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Näher ans Meer wollen Stadtplaner Israels Wirtschaftsmetropole Tel Aviv bringen. Derzeit werden dort Stadtquartiere umgebaut.

© Diego Cupolo/imago

70 Jahre Staat Israel: Wirtschaftsboom ohne Rohstoffe

Siebzig Jahre nach der Gründung hat Israel eine sehr robuste Wirtschaft. Im Bau-Sektor und bei der Biotechnologie läuft es besonders gut.

An der Route 90 vor dem Badeort En Bokek am Südwestende des Toten Meeres, etwa 90 Autominuten von Jerusalem entfernt, vermessen, planieren und betonieren Arbeiter Straßen und Fußgängerwege. Es herrscht Hochbetrieb. Und zwar nicht nur hier. Überall im Land wird gebaut. Israel wächst. 70 Jahre nach der Staatsgründung und unbeeindruckt von dem aktuellen Konflikt mit Syrien und dem Iran prosperiert die Wirtschaft des jüdischen Staates.

Das Land besitzt keine natürlichen Ressourcen

Die Ausgangssituation war die wohl schwierigste in der Geschichte einer Wirtschaft überhaupt: Am Nachmittag des 14. Mai 1948 ruft der Politiker Ben Gurion im Stadtmuseum von Tel Aviv den Staat Israel aus, nur ein paar Stunden später wird das Land von Ägypten, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien angegriffen. Israel befindet sich direkt nach seiner „Geburt“ im Krieg. Das Land, das keine natürlichen Ressourcen besitzt, weder Erdöl noch Erdgas, Eisen, Gold, Kohle, Holz oder Wasser, muss seine finanziellen Mittel statt in den Aufbau seiner Wirtschaft in seine Verteidigung stecken. Erst nach und nach entwickeln sich Landwirtschaft – Israels Agrarexperten haben Methoden zur Ertragsteigerung in wasserarmen Gegenden entwickelt, die weltweit genutzt werden – Handwerk, Handel und Tourismus. Mit großem Erfolg.

Heute ist Israel wirtschaftlich stark. Das Land ist seit Beginn dieses Jahrhunderts kräftiger als jede andere Industrienation gewachsen, hat eine Staatsverschuldung von nicht einmal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die unter dem Niveau beispielsweise von Deutschland und den USA liegt. Die Inflation beträgt lediglich 0,4 Prozent, die Arbeitslosigkeit vier Prozent. Der Schekel ist stärker als der Euro und der Dollar. Das Pro-Kopf-Einkommen übersteigt mit 38 000 Dollar bereits das von Italien, demnächst dürfte es das von Großbritannien, Frankreich und Japan erreichen. Für 2018 erwartet die Bank von Israel ein Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent (2017: 3,1 Prozent) und wie im Vorjahr ein Exportvolumen von über 100 Milliarden Dollar.

Größter Handelspartner sind die USA

Größter Handelspartner Israels sind die USA. Der deutsche Anteil an der israelischen Wareneinfuhr liegt bei rund sieben Prozent. Die größten Posten im 4,5-Milliarden-Euro-Handel waren im letzten Jahr Maschinen sowie Kraftwagen und -teile, umgekehrt kamen aus Israel nach Deutschland Waren für rund zwei Milliarden Euro, insbesondere chemische Erzeugnisse sowie IT-, Elektro- und optische Erzeugnisse. Für dieses Jahr erwartet die israelische Zentralbank eine Steigerung der Importe um rund acht Prozent, aber auch deutlich mehr Ausfuhren. Als wirtschaftliche Impulsgeber sehen die Volkswirte der Bank die Erschließung von Erdgasvorkommen im Mittelmeer und den Wohnungsbau.

Neben 1100 neuen Objekten im Westjordanland, deren Bau die Regierung trotz weltweiter Kritik gerade beschlossen hat, entstehen vor allem in den beiden Metropolen Jerusalem und Tel Aviv an fast jeder Ecke neue Gebäude, ältere werden renoviert. „Wir haben einen enormen Sanierungsstau“, sagt Assaf Cohen, Vorarbeiter eines Appartementprojekts an der Geula Street in Tel Aviv. 100 Meter weiter beginnt die zweieinhalb Meter lange Promenade der Touristenmetropole, die seit zwei Jahren aufwendig umgebaut wird. Das 150-Millionen-Schekel-Projekt (36 Millionen Euro) soll die Stadt noch näher an den Strand bringen. Architektin Mayslits Kassif sagt: „Früher gab es Wände, Rampen und Treppen, die die beiden Bereiche voneinander trennten, jetzt ist alles offen.“

Die Tech-Szene boomt

Zu den besonders innovativen Branchen der israelische Wirtschaft gehört die Tech-Szene: 5400 Firmen kommen in Isreal auf 8,4 Millionen Einwohner. Viele von ihnen kooperieren mit Start-ups in Berlin und Hamburg. Aber auch in der Life-Science-Branche tut sich viel. Israels Medizin- und Biotechnologiebetriebe spielen weltweit eine führende Rolle. Beeindruckend ist das rasante Wachstum dieses Bereichs: Während es 1995 nur etwa 180 Firmen in diesem Feld gab, sind es heute schon mehr als 1000. Und jedes Jahr kommen rund 80 Start-ups neu dazu. Mehr als die Hälfte der israelischen Life-Science-Unternehmen arbeitet im Bereich der Medizintechnik. Hier liegt der Fokus auf therapeutischen Hilfsmitteln, etwa Technologien zur Gefäßstützung (Stents) sowie diagnostische und bildgebende Verfahren.

Die Basis stellen die zahlreichen Forschungs- und Entwicklungszentren großer internationaler Konzerne, etwa Philips und General Electric Healthcare, und heimische Unternehmen wie Given Imaging oder Medinol dar. Given Imaging ist Weltmarktführer im Bereich Kapselendoskopie und hat mit der sogenannten PillCam, einer schluckbaren Miniaturkamera in Pillenform, endoskopische Untersuchungen patientenfreundlicher und kostengünstiger gemacht. Die hohe Innovationskraft des kleinen Landes spiegelt sich in der Zahl der Patente wider: Weltweit hält Israel pro Kopf die meisten geprüften Schutzrechte für den Bereich Medizintechnik.

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