kann es auch teurer als acht Euro werden?

Ja, aber dann müssen die Kassen sich über die Einkommensverhältnisse jedes einzelnen ihrer Kunden informieren. Sie müssten dann beispielsweise den letzten Einkommensteuerbescheid oder die letzten Lohnabrechnungen überprüfen. Diesen Aufwand scheuen die allermeisten Kassen, nur die BKK Westfalen-Lippe denkt noch darüber nach, mehr als acht Euro zu erheben. „Das wird aber noch mal genau kalkuliert, ob sich das lohnt“, heißt es dazu bei der BKK.

Wer muss zahlen und was passiert, wenn man den Zusatzbeitrag nicht zahlt?

Zahlen müssen ihn beinahe alle Versicherten – auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II. Aber sie können bei ihrem Jobcenter beantragen, dass der Beitrag wegen besonderer Härte übernommen wird. Ausgenommen sind auch mitversicherte Familienangehörige, denn nur zahlende Mitglieder müssen den Zusatzbeitrag aufbringen. Wer sich einer Zahlung verweigert, wird gemahnt. „Dann fordern wir die Kunden auf zu zahlen“, sagt Daniela Friedrich von der KKH-Allianz. Doch was passiert, wenn die Versicherten trotzdem nicht reagieren, ist noch unklar. Denn die Kassen wollen ihre Kunden nicht verprellen. Zum Schlimmsten wird es ohnehin nicht kommen: „Wer nicht zahlt, muss weder damit rechnen, dass er seine Chipkarte abgeben muss, noch, dass der Arzt ihn nicht mehr behandelt“, sagt Meiners von der DAK.

Wie können sich die Kunden wehren?

Gesetzlich Krankenversicherte haben nur eine Möglichkeit, sich zu wehren. Sie können zu einer Kasse wechseln, die keine Zusatzbeiträge erhebt. Dazu zählt etwa die AOK Berlin-Brandenburg, die ihre Mitglieder in diesem Jahr verschonen will. Auch die VBU, die größte Betriebskrankenkasse in Berlin, hat zugesagt, 2010 keinen Zusatzbeitrag zu erheben. Wer bei einer Kasse versichert ist, die Zusatzbeiträge erhebt, hat ein Sonderkündigungsrecht und kann innerhalb von zwei Monaten die Kasse wechseln. „Wer sofort kündigt, ist also Ende des übernächsten Monats raus“, sagt Christoph Kranich, Gesundheitsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Es genüge eine schriftliche, formlose Kündigung.

Soll man die Kasse wechseln?

„Versicherte, die den Zusatzbeitrag nicht zahlen wollen, können von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen und zu einer Kasse mit ähnlichem oder sogar besserem Leistungsangebot wechseln“, empfiehlt Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest. „Insgesamt haben uns gegenüber bisher 40 Kassen bestätigt, dass sie keine Zusatzbeiträge 2010 erheben werden“, berichtet Tenhagen. Allerdings warnt Verbraucherschützer Kranich davor, voreilig zu wechseln. Seiner Meinung nach werden im Laufe des Jahres viele Kassen, die jetzt noch abwarten, gezwungen sein, wegen der steigenden Gesundheitskosten ebenfalls Zusatzbeiträge einzuführen. „Wenn man mit seiner Kasse zufrieden ist, sollte man nicht wegen acht Euro im Monat wechseln“, meint Kranich.

Welche Kassen sind betroffen?

Acht gesetzliche Krankenkassen haben am Montag auf einer gemeinsamen Veranstaltung in Berlin die Einführung von Zusatzbeiträgen angekündigt. Darunter ist eine der größten deutschen Kassen, die DAK, mit 6,4 Millionen Versicherten. Die endgültigen Beschlüsse der Verwaltungsräte stehen noch aus. Neben der DAK haben auch einige Betriebskrankenkassen (BKK Gesundheit, Deutsche BKK, BKK Heilberufe, ktp BKK, Novitas BKK und die BKK Westfalen-Lippe) sowie die KKH Allianz Zusatzbeiträge angekündigt. Auch bei der AOK Schleswig-Holstein steht das Thema an. Experten gehen von rund 30 Kassen aus, die bis zur Jahresmitte Zusatzbeiträge erheben werden.

Wie steht es um den normalen

Beitragssatz?

Der ist erst mal festgelegt: einheitlich für alle Versicherten bei 14,9 Prozent. Der Satz kann nur verändert werden, wenn der Gesundheitsfonds zwei Jahre hintereinander weniger als 95 Prozent der Kassenausgaben deckt. Somit bleibt der Beitragssatz 2010 und 2011 unverändert. Insgesamt plant die schwarz-gelbe Koalition, das System umzugestalten. So soll es einen festgeschriebenen Arbeitgeberanteil geben und einkommensunabhängige Arbeitnehmerbeiträge mit Sozialausgleich. Das ist jedoch noch umstritten.

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