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Eine Biene sammelt den Nektar von einem rosafarbenen Sonnenröschen.

© Matthias Balk/dpa

UN rufen Weltbienentag aus: Es brummt - Bienen haben Hochkonjunktur

Selbst die Kanzlerin betont die Bedeutung der Bienen. Denn die wilden Arten brauchen Hilfe. Heute ist der erste Weltbienentag.

Von Carsten Werner

Blumensamen in der Apfelpackung bei Rewe, Häkel-Bienen für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, leere Penny-Supermarktregale, Maja Lundes Bestseller „Die Geschichte der Bienen“ und Biene Majas „Honigspiele“ im Kino: An Aufmerksamkeit mangelt es der Biene gerade nicht.

Bienen gelten als fleißig, nützlich und sozial

Schon lange waren Bienen ein kulturelles Faszinosum aufgrund ihrer komplexen Kommunikation (durch Tänze und eine Art Musik!), wegen ihrer sozialen Fähigkeiten und ihrer effizienten Organisation von Arbeit und eigenem Staat. Vielleicht ist das der Hintergrund ihres momentanen Erfolgs: Bienen als fleißige, nützliche, soziale und produktive Wesen bieten sich Politik, Wissenschaft und Wirtschaft als populäres Synonym für Biodiversität und Artenvielfalt an – technokratische, nicht gerade emotionale Begriffe. Die Bienen verkörpern sie jetzt und helfen mit ihrem plüschigen, immer auch wilden Image in warmen Farben, Supermärkte zu Volkshochschulen zu machen und die Stadt zur neuen Natur.

Der Grund für die Hochkonjunktur der Bienen ist paradoxerweise, dass die Realität der weltweiten Landwirtschaft die Tiere gefährdet – und mit ihnen Pflanzen und Nahrungsmittel. Während weltweit die von Menschen gezüchteten, gehaltenen und gepflegten, für Pflanzenbestäubung und Honigproduktion genutzten Bienenvölker mehr werden (und immer mehr Honig produzieren), nimmt die Zahl der Insektenarten insgesamt kontinuierlich ab. Etwa die Hälfte der fast 600 Wildbienenarten in Deutschland stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, 40 bis 50 gelten schon als ausgestorben.

Wichtig an der Vielfalt der Arten ist deren Spezialisierung

Wichtig an der Vielfalt der Arten ist deren Spezialisierung: Die verschiedenen Bienen haben ganz verschiedene Weisen, mit ihren Mundwerkzeugen und Beinen Pollen zu sammeln – und nur alle zusammen können alle Blütenarten bestäuben. Diesen Sonntag haben die UN daher zum ersten Weltbienentag erklärt.

75 Prozent der rund 150 wichtigsten Nutzpflanzen auf der Welt profitierten von der Bestäubung durch Bienen, sagt der Göttinger Agrarökologie-Professor Teja Tscharntke. Das treffe auch auf Pflanzen zu, die sich überwiegend selbst bestäuben könnten: „Die Samen sind meist vitaler und größer“, wenn Bienen mithelfen.

Bei einem Versuch in einer großen Kirschbauregion in Kassel hat er mit seinen Mitarbeitern festgestellt, dass bei einer guten Bestäubung durch Wildbienen der Ertrag um 50 Prozent höher ausfallen kann. In Kalifornien lassen Farmer zur Mandelblüte jedes Jahr Imker mit ihren Bienen in Scharen anreisen. Tscharnke betont auch: „Die Wildbienen sind viel effizientere Bestäuber als die Honigbienen.“ Die Honigbiene krabbele auf derselben Pflanze von einer Blüte zur anderen, Wildbienen fliegen öfter zwischen den Pflanzen hin und her – das bringe mehr Genaustausch, der die Pflanzen stärkt.

Bienen habe eine große „Systemrelevanz“

Ein Drittel der essbaren Pflanzen, aber auch Futtermittel für Nutztiere und pflanzliche Rohstoffe wären ohne Bienen nicht oder schwieriger zu produzieren. In einem für einen Tag „bienenfrei“ geräumten Penny-Markt in Hannover fehlten 60 Prozent der Waren: neben Obst, Gemüse und Honig auch Gewürze, Tees, Fruchtquark und -joghurt, Tiefkühlpizza und gewürztes Fleisch, Chips, alle Produkte mit Schokolade, Baumwoll-Wattepads, mit Bienenwachs überzogene Gummibärchen, Klopapier mit Kamillenduft und Deos mit natürlichen Duftstoffen.

Manches davon wäre ersetz- oder verzichtbar – deutlich machte die Aktion aber die „Systemrelevanz“ von Bienen und Insekten, die inzwischen auch Kanzlerin Angela Merkel und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erkannt haben: „Was der Biene schadet, schadet dem Landwirt und damit uns allen“, sagt Klöckner jetzt immer wieder.

Merkel spricht das Thema im Bundestag an

Merkel widmete das Schlusswort ihrer Haushaltsrede im Bundestag diese Woche den Bienen: Sie stünden „pars pro toto für das, was wir unter Artenvielfalt verstehen“. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nutzt den heutigen Weltbienentag für den Hinweis, dass der Schwund von Tieren „nicht im fernen Regenwald, sondern direkt vor unseren Augen“ stattfinde: Um wieder neue Lebensräume für Insekten zu schaffen, seien „aufgeräumte Gärten ohne einheimische Pflanzenarten oder Äcker voller Insektizide (…) keine Hilfe“.

Wildbienen leben eher versteckt. Deshalb fallen sie nicht auf“, sagt der Neurobiologe Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin: „Die Honigbienen sind die, die die Aufmerksamkeit bekommen.“ Sie haben ihren internationalen "Tag der Honigbiene" denn auch schon seit 2009, ausgerufen von Imkern in den USA - immer am dritten Samstag im August.

Wildbienen leiden unter Pestiziden

Doch gerade die Wildbienen leiden am meisten unter landwirtschaftlichen Monokulturen, in denen sie erst wenig Behausungs-Möglichkeiten finden - und dann wenig Nahrung und die nur zur jeweiligen kurzen Blütezeit oft nur einer einzigen Pflanze. Hinzu kommen von Landwirten versprühte Pestizide. „Die Honigbienen können das besser kompensieren, weil sie in größeren Völkern leben, und sie haben den Imker, der ihnen hilft“, sagt Menzel.

Wer also Bienen – die Nutztiere der Imker wie auch ihre vielen wilden Artgenossen – unterstützen, etwas für die Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren überhaupt tun will, kann in erster Linie zunächst mal etwas sein lassen: Im eigenen Garten wilde Ecken stehen lassen, weniger und seltener mähen – denn ein großer Teil der wilden Insekten ist nicht nur auf ein vielfältiges Blütenangebot angewiesen, sondern baut auch am Boden Nester und Höhlen. Viele Sträucher und Beeren blühen erst an Trieben vom vergangenen Jahr – vom Liguster bis zur Himbeere: Sie sollten also auch nicht ständig geschnitten werden. Nicht zu unterschätzen ist auch der Durst der Bienen: Flaches Wasser mit Steinen und etwas Sand am Rand nutzen sie gerne, um zu trinken.

Insekten im Garten Nistmöglichkeiten bieten

Wer über den Winter vertrocknete Pflanzen bis ins frühe Frühjahr stehen lässt, bietet vielen Insekten Nistmöglichkeiten. Abgestorbene und -geschnittene Stängel sollten auf dem Boden liegen bleiben oder gestapelt werden. Was im Supermarkt gekaufte oder selbstgebastelte „Insektenhotels“ vereinen, lässt sich auch einzeln im Garten anbieten: Wildbienen finden Unterschlupf in sauber geschnittenem Bambus und anderen hohlen Stangen und Stängeln, in abgestorbenen Ästen und Stämmen, offen abgestochenen Erdboden-Kanten, Mauerlücken und Steinstapeln. Oft lassen sich schon nach wenigen Wochen oder Monaten erste Tiere nieder.

Wer die Nutztier-Variante mit eigenem Honigertrag bevorzugt und als Hobby-Imker strukturiert vorgehen möchte, findet im Buchhandel und im Internet Anleitungen zur Bienenzucht und -pflege: vom Bienenrecht bis zu Blütensamenmischungen, vom online bestellbaren Bienenvolk über „Schwarmbörsen“ bis zur Bienenstockbauanleitung. Grün Berlin und Umweltinitiativen bieten Workshops, Kurse und Gruppen an. Und kaufen lässt sich die Biene auch: Manche Imker liefern und betreuen Völker komplett und mit Honiggarantie für Garten, Dach oder Balkon – das Bienen-Image ist halt gerade gut. (mit dpa/epd)

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