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Alzheimer

© Getty Images/iStockphoto

Update

Alzheimer-Medikament nun doch zugelassen: Für bestimmte Patienten überwiegen die Vorteile von Lecanemab

Im Juli hatte die europäische Arzneimittelbehörde die umstrittene Alzheimerarznei noch abgelehnt: wegen zu hoher Risiken bei zu geringem Nutzen. Nun schwenkt sie um – mit einer Einschränkung.

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Nun folgt die europäische Arzneimittelbehörde doch der Einschätzung der US-Kollegen: Das Alzheimer-Medikament Lecanemab (Leqembi) wird der EU-Kommission zur Zulassung empfohlen, obwohl sich der zuständige Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) im Juli 2024 zunächst aufgrund bestimmter Nebenwirkungen der Arznei dagegen entschieden hatte. Nach Einspruch des Hersteller, der Pharmafirma Eisai, sei die Abwägung von Nutzen und Risiken nun jedoch positiv ausgefallen, teilte die Behörde am Donnerstagabend mit.

Innerhalb von 67 Tagen muss die EU-Kommission nun entscheiden, ob sie der Empfehlung der EMA folgt, was in der Regel nur eine Formalität ist.

Das Medikament kann Alzheimer zwar nicht heilen, den Verlauf jedoch verzögern.

Gabor Petzold, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, Bonn 

„Das ist eine interessante Entwicklung“, sagt der Neurologe Patrick Weydt von der Universitätsklinik Bonn. „Jetzt muss die Anwendung in der Praxis zeigen, ob das Medikament die Erwartungen erfüllen kann“.

„Viele Patienten haben auf dieses Medikament gewartet“, sagt Gabor Petzold, Direktor der Klinischen Forschung am benachbarten Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Die Entscheidung der EMA sei richtig. „Das Medikament kann Alzheimer zwar nicht heilen, den Verlauf jedoch verzögern.“ Das sei für die betroffenen Menschen ein Gewinn an Lebensqualität.

Lecanemab sei die erste kausal wirksame Therapie gegen Alzheimer, die nun in die Anwendung komme, so der Neurologe. „Das ist aus wissenschaftlicher Sicht ein Durchbruch und ein wichtiger Schritt, um diese schwerwiegende Erkrankung besser in den Griff zu bekommen.“

Zulassung nur für bestimmte Patienten

Allerdings soll Lecanemab nur für ganz bestimmte Patienten „zur Behandlung von leichten kognitiven Beeinträchtigungen, also Gedächtnis- und Denkstörungen, oder leichter Demenz infolge der Alzheimer-Krankheit“ zugelassen werden: Patienten, die nur eine oder keine Kopie des Gens „ApoE4“ im Erbgut tragen. Grund für diese Einschränkung ist, dass bei Patienten mit dieser genetischen Konstitution eine bestimmte „anerkannte, schwerwiegende Nebenwirkung“ von Lecanemab, typische Schwellungen und Blutungen im Gehirn, seltener auftritt als bei Patienten mit zwei ApoE4-Kopien.

Zwar könne die genannte Nebenwirkung bei allen Patienten mit Alzheimer-Krankheit auftreten, werde aber durch die Einnahme von Arzneimitteln wie Leqembi verschlimmert. Der Wirkstoff Lecanemab ist ein Antikörper, der bestimmte Protein-Ablagerungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten erkennt und angreift, das „Amyloid-beta“. In der Mitteilung heißt es, dass die EMA-Experten Daten bei der vom Unternehmen beantragten erneuten Prüfung zuvor ausgeschlossene Daten von Patienten berücksichtigten, die zwei Kopien des ApoE4-Gens trugen und daher das höchste Risiko für die Nebenwirkung aufwiesen.

Demnach zeigen Patienten mit nur einer oder keiner ApoE4-Kopie nur in 8,9 Prozent der Fälle die gefährliche Nebenwirkung nach Lecanemab-Behandlung, während es sonst 12,6 Prozent sind. Ohne die Therapie tritt sie bei Alzheimer-Patienten nur in 1,3 bis 6,8 Prozent der Fälle auf.

Experte Petzold kann die Entscheidung der EMA für eine solche eingeschränkte Zulassung nachvollziehen: „Dadurch lässt sich das Risiko von Nebenwirkungen verringern, wie die bisherige Erfahrung gezeigt hat.“

Offenbar flossen in die neue Entscheidung neu analysierte Daten über 1.521 Patienten mit einer oder keiner ApoE4-Kopie ein, die an der Hauptstudie mit fast 1800 Patienten teilgenommen hatten.

Zu viel dürfen sich Alzheimer-Patienten und ihre Angehörigen von Lecanemab allerdings nicht versprechen, sollte das Medikament nun doch bald auch in Deutschland zugänglich sein. Denn die Wirksamkeit nach 18 Monaten Studie beschränkte sich darauf, dass der kognitive Abbau in der Gruppe der mit Lecanemab behandelten Patienten etwas langsamer vonstatten ging als bei der Vergleichsgruppe, die nur Placebo bekommen hatte: 1,22 Punkte gegenüber 1,75 Punkten Verlust auf der Demenzmessskala, die von 0 bis 18 reicht, wobei höhere Punktzahlen eine stärkere Beeinträchtigung anzeigen.

Sicher ist schon jetzt, dass eine Verschreibung von Lecanemab künftig mit einem Gentest wird einhergehen müssen, was die ohnehin hohen Kosten für den Antikörper, rund 25.000 Euro pro Patient, zusätzlich nach oben treibt – eine Herausforderung für die Gesundheitssysteme angesichts der hohen und weiter steigenden Zahl von Alzheimer-Patienten.

Zumal die EMA auch ein MRT vor der Behandlung, sowie vor der fünften, siebten und 14ten Dosis des Medikaments vorschreibt, um das Risiko von Hirnblutungen im Zuge der Behandlung weiter zu minimieren.

Darüber hinaus wird Eisai verpflichtet, nach erfolgter Zulassung eine Sicherheitsstudie durchzuführen, und Daten über behandelte Patienten in einem Register sammeln.

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