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Das Modell des zugebauten Gasometers. Über einem Kongresszentrum im Erdgeschoss soll in den folgenden Stockwerken auf 35 000 Quadratmetern Platz für knapp 2000 Arbeitsplätze entstehen. Der 1910 gebaute Gasometer ist 78 Meter hoch.

© promo

Tesla will mit 2000 Mitarbeitern in den Gasometer: Denkmalschutz oder Autokonzern?

Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist sich einig mit dem Euref-Macher Müller über den Ausbau des Industriedenkmals. Entscheiden soll aber der Senat.

Reinhard Müller ist bockig. „Ich mache es nicht“, sagt der Gründer und Eigentümer des Euref Campus in Schöneberg. „Ich werde das Objekt nicht bauen, wenn es nicht so kommt, wie ich möchte.“ Das Objekt ist der 110 Jahre alte Gasometer, mit einer Höhe von 78 Meter eine herausragende Landmarke zwischen Rathaus Schöneberg und Südkreuz. Müller will den Gasometer innen ausbauen und 35 000 Quadratmeter Bürofläche schaffen. Der Denkmalschutz befürchtet, dass die Struktur des Industriedenkmals mit seinem transparenten, stählernen Gerüst nicht mehr sichtbar ist. Und überhaupt: Wenn so ein Koloss zugebaut wird, entsteht ein „massiver schwarzer Block“, wie kürzlich ein Bezirksverordneter meinte. Kein schöner Anblick für die Bewohner der Roten Insel.

Müller kaufte das Areal von der Gasag

Vor rund zwölf Jahren übernahm der aus Krefeld stammende Architekt und Stadtplaner Reinhard Müller die 5,5 Hektar große Industriebrache zwischen dem S-Bahnhof Schöneberg und der Kolonnenstraße von der Gasag. Als sich nach Fukushima 2011 die Energiewende beschleunigte, profitierte das Europäische Energieforum (Euref) ganz besonders. Müller spricht heute von einem Reallabor der Energiewende, auf dem Forscher und Unternehmer, Start-ups und Konzerne wie die Bahn und demnächst die Gasag ansässig sind. End- und Höhepunkt der Entwicklung soll der Ausbau des Gasometers sein, der einst zu den größten Gasspeichern Europas gehörte und seit 1995 nur noch Denkmal ist. Die nach dem Talkmaster benannte Jauch-Kuppel, in der von 2011 bis 2015 über Politik diskutiert wurde, machte den Gasometer bundesweit bekannt. Jauch ist wieder weg. Jetzt kommt Tesla. Vielleicht.

Kongresszentrum im Erdgeschoss

Der Elektroautohersteller baut im brandenburgischen Grünheide eine Autofabrik. Und in der Hauptstadt des wirtschaftlich stärksten europäischen Staates mit dem größten Automarkt und den berühmtesten Automarken möchte Elon Musk präsent sein und ein Design- und Entwicklungszentrum einrichten, womöglich auch die Europazentrale. Tesla passt zum Profil des CO2-freien Euref, und so sind Müller und die Tesla-Leute angeblich übereingekommen: Mit 2000 Mitarbeitern zieht Tesla in den Gasometer. Wenn denn alles so läuft, wie Müller sich das vorstellt: Im Erdgeschoss soll ein 16 Meter hohes Veranstaltungszentrum entstehen. Dann werden in den folgenden sechs Feldern zwölf Geschosse gebaut und schließlich eine öffentlich zugängliche Dachterrasse.„Bestimmt ein schönes Highlight für den Bezirk“, werben Müllers Leute für die „Skylounge“ und das Projekt insgesamt.

"Bebauung ist nicht denkmalverträglich"

Müller will oben nur ein Feld offen lassen, die Denkmalschützer plädieren für zwei, damit der Koloss nicht ganz so gewaltig im Stadtbild steht. „Eine höhere Bebauung ist nicht denkmalverträglich“, sagte Landeskonservator Christoph Rauhut dem Tagesspiegel. Ein oder zwei offene Felder – darum dreht sich der Streit. Und darum, wie eine „Verschattung“ erreicht wird, damit das Hochhaus nicht im Dunkeln funkelt. Müller spricht von „Licht-Smog“, wenn die Büros beleuchtet sind. Seine Lösung ist einfach: Sobald es dunkel wird, fahren Jalousien runter.

Der Euref-Chef ist fertig mit der Planung und hat Anfang März einen Bauantrag eingereicht – mit nur einem offenen Feld. Im bisherigen B-Plan sind aber zwei vorgesehen. Mitte Juni befasste sich dann der Bezirksausschuss für Stadtentwicklung mit dem Thema, Müller trat auch auf. Mithilfe eines Gutachters wurde die sogenannte Planstraße abgeräumt, eine zusätzliche Straße zur Erschließung des Euref-Geländes, die Müller nach der bisherigen, mehr als zehn Jahre alten Planung hätte finanzieren müssen. Doch der Autoverkehr entwickelt sich mäßig, zum Euref kommen die meisten dort Beschäftigten – derzeit etwa 3500– mit Fahrrad, Bus oder Bahn. Das gilt auch für die 1000 Gasag-Mitarbeiter, die im Herbst auf das Gelände ziehen.

Fahrradstraße statt Autostraße

Die Straße wird nicht gebraucht, da sind sich Bezirk und Investor einig. Müller spart also – und übernimmt die Kosten der Umgestaltung der Torgauer Straße. Das ist eine enge und holprige Gasse, für die man ein Mountainbike braucht. Rund 700 000 Euro veranschlagt Müller für die Sanierung der Torgauer respektive die Einrichtung einer Fahrradstraße mit eingeschränktem Autoverkehr. Der Bezirk wünscht sich dazu einen Zugang zum Euref über die Gasag-Brücke, die vom S-Bahnhof Schöneberg kommt und den Sachsendamm überquert. Müller verhandelt derzeit mit der Bahn darüber, ob er die Brücke für Fußgänger und Radfahrer mit ein paar hunderttausend Euro herrichten darf.

Reinhard Mueller, Vorstandsvorsitzender der Euref AG, will mit dem Gasometer-Ausbau die Entwicklung des gut fünf Hektar großen Industrieareals abschließen.
Reinhard Mueller, Vorstandsvorsitzender der Euref AG, will mit dem Gasometer-Ausbau die Entwicklung des gut fünf Hektar großen Industrieareals abschließen.

© imago

Die Aufhübschung der Nordspitze des Euref am Cheruskerpark übernimmt er auch noch. Das alles sagte der Euref-Chef am 10. Juni den Bezirksverordneten zu. „Ist ja heute ein teurer Abend“, meinte Müller damals. Ein bisschen Koketterie darf sein – zumal die Abgeordneten begeistert waren von den Plänen des Investors. Gasometerausbau inklusive. „Der Kiez wird es Ihnen danken und die Nachbarschaft auch“, sagte Bezirksbaustadtrat Jörn Oltmann (Grüne) und lobte das vereinbarte Paket: Müller übernimmt freiwillig Aufgaben, für die eigentlich der Bezirk zuständig ist. Und der Bebauungsplan wird geändert, wodurch die ursprünglich vorgesehene Nutzungsfläche von 165 000 Quadratmeter auf 135 000 sinkt. Im Gegenzug darf Müller den Gasometer so zubauen, wie er möchte.

200 Millionen Euro will Müller investieren

„Wir haben einen Interessenten und müssen 2000 Arbeitsplätze unterkriegen“, argumentiert der Euref-Macher, ohne den Interessenten zu nennen. Das haben ihm die Amerikaner verboten. 2000 Arbeitsplätze bekommt Müller nach eigenen Angaben nur untergebracht, wenn er den Gasometer bis auf das oberste Feld zubaut. Tesla benötige den Platz und er die Mieteinnahmen, sonst würde sich das Investment nicht rechnen. Gut 200 Millionen Euro veranschlagt er für den Ausbau – etwa 6000 Euro für jeden der 35000 Quadratmeter Bürofläche. „Das ganze Gebäude ist ausgeschrieben, die Statik ist fertig“, sagt Müller im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Bis zum 1. Januar brauche ich eine Teilgenehmigung, damit der Gasometer am 1.7.2023 fertig ist.“ Dann wolle Tesla einziehen. Müllers Argumentation zusammengefasst: Wenn wegen des Denkmalschutzes zwei Felder offen bleiben, fehlt Platz, Tesla kommt nicht und der Gasometer wird nicht ausgebaut.

Der Senat soll entscheiden

Nun kommt der Senat ins Spiel, weil dieser Konflikt nach Einschätzung Oltmanns nur von der großen Politik entschieden werden kann. Der Schöneberger Baustadtrat fasst den Verhandlungsstand des Bezirks mit Müller zusammen und reicht das Verfahren dann weiter an Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Die lädt irgendwann nach der Sommerpause Kultursenator Klaus Lederer (wegen Denkmalschutz), Bausenatorin Katrin Lompscher (wegen der Höhe) und Jörn Oltmann selbst zu einer Ämterrunde ein, um eine Frage zu beantworten: Etwas weniger Bebauung, um dem Denkmalschutz gerecht zu werden, oder Tesla in den Gasometer holen? Diese Zuspitzung und die Entweder-Oder-Ansage Müllers missfällt Oltmann, der sich eigentlich an der Seite des Euref-Mannes sieht. „Ich weiß nicht, ob es zielführend ist, jetzt so auf die Marmelade zu hauen.“

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