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Resistent gegen das Altern: Bechsteinfledermäuse werden Jahrzehnte alt.

© picture alliance / dpa / Florian Gloza-Rausch

Altersforschung: Fledermäuse altern kaum

Fledermäuse können über vierzig Jahre alt werden und bleiben dabei kerngesund. Trotzdem kann ihnen diese Fähigkeit zum Verhängnis werden.

„Gäbe es Lebensversicherungen für Fledermäuse, müssten ältere Tiere dort keinen Zuschlag zahlen“, scherzt Gerald Kerth von der Universität Greifswald. Denn während bei Menschen das Sterberisiko aufgrund von altersbedingten Krankheiten ab dem 50. Geburtstag merklich ansteigt – und damit auch die Versicherungskosten –, ist das bei betagten Fledermäusen nicht so: Die Tiere altern kaum, schreibt Kerths Forschungsteam, darunter auch Forscher vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock, in der Zeitschrift „Scientific Reports“.

Geringes Sterberisiko

Bei den meisten Tierarten ist das Sterberisiko in der ersten Lebensspanne kurz nach der Geburt recht hoch, um danach längere Zeit auf sehr niedrigem Niveau zu verharren, bevor es später wieder deutlich ansteigt. Auch beim Menschen. „Obwohl einzelne Menschen mehr als 120 Jahre leben, fordern verschiedene Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs etwa ab dem 50. Lebensjahr ihren Tribut“, sagt Kerth. Die vier Kolonien von Bechsteinfledermäusen, die in den Wäldern um Würzburg leben, scheinen aber eine Ausnahme von dieser Regel zu sein. Kerth und Kollegen beobachten dort das Leben von 248 weiblichen Bechsteinfledermäusen seit 1996 und können auch bei älteren Tieren keine erhöhte Sterblichkeit messen.

Ohnehin ist es erstaunlich, dass Fledermäuse überhaupt Jahrzehnte alt werden können. Normalerweise hängt die Lebenserwartung von Säugetieren mit ihrer Größe zusammen. So wird eine etwa 20 Gramm schwere Hausmaus im Normalfall gerade einmal zwei oder drei Jahre alt. Ein fünf Tonnen wiegender Elefant erreicht dagegen ein Alter von 70 Jahren. Auch Menschenaffen oder etwa Orcas sind vergleichsweise groß und daher langlebiger als kleine Säuger. Große Arten wiederum bekommen relativ selten Nachwuchs. Oft liegen ein paar Jahre zwischen zwei Geburten und Mehrlinge sind die Ausnahme. Kleinere Arten wie Hausmäuse haben in ihrem kurzen Leben in der Regel weit mehr Nachkommen.

Fledermäuse sind die Ausnahme von der Regel

Fledermäuse hingegen passen nicht in dieses Schema. Bechsteinfledermäuse beispielsweise wiegen nur zehn Gramm, haben aber nur ein Junges im Jahr. Und sie werden steinalt. Ein Tier hatte nachweislich 21 Jahre auf dem Buckel. Bei der ähnlich großen Brandt- oder Großen Bartfledermaus entdeckten Forscher in Sibirien sogar ein mindestens 42 Jahre altes Tier.

Das lange Leben verdanken die geflügelten Senioren offensichtlich ihrer besonders geringen Sterblichkeit. Der biologische Mechanismus, der das ermöglicht, könnte bei der Bechsteinfledermaus der Winterschlaf sein. Dabei fällt die Körpertemperatur auf zwei bis zehn Grad ab, der Organismus läuft auf Sparflamme. Und ein gedrosselter Stoffwechsel, der im Normalbetrieb auch schädliche Nebenwirkungen haben kann, schont die Biomoleküle in den Zellen. Da auch Fledermausarten, die in den Tropen leben und keinen Winterschlaf halten, sehr alt werden, muss es allerdings noch weitere Ursachen geben. „Eine könnte die im Flug höhere Körpertemperatur sein, bei der sich wichtige Erkrankungen wie zum Beispiel Virus-Infektionen leichter bekämpfen lassen“, vermutet Kerth. „Außerdem können sich Fledermäuse ihren Lebensstil mit hoher Lebenserwartung und relativ wenigen Nachkommen auch deshalb leisten, weil sie vergleichsweise wenige Fressfeinde haben.“

Fatale Geburtenrate

Außergewöhnliche Ereignisse können die Vorteile einer solchen Lebensweise aber rasch ins Gegenteil verkehren. So war der Winter 2010/2011 in weiten Teilen Mitteleuropas besonders hart, in Würzburg dauerte er für die Fledermäuse fast sieben Monate. Viele Tiere überlebten das nicht. „Davon hat sich die Population bis heute noch nicht völlig erholt“, sagt Kerth. Ursache ist die geringe Zahl an Nachkommen pro Jahr. Solche seltenen Katastrophen bringen daher Fledermaus-Gruppen leicht in Gefahr. Auslöser solcher Katastrophen für die Tiere aber ist heute häufig genug der Mensch, der Wälder rodet oder Felshöhlen verbaut, auf die Fledermäuse angewiesen sind.

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