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Chikwe Ihekweazu leitete vor dem WHO "Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence" in Berlin die nigerianische Gesundheitsbehörde für Seuchenbekämpfung.

© imago images/Eventpress

Schleichender Ausbruch in Nigeria: Affenpocken-Verbreitung hat sich angekündigt

Das Affenpockenvirus wird derzeit vielerorts außerhalb Afrikas nachgewiesen. Wie es sich verbreitet, hätte schon dort besser untersucht werden können.

Mit welcher weiteren Ausbreitungsdynamik bei den Affenpocken ist zu rechnen? Wie wirksam werden Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Infektion sein? Nach Einschätzung deutscher Fachleute sind diese und auch andere Fragen derzeit noch nicht zu beantworten.  Es fehle an Daten.

Wäre ein seit Jahren - und damit ungewöhnlich lang - andauernder Ausbruch in Nigeria näher untersucht worden, könnte es diese Daten zumindest zum Teil längst geben. Das sagte Chikwe Ihekweazu, der frühere Generaldirektor des nigerianischen Zentrums für Seuchenkontrolle, dem Nachrichtenportal „Stat News“. Sein Land habe mit begrenztem Erfolg um internationale Unterstützung dazu gebeten. Ihekweazu leitet heute das Seuchenfrühwarnzentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Berlin.

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Nachdem in Nigeria jahrzehntelang keine Fälle aufgetreten waren, kam es ab 2017 zu einem Ausbruch. Dieser hält bis heute an. Bereits mehrfach sei das Virus von Nigeria in andere Länder eingeschleppt worden, als infizierte Personen in die USA, das Vereinigte Königreich, nach Israel und Singapur reisten.

Derzeit werden immer mehr Fälle, unter anderem in 14 europäischen Ländern, Australien, den Vereinigten Staaten, Kanada, Israel gemeldet. In Deutschland sind zwölf Fälle und ein Verdachtsfall bekannt. Laut Einschätzung des Robert Koch-Instituts ist das Besondere an diesen Fällen, dass die Betroffenen nicht zuvor in afrikanische Länder gereist waren, in denen das Virus auftritt. Möglicherweise hat das Virus also Eigenschaften hinzugewonnen, die eine Übertragung von Mensch zu Mensch wahrscheinlicher machen.

Dennoch, die stärkere Unterstützung der Infektionsbekämpfung in Nigeria hätte deutschen Behörden mehr Daten liefern können, die jetzt bei der Einschätzung des Infektionsgeschehens und seiner Eindämmung hilfreich wären. Dazu gehören eine genauere Bemessung der Sterblichkeit, der Schutzwirkung von Pockenimpfungen und des Reproduktionswerts „R“ in einer weitgehend nicht immunisierten Bevölkerung.

„Keine bahnbrechenden Veränderungen des Genoms“

Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig geht jedoch von einer anderen Dynamik des Infektionsgeschehens außerhalb von Afrika aus. In Nigeria seien Erkrankte häufig mit Tieren in Kontakt gekommen, die das Virus übertragen können. Mensch-zu-Mensch-Übertragungen seien dort vereinzelt und gehäuft nur in einem Gefängnis beobachtet worden.

„Die Sterblichkeit war bei dem Ausbruch in Afrika auch deutlich höher“, sagte Krause dem Science Media Center Deutschland. Er vermutet, dass sie bei den aktuellen Fällen außerhalb Afrikas deutlich niedriger bleiben wird, da die Erkrankten besser medizinisch versorgt werden.

„Von den Ausbrüchen in Afrika sind zahlreiche Proben bei uns untersucht worden“, sagt Roman Wölfel, Oberstarzt und Leiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München. Es sei jedoch schwierig Rückschlüsse auf die Bedeutung genetischer Veränderungen zu ziehen, wenn nur die Situation in Afrika zum Vergleich diene.

Das Genom der Affenpockenviren besteht aus DNA und gilt damit als stabiler als das Genom von RNA-Viren. „Die Variantenbildung, die wir beim Coronavirus Sars-Cov-2 sehen, sehen wir bei Pockenviren und dem Affenpockenvirus eher nicht“, sagt Wölfel.

Die Untersuchung des Genoms des Virus, mit dem der erste Patient in Deutschland infiziert ist - und mittlerweile auch der weiteren Erkrankten - ist noch nicht abgeschlossen.

Punktuelle Veränderungen der Erbinformation seien seltener, könnten die Eigenschaften des Virus aber durchaus verändern, etwa wenn dadurch Gene blockiert oder Blockaden aufgehoben würden. „Wir haben bislang aber auch in den Untersuchungen in den anderen Ländern keine bahnbrechenden Veränderungen des Genoms gesehen“, sagt Wölfel.

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