
© dpa/Fabian Strauch
Die mütterliche Extraportion Erbgut: Babys mit Genen von drei Menschen geboren
„Drei-Eltern-Babys“ werden sie genannt. Ihr Erbgut setzt sich aus den Genomen von Vater und Mutter und ein paar Genen einer Spenderin zusammen. Aber macht das diese gleich zu einer „Mutter“?

Stand:
Seit Anbeginn der Menschheit trägt nur das Elternpaar zum Erbgut eines Kindes bei: Vater und Mutter. Doch am Donnerstag wurde im „New England Journal of Medicine“ von acht Kindern berichtet, die zusätzlich 37 Gene einer weiteren Frau tragen – einer „zweiten Mutter“, wenn man so will.
Wirklich? Kinder mit zwei Müttern?
Die „Drei-Eltern-Babys“ wurden im Zuge eines seit vielen Jahren vorsichtig durchgeführten und mit der britischen Fortpflanzungsbehörde HFEA eng abgestimmten Versuchs geboren. Dabei sollen schwere, teils lebensbedrohliche Erbkrankheiten verhindert werden, die unter anderem mit Muskelschwäche, Hörverlust, Krampfanfällen, Epilepsie, Blindheit und schlaganfallähnlichen Episoden einhergehen können. Sie werden ausgelöst durch defekte „mitochondriale“ Gene.
Zellen enthalten nicht nur in ihrem Kern Gene, rund 20.000, sondern auch in den Zellkraftwerken, den Mitochondrien, wenn auch nur 37. Aber sind diese defekt, geraten Energieversorgung und Stoffwechsel durcheinander. Einer von 5000 Menschen erkrankt an derartigen mitochondrialen Syndromen.
Der Clou: Nur Mütter vererben mitochondriale Gene. Denn nur die Eizelle wird mit etwa 100.000 Mitochondrien vollgestopft, um die Entwicklung des Embryos zu garantieren. Die väterlichen bleiben außen vor.
Ob ein Kind an einer mitochondrialen Krankheit leidet, hängt davon ab, wie viele defekte Mitochondrien die Eizelle enthielt, aus der es sich entwickelte. So kann die Mutter noch genug intakte Mitochondrien geerbt haben und gesund sein, an ihr Kind jedoch zufällig mehr defekte als intakte weitergeben, sodass es erkrankt. Ein hohes Risiko.
Das lässt sich in zwei Schritten vermeiden:
- Man befruchtet – in der Petrischale – die Eizelle der Mutter mit Spermien des Vaters.
- Man nimmt das neu entstandene Erbgut aus der Eizelle mit den defekten Mitochondrien und steckt es in eine zuvor entkernte Eizelle einer Spenderin mit genetisch intakten Mitochondrien.
Eben das tat ein Team der Newcastle University und der Monash University in Melbourne, erfolgreich: Fünf der acht Kinder hatten keine defekten Mitochondrien mehr, die anderen nur noch fünf, zwölf und 16 Prozent – zu wenig, um daran zu erkranken.
Ist das nun gruselig? Gehört es gar verboten? Weil zwei „Mütter“ zum Kind beitrugen?
Gegenfrage: Ist es überhaupt gerechtfertigt, von einer „zweiten Mutter“ zu sprechen, wenn die eine, die echte, 3,3 Milliarden Bausteine DNA beiträgt, während von der anderen nur 16.569, das winzige Mitochondrien-Erbgut, stammen?
Der Erbonkel hat, vor Jahren, ein solches „Drei-Eltern-Kind“, entstanden bei einer Unfruchtbarkeitsbehandlung, besucht: Alana Saarinen, damals ein Klavier spielender, fröhlicher, der Mutter sehr ähnlicher Teenager, heute eine junge Frau. Obwohl sie der anonymen Eizellspenderin dankbar war, von dem Begriff einer „zweiten Mutter“ hielt sie nichts. Mutter zu sein, bedeutet mehr, als 37 Gene zu spenden.
Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.
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