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Gigantisch sind die Bagger im nordrhein-westfälischen Tagebau Garzweiler, wo RWE Braunkohle fördert. Gigantisch sind inzwischen auch die Verluste, die die Konzerne mit konventionellen Energieträgern einfahren.

© Foto :Federico Gambarini/dpa

Energiewende: Warum der April eine Zäsur in der Kohlewirtschaft bedeutet

RWE baut um und Vattenfall will raus aus der Braunkohle: Die Energiewende mit dem subventionierten Ökostrom zerstört die Geschäftsmodelle der Konzerne.

Der April 2016 wird als ein besonderer Monat in die Geschichte der deutschen Energiewirtschaft eingehen. Besser gesagt: Der deutschen Kohlewirtschaft. Die größten Verbraucher von Braun- und Steinkohle hierzulande, RWE und Vattenfall, erleben in diesen Wochen eine Zäsur.

Bei RWE, nach Eon der zweitgrößte deutsche Energieversorger, ging zum 1. April die neue Tochtergesellschaft für erneuerbare Energien, Netze und den Vertrieb an den Start. „RWE startet Zukunftsgeschäft“, proklamiert der Essener Konzern die Entscheidung, mit der das Management aus der Krise zu kommen glaubt. Und bei der in Berlin ansässigen Vattenfall GmbH, einer Tochter des gleichnamigen schwedischen Staatskonzerns, befassen sich Mitte April die zuständige Gremien mit dem Verkauf des Braunkohlegeschäfts in der Lausitz, wo in und um die Tagebaue und Kraftwerke rund 8000 Personen ihren Lebensunterhalt mit der Braunkohle verdienen.

In der DDR gab es 38 Tagebaue

Über Jahrzehnte war die Kohle ein lukratives Geschäft: Die Förderkosten im Tagebau sind gering, und da die Kraftwerke in unmittelbarer Nähe gebaut wurden, hält sich auch der Transportaufwand in Grenzen. Und Braunkohle gab (und gibt) es reichlich im rheinischen Revier, in der Lausitz und in Mitteldeutschland. In der DDR waren 38 Tagebaue in Betrieb, davon 17 in der Lausitz; heute gibt es noch eine Handvoll.

Die Braunkohle ist der einzige fossile Brennstoff, der sich im nennenswerten Umfang im deutschen Boden befindet. Aber er hat einen großen Nachteil: Die relativ feuchte Braunkohle bläst bei der Verbrennung deutlich mehr CO2 als Steinkohle oder gar Gas in die Luft. Das hat dem Geschäft der Konzerne in den vergangenen Jahren nicht sonderlich geschadet, weil der Preis der CO2-Emissionszertifikate abgestürzt war. Doch inzwischen, mit dem wachsenden Anteil von Strom aus Wind und Sonne, ist der Börsenpreis im Keller, sodass auch die Braunkohlekraftwerke unwirtschaftlich sind. Die nach Fukushima von der Regierung ausgerufene Energiewende hat den Konzernen das auf konventionellen Energieträgern basierende Geschäftsmodell zerstört.

Eon und RWE geben sich neue Strukturen

Marktführer Eon hat sich deshalb in zwei Unternehmen geteilt: In der neuen Firma namens Uniper sind die konventionellen Stromerzeugungsanlagen zusammengefasst. Bei Eon bleiben die Erneuerbaren, das Netzgeschäft und der Vertrieb. Der Anteil der Erneuerbaren im Konzern lag zuletzt bei 14 Prozent. Bei RWE sind es nur knapp fünf Prozent, hier kommt die Kohle auf rund 60 Prozent.

Am „grünsten“ ist die Nummer vier auf dem deutschen Markt, die baden-württembergische EnBW, mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand, deren Strom inzwischen zu rund einem Viertel aus erneuerbaren Quellen stammt. Vattenfall (Schwedisch für Wasserfall) hat hierzulande die Pannen-AKW Krümmel und Brunsbüttel betrieben (die längst vom Netz sind) und sich mit der Übernahme der Braunkohleunternehmen Veag und Laubag vor 15 Jahren ein stabiles und lukratives deutsches Standbein geschaffen. So dachten die Konzernchefs in Stockholm damals.

Vattenfall will schnell raus aus der Kohle

Doch auch in Schweden hat sich der Wind gedreht, Kohle ist dort so beliebt wie in Deutschland die Atomkraft. Die Politik hat deshalb beschlossen, dass die Braunkohle verkauft werden muss, damit die von Vattenfall verursachten CO2- Emissionen deutlich sinken. Zwei tschechische Konzerne sind interessiert und der deutsche Kraftwerksbetreiber Steag. Deutschlandchef Tuomo Hatakka hat einen klaren Auftrag aus Stockholm: So schnell wie möglich raus aus der Kohle, am besten noch im April.

Ob Hatakka oder Peter Terium an der RWE-Spitze – der Absturz der Börsenstrompreise auf nur noch gut 20 Euro je Megawattstunde belastet sie alle. Gut 30 Euro wären nötig, um ein Braunkohlekraftwerk profitabel zu betreiben. Der niedrige Preis erklärt sich mit den enormen Kapazitäten zur Stromerzeugung, die inzwischen in Deutschland aufgebaut wurden: Rund 160.000 Megawatt, die sich ungefähr gleichmäßig auf konventionelle und erneuerbare Energieträger verteilen. Das ist ungefähr doppelt so viel wie gebraucht wird. Und die Kapazitäten der Erneuerbaren werden weiter kräftig ausgebaut.

Die Mengen drücken in den Markt und sie drücken den Strompreis nach unten – zum Schaden der Betreiber konventioneller Kraftwerke. Für den Ökostrom dagegen gibt es noch immer weitgehend festgelegte Vergütungssätze. Im vergangenen Jahr war erneuerbarer Strom an der Börse ungefähr fünf Milliarden Euro wert. Die Erzeuger dieses Stroms bekamen aber nicht nur fünf Milliarden Euro, sondern 24 Milliarden Euro über die EEG-Umlage, die von (fast) allen Stromverbrauchern getragen wird. Im Ergebnis wird zunehmend der nicht subventionierte Strom vom subventionierten Strom aus dem Markt gedrängt. Und damit auch ein Konzern wie RWE.

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