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Tarifkonflikt bei der Bahn : Kommt bald der nächste Großstreik auf die Kunden zu?
In dieser Woche entscheidet sich, ob es bei der Bahn Streiks gibt. Ab Mittwoch wird über Geld, freie Tage und sichere Arbeitsplätze gesprochen. Mit diesen Plänen gehen beide Seiten in die Verhandlungen.
Stand:
Streiks in einem Sanierungsunternehmen sind selten erfolgreich. Die Führung der Eisenbahnergewerkschaft EVG hat sich deshalb eine besondere Strategie einfallen lassen: Noch bevor ab April überhaupt Streikmaßnahmen erlaubt sind, möchte die Gewerkschaft einen neuen Tarifvertrag mit dem Personalvorstand der Bahn abschließen. In dieser Woche wird sich zeigen, ob das gelingt.
Die Strategie ist riskant, denn ohne das bewährte Druckmittel ist eine Gewerkschaft auf den guten Willen des Arbeitgebers angewiesen. Bahn-Personalchef Martin Seiler freut sich zwar über das „starke Signal“ der Gewerkschaft, in diesem Jahr auf Streiks verzichten zu wollen. Doch auch das „Signal“ hat einen Preis.
Wenn Seiler das bisherige Angebot nicht erheblich erhöht, treibt er die EVG doch noch in Richtung Arbeitskampf. Am Mittwoch beginnt die inzwischen 3. Gesprächsrunde; bis zum Wochenende wollen die Tarifparteien klären, ob sie übereinkommen. „Wir haben Wäsche zum Wechseln dabei“, stellt ein Gewerkschafter klar, dass man sich auf einen langwierigen Gehaltspoker einstellt.

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Die EVG fordert für gut 180.000 Beschäftigte 7,6 Prozent mehr Geld inklusive 2,6 Prozent tarifliches Zusatzgeld (EVG-Zug). Für Schichtarbeitende, das sind immerhin rund 100.000 bei der Bahn, möchte die EVG ein weiteres Zusatzgeld von 2,6 Prozent, verbunden mit der Möglichkeiten, einen Teil des Geldes gegen bis zu drei freie Tage tauschen zu können.
Zur Stärkung der eigenen Organisation fordert die EVG ferner einen Mitgliederbonus von 500 Euro; das Extrageld soll der EVG helfen, sich von der Lokführergewerkschaft GDL abzuheben.
Seiler hat bislang zwei Prozent für alle zum 1. Oktober 2025 sowie weitere zwei Prozent ein Jahr später angeboten. Nur für die rund 100.000 Schichtarbeitenden bietet die Bahn ein tarifliches Zusatzgeld von insgesamt 3,9 Prozent ab 2027, „sowie die Bereitschaft, über die teilweise Umwandlung in freie Tage ab 2028 zu verhandeln“. Und, für die Gewerkschaft ganz wichtig, bis 2027 soll es trotz Sanierungsbedarf keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Beschäftigungssicherung ist bei der DB Cargo relevant. Die Güterbahn fährt seit vielen Jahren Verluste ein, Ende letzten Jahres hat Cargo-Chefin Sigrid Nikutta den Abbau von 5000 der 31.000 Arbeitsplätze bis 2029 angekündigt. Das ist durch übliche Fluktuation, Versetzungen innerhalb des Konzerns sowie freiwillige Ausstiegsprogramme erreichbar.
Seiler wollte ursprünglich ein Sonderkündigungsrecht für den neuen Tarifvertrag, falls sich die Situation bei DB Cargo weiter verschlechtert. Darauf ließ sich die EVG nicht ein. Die Tarifparteien haben sich stattdessen auf ein Procedere verständigt, „das Abweichungen von tarifvertraglichen Regelungen zulässt, wenn es im Rahmen des Restrukturierungsplans nötig sein sollte“.
Umstrittene Laufzeit des neuen Vertrags
Damit können alle Beteiligten leben. Weit auseinander liegen hingegen die Vorstellungen über die Laufzeit des neuen Vertrags. Seiler hätte gerne 37 Monate, bis April 2028, und argumentiert mit Planungssicherheit während des gesamten Sanierungszeitraums für das Unternehmen und die Mitarbeitenden.
Die EVG hat mit langen Laufzeiten schlechte Erfahrungen gemacht und sich deshalb eine Grenze bei 24 Monaten gesetzt. Diese eher theoretische Grenze wurde indes bereits im vergangenen Dezember überschritten, als die Gewerkschaft mit privaten Bahnbetreibern einen Vertrag über 25 Monate unterschrieb.
Der damalige Tarifkompromiss gibt im Übrigen Hinweise dazu, was auch beim Marktführer Bahn vereinbart werden könnte: Eine Entgelterhöhung um zwei Prozent jeweils im November 2025 und 2026 sowie ein Zusatzgeld von 2,1 Prozent für alle ab 2026 jährlich. Dazu zahlten die privaten Bahnen eine Inflationsprämie zumeist in dreistelliger Höhe mit dem Dezembergehalt.
Diese Prämie gibt es nicht mehr. Stattdessen zahlt die Bahn womöglich einen EVG-Mitgliederbonus, um somit für einen Teil der Bahnbeschäftigten den Zeitraum bis zur prozentualen Erhöhung um zwei Prozent im Herbst zu überbrücken.
Seiler harmoniert mit der EVG-Führung und hat ein Interesse an einer starken Eisenbahnergewerkschaft, die sich gegen die renitente Lokführergewerkschaft GDL profiliert. Mit 184.000 Mitgliedern ist die EVG deutlich größer als die GDL (40.000 Mitglieder). Tarifverhandlungen mit der GDL stehen für Seiler im Frühjahr 2026 an. Es wird der erste Tarifkonflikt nach Claus Weselsky, der im vergangenen Jahr in Rente ging.
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