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Fitness-Tracker gehören derzeit zu den beliebtesten Wearables.

© dpa

Vergünstigungen für Versicherte: Generali: Rabatte für sportliche Kunden

Deutschlands zweitgrößter Versicherer bietet jetzt einen Fitnesstarif. Und sammelt im Zuge dessen Gesundheitsdaten von Kunden. Kritiker sind alarmiert.

Deutschlands zweitgrößter Versicherer Generali belohnt seine Kunden künftig für sportliche Betätigung und gesunde Ernährung mit umstrittenen Rabatten. „Vitality“ („Lebensfreude“) nennt das Unternehmen sein neues Programm, welches Versicherungsnehmern jeden Alters und körperlichen Zustands ab dem 1. Juli zusammen mit einer Risikolebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen können. Zudem erwäge das Unternehmen, einen ähnlichen Tarif auch im Zuge einer privaten Krankenversicherung anzubieten. Wer ärztliche Vorsorgetermine wahrnimmt, nicht raucht, gesunde Lebensmittel kauft oder Sport treibt, zahlt im Rahmen von Vitality künftig für seine Police 20 bis 40 Prozent niedrigere Versicherungsbeträge im Vergleich zum Ausgangspreis. Zudem bekommen Versicherte Rabatte bei namhaften Kooperationspartnern wie dem Sportartikelhersteller Adidas, der Fitnesskette Fitness First, den Linda-Apotheken oder bei Weight Watchers.

Generali sammelt Kundendaten über Wearables

Wie sich die Kunden fit halten, will Generali dabei unter anderem durch den Einsatz von sogenannten Wearables erfahren. Dabei handelt es sich um digitale Technik wie Fitnessarmbänder oder Gesundheitstracker, die laufend Vitalitäts- und Bewegungsdaten sammeln und übermitteln. Im Falle von Vitality fließen die Informationen nach Einwilligung des Kunden an die Cloud eines neu gegründeten Generali-Tochterunternehmens in Aachen. Durch diese Konstruktion sei gewährleistet, dass der Mutterkonzern keinen Zugriff auf die Gesundheitsinformationen der Kunden habe, versichert das Unternehmen. Generali erfahre lediglich, welchen „Gesundheitsstatus“ die Versicherten erreicht hätten, sagte ein Sprecher des Unternehmens dem Tagesspiegel. Zudem könnten Kunden auch ohne den Einsatz digitaler Technik am Vitality-Programm teilnehmen.

Datenschützer warnen vor gläsernen Versicherungskunden

Verbraucherschützer sehen derartige Tarife kritisch und befürchten den gläsernen Versicherungskunden. Auch warnen Kritiker, dass viele Menschen die Vorteile von Fitnesstarifen nicht oder nur in geringem Umfang genießen können - beispielsweise chronisch Kranke oder ältere Personen. Sie und Versicherte, die sich nicht am Programm beteiligen wollen, könnten die Zeche durch höhere Beiträge zahlen müssen.

Kunden können auch durch gesunden Lifestyle punkten

Generali-Vorstandschef Giovanni Liverani sagte bei der Vorstellung des Programms am Donnerstag, die Versicherten entschieden selbst, welche Daten sie übermittelten. Wer sich etwa gegen den Einsatz von Wearables entscheide, könne auch durch gesunde Ernährung, die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen oder Nichtrauchen zu Vergünstigungen kommen. „Es geht darum, eine positive Verhaltensänderung herbeizuführen“, heißt es auf der Generali-Homepage zu den Zielen des Programms. Kunden, die nicht an Vitality teilnähmen, hätten keine Nachteile. „Wir möchten niemanden diskriminieren, sondern motivieren.“ Das Unternehmen sei mit Vitality Vorreiter in Deutschland und Europa.

Bei der Allianz kann man gegen Aufpreis einen Sportbaustein zur Krankenversicherung dazubuchen

In der Tat geht bislang kein Versicherer so weit wie Generali. „Wir tracken nicht digital und quasi rund um die Uhr die Aktivitäten unserer Kunden“, sagt etwa eine Sprecherin der Allianz. So hat Deutschlands größter Versicherungskonzern hat nicht vor, ein Vitality-Programm in der privaten Krankenversicherung einzuführen. Für Sportler bietet die Allianz derzeit einen separaten Sportbaustein in der Krankenversicherung, der – gegen Aufpreis – Zusatzleistungen wie Laktattests, EKGs oder ein größeres Behandlungsspektrum nach Sportunfällen anbietet. Auch die Nummer zwei der deutschen Versicherungskonzerne, die Ergo mit der Krankenversicherungstochter DKV, ist skeptisch. „Wir planen derzeit keine Tarife, in denen die Beiträge von Informationen aus beim Kunden erfassten Fitness- und Lifestyledaten abhängen“, sagte eine Ergo-Sprecherin auf Anfrage. Solche Bonusprogramme, Apps oder Wearables könnten für den einzelnen eine Hilfe sein, den Lebensstil zu verbessern, „eine Grundlage für neue Versicherungstarife sehen wir darin derzeit noch nicht.“ Die DKV bietet ihren Versicherten derzeit eine sogenannte „Aktiv-Prämie“, mit der gesundes Verhalten belohnt wird. Dazu zählt auch die Anschaffung eines Fitnesstrackers, den die DKV mit 50 Euro bezuschusst. Dessen Daten werden aber nicht an die DKV übertragen, das Gesundheitsverhalten nicht überprüft, heißt es bei der Ergo.

Die Krankenkassen bieten Prämienprogramme an

Fitness und gesunde Lebensführung spielen auch bei den gesetzlichen Krankenkassen eine wachsende Rolle. Seit 2004 dürfen die Kassen Prämienprogramme anbieten und ihren Versicherten materielle Anreize bieten, um diese zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil zu motivieren. Auf den Beitragssatz hat das aber keinen Einfluss. Der ist für alle gesetzlich Versicherten gleich, egal, ob sie alt oder jung, krank oder gesund sind.

Im Rahmen ihrer Bonusprogramme belohnen die Kassen Versicherte, die Sport treiben (und das auch nachweisen), Kurse zu gesunder Ernährung oder Entspannung belegen oder Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt wahrnehmen. Die Versicherten können wählen zwischen Geld, Sachprämien (beliebt: Fitnesstracker) oder – bei einigen Kassen – gesundheitsbezogenen Angeboten (Beispiel: professionelle Zahnreinigung). 

Die AOK Nordost bezuschusst Wearables

Die größte Kasse der Region, die AOK Nordost, hat mehrere Angebote im Programm. Im Rahmen ihres AOK-Gesundheitskontos zahlt die AOK etwa Zuschüsse zu Babyschwimm- und Schwangerenkursen, Zahnschutzschienen oder homöopathischen Arzneimitteln im Wert von bis zu 270 Euro jährlich. E-Health-Angebote und Wearables werden alle zwei Jahre mit bis zu 50 Euro bezuschusst. Seit Januar dieses Jahres gibt es ein zweites, höher dotiertes, aber rein digitales Prämienprogramm („FitMit AOK“) für Technikaffine. Belohnt werden auch hier sportliche und soziale Aktivitäten und die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen. Nachweise werden bei diesem Programm elektronisch erbracht, über Sport-Apps, QR-Codes, Handyfotos oder Wearables. Dennoch weist die AOK Vergleichbarkeiten mit dem Vitality-Programm weit von sich. „Fitnessdaten oder sensible Gesundheitsdaten werden gar nicht erst erhoben“, sagte AOK-Sprecherin Gabriele Rähse dem Tagesspiegel. „Daher sind auch keine Rückschlüsse auf den individuellen Gesundheitszustand möglich“.

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