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Rompf verzichtet auf Bahn-Leitungsposten: Die erste große Niederlage für Verkehrsminister Schnieder
Der Neuanfang bei der Bahn ist von einem Machtkampf begleitet. Der fordert ein erstes Opfer: Dirk Rompf, Schnieders Wunschkandidat als Chef der Infrastruktursparte. Nun bleibt Amtsinhalber Nagl.
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Nach massiver Kritik der Gewerkschaft EVG verzichtet der frühere Bahn-Manager Dirk Rompf auf den Chefposten bei der Infrastruktursparte InfraGo. Er habe heute Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und der neuen Bahnchefin Evelyn Palla mitgeteilt, dass er für die Position des Vorstandsvorsitzenden der InfraGo nicht mehr zur Verfügung stehe, heißt es in einer persönlichen Erklärung Rompfs, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Rompf erklärte weiter, weder aus seiner Zeit bei der DB AG noch in seiner aktuellen Position habe er sich etwas vorzuwerfen. Für den Zuspruch bedanke er sich. Evelyn Palla und der Deutschen Bahn wünsche er alles Gute.
Verkehrsminister Schnieder (CDU) erklärte zunächst, Rompf habe ihm heute Vormittag in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, dass er für den Vorstandsvorsitz der InfraGO nicht mehr zur Verfügung stehe. „Ich bedauere seinen Schritt und danke ihm dafür, dass er sich bereit erklärt hatte, die herausfordernde Aufgabe bei der InfraGO zu übernehmen. Ich respektiere selbstverständlich seine Entscheidung und werde zeitnah bekanntgeben, wie wir mit der neuen Situation umgehen.“
Am Nachmittag vollzog Schnieder dann eine komplette Kehrtwende. Gegen 15 Uhr teilte sein Ministerium mit, dass der bisherige Chef der InfraGO, Philipp Nagl, nun doch dauerhaft im Amt bleibt. „Ich freue mich darauf, zusammen mit Evelyn Palla und Philipp Nagl die ‚Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene’ umsetzen zu können“, sagte Schnieder.
EVG fordert weiter Beteiligung
Kristian Loroch, Vize-Chef der EVG und Vize-Chef des InfraGO-Aufsichtsrats, zeigte sich erleichtert, dass Nagl offensichtlich weiter macht. Er kritisierte jedoch, dass Schnieder diese Entscheidung ebenso wie die Nominierung von Rompf ohne ausreichende Abstimmung mit dem Aufsichtsrat der InfraGO getroffen habe.
„Die Bahninfrastruktur ist völlig marode, aber es ist eine erste Trendwende zu erkennen“, sagte Loroch dem Tagesspiegel. „Deshalb wäre es auch ein unverzeihlicher Fehler, die Architekten dieser Trendwende abzusetzen.“ Die Beschäftigten hätten in den letzten Tagen mehr als deutlich gemacht, dass sie weiter mit Philipp Nagl arbeiten wollten.
„In Deutschland sorgen Gesetze dafür, dass die Stimme der Arbeitnehmer bei solchen Entscheidungen gehört wird“, betonte Loroch. Er warf Schnieder vor, dies missachtet zu haben. „Gut, dass dieser Spuk durch den Rückzug von Dirk Rompf nun ein Ende hat. Wir erwarten, dass der Eigentümer jetzt endlich seine Rolle einnimmt und die Zukunft der InfraGO-Spitze im zuständigen Gremium geklärt wird.“
Schnieder hatte am Montag Palla als neue Bahnchefin und Rompf als neuen Chef der InfraGo vorgeschlagen. Palla wurde am Dienstag vom Aufsichtsrat der Bahn zur neuen Chefin des Konzerns berufen. Die Bahngewerkschaft EVG stimmte jedoch gegen Palla - aus Ärger über die Nominierung von Rompf. Die Gewerkschaft kündigte zudem an, seine Berufung im Aufsichtsrat der InfraGO verhindern zu wollen.
Schnieder hatte bei der Vorstellung von Palla und Rompf erklärt, es brauche auch bei der InfraGO einen Neuanfang. Dem Vernehmen nach wollte der Verkehrsminister den Chef der InfraGO vor allem deshalb austauschen, weil an der Spitze der Deutschen Bahn AG mit Palla eine interne Lösung gefunden wurde. Palla war zuvor Vorständin für Regionalverkehr.
Schnieder hielt zumindest einen einflussreichen neuen Manager von außen für erforderlich, um zu signalisieren, dass es bei der Bahn einen Neuanfang gibt. Doch bereits während der Pressekonferenz wurde bekannt, dass die EVG Rompf nicht mittragen will.
Nach Ansicht der Gewerkschaft könne mit Rompf als InfraGo-Chef nicht von einem Neustart bei der Bahn gesprochen werden. Rompf sei in seiner Zeit als Vorstand der früheren DB Netz „nicht aufgefallen – auch nicht positiv aufgefallen, im Gegenteil. Er hat das Spardiktat massiv durchgezogen und ist mitverantwortlich, dass die Infrastruktur in so einem Zustand ist“, sagte EVG-Chef Martin Burkert.
Schnieder sah in Rompf den Richtigen
Auch bei der SPD wurde Kritik daran laut, dass Schnieder die Personalie Rompf vorher nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt hat. Die EVG rechnete sich gute Chancen aus, Rompfs Berufung im InfraGO-Aufsichtsrat bei einer Sitzung innerhalb der nächsten Wochen verhindern zu können.
EVG-Chef Burkert ging davon aus, dass für den Manager keine einfache Mehrheit zustande gekommen wäre, weil auch Vertreter der Arbeitgeberseite - insbesondere Mitglieder der SPD - hätten gegen ihn stimmen können.
Rompf war früher lange bei der BahnDB Netz und für die Netzplanung zuständig. Aktuell ist er Geschäftsführer der Strategieberatung Ifok, welche auch die InfraGo berät. Bundesverkehrsminister Schnieder hatte am Montag gesagt, Rompf sei genau der Richtige für den Spitzenposten bei der InfraGo. Er habe 25 Jahre Erfahrung im Eisenbahnsektor und fundierte Kenntnisse in der Infrastruktur.
Schnieder hatte am Dienstag Eckpunkte einer Bahn-Reform vorgestellt. Ein Neuanfang sei dringend erforderlich, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die Krise der Bahn. Die Bahn müsse pünktlicher, sauberer und sicherer werden. Der Konzern soll sich wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren, mit einem klaren Fokus auf Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit. Schnieder kündigte an, die InfraGO solle eigenständiger werden.
Für den Verkehrsminister ist Rompfs Rückzug eine schwere Niederlage. Denn das Versprechen der Bundesregierung, einen neuen Aufbruch bei der Bahn zu erzeugen, lässt sich jetzt kaum noch halten.
Die EVG hat zudem bewiesen, dass sie ein Machtfaktor ist, den Schnieder bei der Reform der Deutschen Bahn nicht ignorieren kann. Denn da die Vertreter der SPD selten entgegen dem Votum der Bahngewerkschaft abstimmen, ist die EVG in den Aufsichtsräten des Konzerns und seiner Tochtergesellschaften in der Lage, Mehrheiten gegen Personalentscheidungen und Strukturreformen zu erreichen.
Frühere Verkehrsminister suchten deshalb vor grundlegenden Entscheidungen in Verhandlungen stets den Konsens mit der EVG. Patrick Schnieder wählte eine andere Taktik: Er versuchte, die Gewerkschaft zu überrumpeln.
EVG und SPD wurden überrumpelt
So erfuhren die Funktionäre der EVG erst am Samstag, dass Schnieder den im Konzern überwiegend beliebten Chef der InfraGO, Philipp Nagl, durch Rompf ersetzen will. Kurz darauf stand diese Nachricht bereits auf der Seite von „Bild“. In der EVG sah man das als Versuch, Fakten zu schaffen.
Schnieder und seine Topbeamten wie der Staatssekretär Stefan Schnorr unterschätzten jedoch, welchen Widerstand die Ablösung von Nagl im Konzern auslösen würde. Funktionäre der EVG, aber auch andere Mitarbeiter der Bahn berichten seit Tagen davon, dass Nagl in Briefen, Videositzungen und in Posts in internen Kommunikationskanälen überschwänglich für seine Arbeit gedankt wird. Er sei der erste Infrastrukturchef, der sich wirklich mit der Lage auf den Baustellen und den Problemen der Basis beschäftige, lautet demnach der Tenor.
Rompf habe als sich als Vorstand für Netzplanung und Großprojekte bei der früheren DB Netz AG hingegen vor allem mit Powerpoint-Folien beschäftigt, heißt es bei jenen, die Rompf noch als DB-Manager erlebt haben. In seinen Verantwortungsbereich fielen damals auch die Großprojekte Stuttgart 21 und die zweite Münchner S-Bahnstammstrecke, bei denen es Kostenexplosionen gab. Rompf stand deshalb in der Kritik.
Schließlich habe der damalige Infrastrukturchef der Bahn, Ronald Pofalla, Rompf gedrängt, den Konzern zu verlassen, erfuhr der Tagesspiegel aus Konzernkreisen. Umso mehr verwundert es, dass Schnieder Rompf ausgewählt hat, um bei der Bahn einen Neuanfang zu signalisieren.
Dass sich Schnieder bei der EVG nicht rückversicherte, bevor er Rompf zu seinem Kandidaten für die InfraGO machte, irritierte auch den Koalitionspartner SPD. „Ich bin davon ausgegangen, dass mit den maßgeblichen Playern die Dinge vorher auch abgestimmt und rückgekoppelt sind“, sagte der Fraktionschef Matthias Miersch zu Wochenbeginn. (mit dpa)
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