
© Sverresborg
Der Mann im Brunnen: Genanalysen bestätigen eine nordische Saga
Vor gut 800 Jahren sollen in Norwegen die „Bagler“ die „Birkebeiner“ besiegt haben. Moderne wissenschaftliche Methoden bestätigen nun den sagenhaften Überfall nahe Trondheim. Und sie geben gleich ein neues Rätsel auf.
Stand:
Manchmal enthalten die ganz alten Geschichten dann doch mehr als nur das sprichwörtliche Fünkchen Wahrheit. In Norwegen etwa ist es nun erstmals gelungen, eine konkrete Passage einer nordischen Saga mithilfe molekularbiologischer Methoden zu bestätigen.
Es geht um etwas, was in solch alten Schriften auch nicht eben selten vorkommt: einen vergifteten Brunnen.
Belagerer aus dem Süden sollen die damals noch fast neue Festung Sverresborg 1197 durch eine List eingenommen haben. So steht es in der „Sverris Saga“, auf Deutsch erstmals erschienen 1925 in einem Band namens „Norwegische Königsgeschichten“. Sie raubten demnach, was sie gebrauchen konnten, brannten dann alles nieder und ließen die Einheimischen die Festung schleifen. Leib und Leben ihrer Gegner sollen sie aber verschont haben.
Die Bagler […] brannten alle Häuser nieder, die es gab. Sie nahmen einen Toten und warfen ihn in den Brunnen. Dann füllten sie Steine darüber, bis er voll war.
Aus der „Sverris Saga“
Bevor die als „Bagler“ bekannten Sieger über die „Birkebeiner“ unter König Sverre abzogen, warfen sie laut Saga noch einen Toten in den Brunnen, die einzige Trinkwasserquelle der Festung nahe Trondheim. Dann füllten sie Steine darüber, „bis er voll war“. Leichengift ist ein ziemlich verlässliches Mittel, Wasser langfristig ungenießbar zu machen.
Dann gingen die Jahrhunderte über die Ruinen von Sverresborg hinweg.
100 Jahre zu alt für die Saga
1938 wurden dann bei Ausgrabungen Überreste eines Mannes in einem Brunnen gefunden. Ob der aber in die Geschichte passte, also etwa um jene Jahrhundertwende herum gelebt hatte, war nicht zu beweisen.
Bei neuen Grabungen in den vergangenen Jahren fand ein Team um Martin Ellegaard von der Uni Trondheim aber weitere Skelettreste, unter anderem einen Schädel.

© Sverresborg/Erik Børseth
Mit der sogenannten Radiokarbonmethode wurden die Knochen datiert. Sie schienen aber zunächst etwa 100 Jahre zu alt, um zu dem Überfall auf die Festung zu passen. Allerdings stellte sich nach einer Knochenanalyse heraus, dass der Mann sich zu etwa 20 Prozent von Meerestieren ernährt hatte. Weil diese Nahrungsquelle Radiokarbondaten beeinflusst, mussten die Forschenden das Alter des „Brunnenmannes“ korrigieren.
In Kombination mit Knochenuntersuchungen, mit denen man gut bestimmen kann, wie alt jemand in seinem Todesjahr war, passten die Daten letztlich sehr gut. Sie stammten von einem etwa 35-Jährigen, der Ende des 12. Jahrhundert starb.
Aus den Knochen gewannen die Forschenden auch Erbgut. Das zeigte überraschende Gensequenzen: Sie stammten eher von einem Südnorweger, passten also zu einem der Sieger, nicht zu einem Besiegten. Opferten die „Bagler“, die ja die „Birkebeiner“ laut der Saga verschonten, einen der eigenen Männer, um den Brunnen zu vergiften? Oder musste ein Verräter dran glauben? Oder war die Eroberung doch nicht so unblutig – und mit Verlusten für die Sieger verbunden?
Hierauf liefern der Brunnen und die neue Studie von Martin Ellegaard und seinen Kollegen keine Antworten. Auch die Gene können eben nicht alle Geschichten erzählen.
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