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Der "wundervolle" Fundort der menschlichen Fossilien auf Sulawesi

© Leang Panninge research team

Die Frau aus der Fledermaushöhle: Denisova-Menschen hinterließen Spuren in Südostasien

Denisova-Menschen könnten schon vor ihren modernen Verwandten Inseln in Südostasien erreicht haben. Darauf deutet eine erstmalige Erbgut-Analyse.

Nach bisherigem Wissen lebten die frühen Denisova-Menschen in der eher kühlen Umgebung des Altai-Gebirges im heutigen Grenzgebiet zwischen Russland, Kasachstan, China und der Mongolei, sowie in den Hochlagen des heutigen Tibets. Vermutlich war diese Schwesterlinie der Neandertaler aber in mindestens zwei Gruppen aufgespalten, von denen eine im tropischen Klima der Inselwelt Südostasiens zuhause gewesen sein könnte.

Das sagt eine große Forschungsgruppe um Cosimo Posth vom Senckenberg Zentrum für Human-Evolution and Paläoökologie an der Universität Tübingen. In der Zeitschrift „Nature“ berichten sie über die Analyse von Erbgut einer Frau, die vor rund 7200 Jahren auf der indonesischen Insel Sulawesi begraben worden war.

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Hinweise auf Neuguinea, in Australien und auf den Inseln Ozeaniens

„Solche Überraschungen kommen häufig aus Regionen, in den bisher kein Erbgut von Steinzeitmenschen untersucht werden konnte“, erklärt Posth. Zu diesen weißen Flecken auf der Landkarte der Paläogenetiker gehören vor allem die tropischen Regionen wie zum Beispiel die Wallacea-Inseln zwischen Neuguinea und Borneo. Sie sind für Archäologen interessant, weil sie auch in Eiszeiten, in denen der Meeresspiegel 120 oder 130 Meter tiefer als heute lag, immer Inseln waren. Borneo, Sumatra, Java und weitere Inseln waren damals dagegen zum Subkontinent Sunda verschmolzen, während Australien und Neuguinea den Kontinent Sahul bildeten. Dazwischen lagen wie Trittsteine im Meer die Wallacea-Inseln. Welche Menschen nutzten sie?

Das Forschungsteam beantwortet diese Frage mit Hilfe eines Felsenbein genannten Knochens, der das Innenohr umgibt. Er ist extrem hart und scheint Erbgut besser als andere Knochen zu schützen. Die Überreste der wahrscheinlich etwa 18 Jahre alten Steinzeitfrau aus der Fledermaushöhle im Süden Sulawesis waren schon erheblich angegriffen. Es gelang jedoch, DNA aus dem Felsenbein zu isolieren.

Dieses erste Erbgut aus der Zeit vor mehr als 7000 Jahren von den Wallacea-Inseln lieferte jetzt den Hinweis auf den Lebensraum der Denisovaner. Die Menschenlinie hatte Johannes Krause von den Max-Planck-Instituten in Jena und Leipzig, Koautor der aktuellen Veröffentlichung, bereits Ende 2009 mit einer DNA-Analyse eines Fingerknöchelchens entdeckt, das in der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge gefunden worden war.

Die Schwestergruppe der Neandertaler wurde seither mit Erbgut- und Protein-Analysen in 50.000 bis 200.000 Jahre alten Knochen und Zähnen aus der Denisova-Höhle, aber auch in einem ähnlich alten Unterkiefer im Hochland von Tibet nachgewiesen. Da sich DNA-Spuren der Denisovaner auch im Erbgut der Menschen finden, die heute im Osten Asiens leben, sollte diese Menschenlinie einst dort gelebt haben und die Neandertaler weiter im Westen.

Denisovaner-Erbgutanteile von bis zu drei Prozent bei heute auf Neuguinea, in Australien und auf den Inseln Ozeaniens lebenden Ureinwohnern deuten zudem auf mindestens eine zweite Gruppe dieser Menschen, die weiter im Südosten gelebt haben könnte. Zwar gibt es dort keine Hinweise auf Menschen, die älter als 50.000 Jahre sind. Auf Sulawesi sind aber etwa 120.000 Jahre alte Steinwerkzeuge gefunden worden. Als deren Schöpfer kommen Denisovaner in Frage.

Der gefundene Schädel enthielt aufschlussreiches Erbgut.
Der gefundene Schädel enthielt aufschlussreiches Erbgut.

© University of Hasanuddin

Bislang wurden auf den Wallacea-Inseln keine Überreste der Steinzeit-Handwerker gefunden. Und auch das jetzt analysierte Erbgut scheint nicht für Denisovaner zu sprechen: „Die beerdigte Frau hatte mit etwa zwei Prozent einen etwas kleineren Denisovaner-Erbgut-Anteil als die Aborigines in Australien“, erklärt Posth. Ein großer Anteil ihres Erbguts stamme von einer bisher unbekannten Geisterpopulation, die sich vor weniger als 40 000 Jahren unter die damals auf Sulawesi lebenden Menschen mischte.

„Vielleicht hatten es die Denisovaner ja vor den modernen Menschen geschafft, mit Wasserfahrzeugen vom Subkontinent Sunda nach Sulawesi überzusetzen“, sagt Posth. Solche Überfahrten gelangen wahrscheinlich nur sehr selten. Die Denisovaner könnten auf den Wallacea-Inseln daher isoliert gelebt und sich zu einer eigenen Linie entwickelt haben. Moderne Menschen schafften die Überfahrt dann vor 45 000 Jahren oder wenig früher und bildeten mit den Alteingesessenen eine Population mit dem Anteil von drei Prozent Denisovaner-Erbgut.

Sie schafften dann den Sprung nach Sahul und damit nach Australien und Neuguinea. Auf den Wallacea-Inseln könnten weitere Neuankömmlinge den Denisova- Anteil im Erbgut verdünnt haben, vermutet Posth. Noch ist dies eine Theorie, die von weiteren Erbgut-Analysen von Steinzeitmenschen aus dieser Weltregion bestätigt werden könnte.

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