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Microsoft-Deutschland-Chef Illek.

© Mike Wolff

Microsoft-Deutschlandchef im Interview: "Wir geben keine Daten an US-Geheimdienste"

Christian Illek, Chef von Microsoft Deutschland, spricht im Tagesspiegel-Interview über den Schutz deutscher Kunden, eine Cloud für den Mittelstand und die Integration von Nokia.

Herr Illek, Sie haben offenbar großes Vertrauen in Ihre Leute. Gerade haben Sie mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung getroffen, dass die Mitarbeiter arbeiten dürfen, wann und wo sie wollen. Funktioniert das wirklich?

Das funktioniert gut, weil wir eine hohe Loyalität und Zufriedenheit bei unseren Mitarbeitern haben. Außerdem möchte ich, dass meine Mitarbeiter nah an den Kunden sind und nicht nah am Büro. Deshalb entscheiden die Mitarbeiter selbst, ob sie im Büro arbeiten, von zu Hause aus oder beim Kunden. Dort spielt ja die Musik. Deswegen bin ich sehr zufrieden mit der Vereinbarung.

Es geht also vor allem um den Vertrieb?

Vor allem sind es unsere Berater. Aber grundsätzlich ist es jedem Mitarbeiter freigestellt. Nur wenn Sie mit kritischen Daten arbeiten, ist es sinnvoller, dies im Büro zu tun.

Microsoft speichert wichtige Daten also nicht in der Cloud, auf die man über das Internet zugreifen kann?

Es gibt kritische Daten, die nicht in der Cloud hinterlegt werden. Das sind insbesondere Sicherheitssysteme. Für Mitarbeiter, die damit arbeiten, gilt tatsächlich eine Ausnahme. Aber da die Daten in unserer Cloud verschlüsselt sind, sind die allermeisten Daten dort hinterlegt. Wir glauben an die Sicherheit der Cloud.

Seit den Enthüllungen des Edward Snowden zweifeln immer mehr Leute an der Sicherheit.

Natürlich sind die Snowden-Enthüllungen in der Cloud-Diskussion nicht hilfreich. Mit Großkunden können wir immerhin offen über das Thema diskutieren. Da gibt es einen regen Austausch zum Beispiel mit den Datenschutzbeauftragten und den Rechtsabteilungen. Im Mittelstand ist das anders. Dort werden Cloud-Produkte vielfach als unsicher angesehen, auch wenn es nicht stimmt.

Microsoft geht inzwischen erheblich offensiver mit der Datensammelwut der Nachrichtendienste um. In den USA hat das Unternehmen gerade die Herausgabe von europäischen E-Mails verweigert.

Microsoft wehrt sich seit der Veröffentlichung der Snowden-Dokumente dagegen. Wir haben uns in den USA, aber auch außerhalb, klar dazu geäußert. Wir haben zunächst die US-Regierung verklagt, um transparent sein zu können, welche Daten man von uns abfordert.. Was die Herausgabe von Daten von Rechenzentren außerhalb der USA angeht, sind wir sicher, das Recht auf unserer Seite zu haben. Zur Not werden wir bis vor das oberste Gericht ziehen.

Was tun Sie, wenn US-Geheimdienste E-Mails deutscher Kunden sehen wollen?

Wir stellen Daten, die auf ausländischen Servern liegen, amerikanischen Behörden nicht zur Verfügung. Wir sind der Auffassung, dass die Daten über ein Rechtshilfeersuchen im jeweiligen Staat angefordert werden müssen. Erst wenn ein Richter seine Erlaubnis erteilt hat, geben wir sie raus.

Gilt das auch für andere Daten außer E-Mails?

Im Kern geht es um die Frage, wer in welcher Weise auf uns zugehen darf, um überhaupt irgendwelche Daten zu verlangen - ganz egal ob das nun Verbindungsdaten, Nutzernamen oder Inhalte sind. In Deutschland und Europa haben wir noch in keinem Fall irgendwelche Daten von Geschäfts-Kunden herausgegeben. Zudem informieren wir unsere Kunden immer, wenn solche Anfragen an uns gerichtet werden. Wir sind nur die Verwalter der Daten, nicht deren Besitzer.

"Wir prüfen eine deutsche Cloud für den Mittelstand"

Bevor er zu Microsoft kam, arbeitete Illek unter anderem für Dell und die Telekom.
Bevor er zu Microsoft kam, arbeitete Illek unter anderem für Dell und die Telekom.

© Mike Wolff

Die Telekom und andere Anbieter haben die "E-Mail made in Germany" entwickelt, bei der die Daten immer verschlüsselt sind. Wollen Sie sich an dem Konzept beteiligen?

Wichtig ist, dass die Verschlüsselung der einzelnen Mailsysteme kompatibel ist. Wenn ich von T-Online zu Hotmail oder Outlook eine verschlüsselte Mail schicken will, muss das möglich sein. Wir sind daher in Gesprächen mit diesen Anbietern.

Und was halten Sie von der Idee einer deutschen Cloud?

Dieses Konzept greift zu kurz. Wir brauchen zuerst einmal eine europäische Datenschutzverordnung, die von 28 EU-Ländern umgesetzt wird. Derzeit sind wir permanent mit lokalen Gegebenheiten beschäftigt, die untereinander nicht kompatibel sind. Bei unseren Großkunden erfreuen sich die klassischen Microsoft-Produkte, die in unseren Rechenzentren in Irland oder den Niederlanden betrieben werden, immer größeren Zuspruchs. Aber für den deutschen Mittelstand ist das offensichtlich noch nicht gut genug. Da scheint es einen Markt für Clouddienste zu geben, die aus einem deutschen Rechenzentrum heraus angeboten werden und die dann deutschem oder europäischem, aber eben nicht amerikanischem Recht unterliegen. Da ist in Deutschland die Tonalität eine andere als in Großbritannien oder den USA.

Werden Sie dem Wunsch entsprechen und eine deutsche Cloud für den Mittelstand anbieten?

Das haben wir noch nicht abschließend geklärt, aber wir prüfen das derzeit. Der einfachste Weg wäre eine Lösung, bei der die Daten bei einem Partner gehostet werden. Die Datenverwaltung und das Management würde also bei einem deutschen Partner liegen. Ob und wann es dazu kommen wird, kann ich aber nicht sagen.

Die Daten wären dann vor dem Zugriff der US-Behörden geschützt, weil der deutsche Partner sie verwaltet?

Ganz genau.

Sprechen Sie da auch mit der Telekom?

Wir sprechen mit verschiedenen Anbietern.

Seit Februar ist Satya Nadella Chef von Microsoft, wie haben Sie ihn erlebt?

Satya Nadella ist ein sehr zurückhaltender Mensch, der extrem gut zuhört. Aber er ist dennoch sehr entscheidungsstark. Es ist das erste Mal, dass Microsoft eine so tiefgreifende Restrukturierung angekündigt hat, ohne einen externen Impuls wie etwa die Finanzkrise einer war.

Was macht Nadella anders?

Er hat eine ganze Reihe von Veränderungen eingeführt. Früher war der Kern von Microsoft das Betriebssystem. Damit haben wir unser Geld verdient. Heute geben wir das Betriebssystem bei Smartphones und Tablets kostenfrei an die Hersteller ab. Wir kannibalisieren ganz bewusst unseren Profitpool, um Marktanteile zu gewinnen und mit anderen Plattformen konkurrieren zu können. Außerdem heben wir die Verknüpfung von Diensten und dem Betriebssystem auf. Auch Apple-Kunden oder Android-Nutzer sollen unsere Produkte bequem verwenden können. Das ist ein Paradigmenwechsel.

"Unsere letzte große Aktion mit Aldi ist sehr erfolgreich gelaufen"

Der 50-Jährige lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Köln.
Der 50-Jährige lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Köln.

© Mike Wolff

Sie bieten die Bürosoftware Office jetzt im Jahresabo an, wird das auch beim neuen Windows-Betriebssystem so sein?

Das werden wir Ihnen bald verraten.

Am 30. September?

Das ist ein möglicher Termin. Es wird eine neue Plattform geben, aber zum Datum und zur Ausgestaltung kann ich Ihnen noch nichts sagen.

Nadella hat den Abbau von 18 000 Arbeitsplätzen angekündigt, wobei vor allem ehemalige Nokia-Mitarbeiter betroffen sind. Wie wirkt sich das auf die Stimmung im Unternehmen aus?

Ich spreche nur für Deutschland, wo wir 2700 Mitarbeiter beschäftigen. Wir werden eine zweistellige Zahl von Arbeitsplätzen abbauen. Wir erwarten also keinen nachhaltig negativen Effekt.

Wie läuft die Integration von Nokia?

Beide Unternehmen sind sehr komplementär. Nokia ist im Kern ein Hardware-, Microsoft ein Software-Unternehmen. Wir können viel voneinander lernen und es lässt sich gut an. In Deutschland erhöhen wir unseren Marktanteil bei Handys konstant. Aber wir sind noch nicht bei den zehn Prozent, die wir anstreben. Also bin ich auch noch nicht zufrieden.

Wie wollen Sie die Marktführer Samsung und Apple angreifen?

Ich bin da ganz demütig. Die anderen machen gute Geräte und haben gute Marktanteile. Wir machen einen Schritt nach dem nächsten. Erstens nutzen wir unser starkes Firmenkundengeschäft bei PCs und Notebooks und unsere integrierte Software, um mehr Geschäftskunden für unsere Smartphones zu gewinnen. Und zweitens versuchen wir, abseits der Netzbetreiber neue Vertriebspartner zu gewinnen. Unsere letzte große Aktion mit Aldi ist sehr erfolgreich gelaufen.

Fühlen Sie sich bei Aldi wohl?

Wenn Sie Marktanteile gewinnen wollen, müssen Sie dahin gehen, wo das Wachstum ist. Das findet im Moment bei Geräten im unteren bis mittleren Preissegment statt, also bei 100 bis 180 Euro. Da greifen wir als erstes an.

Bei Tablets sieht das offensichtlich anders aus, das neue Surface Pro 3 ist als High-End-Produkt angelegt. Wie lief der Verkauf am ersten Wochenende?

In Deutschland sehr erfolgreich: Wir haben alles verkauft, was wir hatten. Mit unserem eigenen Windows-Tablet wollen wir das Premium-Segment besetzen. Das Portfolio wird aber mit Geräten von Partnern erweitert, und zwar in allen Preisbereichen von 100 Euro aufwärts.

Ihre Partner waren nicht erfreut, dass Microsoft nun selbst Tablets herstellt.

Es geht darum, den Kuchen zu vergrößern: weg von den alten Notebooks und Desktop-Computern, hin zur nächsten Generation von High-End-Geräten. Aber natürlich stehen wir mit dem Surface auch im direkten Wettbewerb zu unseren Hardware-Partnern. Am Ende entscheidet der Kunde, was er haben möchte.

Welchen Marktanteil streben Sie bei Tablets an?

Auch hier heißt die Marke zunächst einmal zehn Prozent. Danach muss man sich das nächste Ziel setzen.

Planen Sie weitere Verkaufsaktionen bei Aldi?

Ja, der Vertriebskanal funktioniert extrem gut.

"Was wir in Berlin ausprobieren, ist einzigartig"

Microsoft Deutschland ist nach Japan die größte Auslandstochter des Softwarekonzerns.
Microsoft Deutschland ist nach Japan die größte Auslandstochter des Softwarekonzerns.

© Mike Wolff

Als Sie noch bei der Telekom waren, hatten Sie ein iPhone. Wie kommen Sie nun mit den Windows Phones klar?

Die Umstellung war einfach. Der große Vorteil beim Windows Phone ist die Integration unserer Services über alle Gerätetypen hinweg. Ich muss also nicht umdenken.

Bei Microsoft beginnt das neue Geschäftsjahr im Juli. Wie gut ist es in Deutschland angelaufen?

Microsoft wächst pro Jahr um zehn Prozent und damit deutlich stärker als die klassischen Wettbewerber wie IBM, Cisco oder Oracle. Beim Übergang vom alten zum neuen Geschäftsjahr kann ich keinerlei Brüche erkennen.

70 Prozent der 30 Dax-Unternehmen nutzt bereits Cloud-Dienste von Microsoft. Apple will Ihnen solche lukrativen Geschäftskunden abspenstig machen und hat dazu eine Partnerschaft mit IBM geschlossen. Wir reagieren Sie darauf?

Solche Kooperationen leben davon, wie gut die Partner zusammenarbeiten. Wir werden uns das genau anschauen.

Was steht im neuen Geschäftsjahr auf Ihrer To-do-Liste ganz oben?

Das sind die Cloud-basierten Dienste Office 365 und unsere Plattform Azure, die wir in allen Ausprägungen hoffähig machen wollen.

In Berlin sind Sie mit dem Microsoft-Center Unter den Linden erstklassig platziert. Aber dort werden zwar Cappuccino und Cookies aber keine Microsoft-Produkte verkauft. Geht das Konzept auf?

Was wir in Berlin ausprobieren, ist einzigartig. Es war immer klar, dass dies kein Shop wird, sondern ein Erlebnis-Center, in dem die Leute unsere Technik ausprobieren können. Das Café ist sehr zufrieden mit dem Zulauf, obwohl vor der Tür immer noch eine Riesenbaustelle ist. Für Veranstaltungen ist das Center zudem bereits voll ausgebucht. Und wenn sich ein Großkunde über Start-ups informieren will, müssen wir mit ihm nicht erst ins Silicon Valley fahren, sondern einfach nur zu uns unters Dach. Es rentiert sich also schon. Die Skeptiker bei Microsoft sind jedenfalls völlig verstummt.

Stört es Sie nicht, dass im Café lauter Menschen mit Apple-Computern sitzen?

Nein, das ist gewollt. Wir haben sogar Ladekabel für das iPhone. Und während es lädt, können Sie in Ruhe unsere Produkte ausprobieren.

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