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Neue Erkenntnisse. Benjamin Ducke (r.), Abdulsalam Almidani (m.) und Wassim Alrez (l.) arbeiten am Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin am Palmyra-GIS, einem hybriden 3D-Modell: Sie kombinierten kartographische Werkzeuge mit einer Datenbank.

© Eva Götting, DAI

190 Jahre Deutsches Archäologisches Institut: Digitalisierung und Archäologie: Fit für die Zukunft -

Das DAI hat Millionen von Daten gesammelt – aber auch die Software muss aktuell bleiben.

Ohne Dokumentation geht in der Archäologie gar nichts. „Man gräbt nur einmal aus“, erklärt DAI-Präsidentin Friederike Fless. Dabei werden die abgetragenen Schichten unwiederbringlich zerstört. Deshalb ist es für Archäologen von größter Bedeutung, Grabungsarbeiten detailliert dokumentarisch zu begleiten. Längst läuft das digital, mittels Kameras und Sensoren. Sogar Satelliten, Drohnen und Mini-U-Boote werden eingesetzt. Doch das ist nur ein erster Arbeitsschritt. „Die entscheidende Frage lautet: Wie sichert man diese Daten langfristig?“ Wie gelingt es, dass Grabungsdaten auch Jahrzehnte später noch wissenschaftlich genutzt werden können?

Genau darin sieht das DAI eine seiner wichtigsten Aufgaben. Heute wird alles, was bei dutzenden Ausgrabungen jährlich entsteht, in die hauseigene Cloud hochgeladen und gesichert. Die Server befinden sich in Berlin und Köln. Dann beginnt die eigentliche Herausforderung. „Es reicht ja nicht, tausende Fotos von Scherben zu speichern,“ sagt Fless. Die Dateien müssen mit Metadaten versehen und verlinkt werden. Nur wenn sie auf diese Weise kontextualisiert wurden, können sie von Wissenschaftlern gefunden und genutzt werden.

Das digitale Eingangstor des DAI ist die iDAI Welt (https://idai.world/), ein modulares Onlineportal, für das Reinhard Förtsch, Direktor für Informationstechnologien am DAI, zusammen mit Bibliotheksdirektorin Henriette Senst verantwortlich ist. Mittlerweile finden sich hier Millionen Bilder, Karten, Objekte, Artikel und Bücher, vieles davon frei zugänglich. Denn parallel zu den neuen Grabungsdaten überträgt das DAI auch seine alten Schätze nach und nach ins Internet. Das Institut besitzt bedeutende Fotosammlungen, Bibliotheken und Archive aus dem 19. und 20. Jahrhundert. „Die Retrodigitalisierung dieser Bestände betreiben wir seit rund 20 Jahre,“ erklärt Förtsch.

Mit menschlicher Arbeitskraft allein ist das allerdings nicht zu bewältigen. Das DAI setzt auf Künstliche Intelligenz: Mustererkennung und Machine Learning im Bereich Bild-, Form- und Texterkennung. Damit können zum Beispiel Glasnegative mit Außenaufnahmen so sortiert werden, dass erkennbar wird, wie sich bestimmte historische Orte verändert haben. Auch lassen sich Fotos eines Denkmals schneller gruppieren und zusammenführen. „Wir stehen mit diesen Methoden noch am Anfang, erzielen aber schon Erfolge,“sagt Förtsch.

Alle fünf Jahre eine neue Softwareversion

Welche digitalen Infrastrukturen sinnvoll sind und wie sich in der iDAI.world digitale und analoge Archive so kombinieren lassen, dass wertvolle Synergieeffekte entstehen – dazu wird am DAI intensiv geforscht. Unter anderem geht es darum, Begriffe, Systematisierungen und Dateiformate zu vereinheitlichen. Das ist eine komplexe Aufgabe, weil sich nicht nur die archäologische Wissenschaft selbst, sondern auch die Software stetig weiterentwickelt. Informationssysteme wie iDAI.objects benötigen rund alle fünf Jahre eine komplett neue Version. Mit diesen Brüchen und Verwerfungen musste das DAI umgehen lernen.

Wie es aussehen kann, wenn tausende alter und neuer Quellen zu einem digitalen Ganzen zusammenfließen, das zeigt das DAI in einzelnen Modellprojekte. Beim Syrian Heritage Archive Project (https://project.syrian-heritage.org), das vom DAI seit 2013 gemeinsam mit dem Berliner Museum für Islamische Kunst durchgeführt wird, wurden alle Quellen zu antiken Stätten in Syrien digitalisiert und verknüpft. „Sie stehen jetzt bereit für Fragen des späteren Wiederaufbaus,“ sagt Fless.

Projektion des „Palmyra-GIS“ auf dem ausgedruckten Geländemodell von Palmyra.
Projektion des „Palmyra-GIS“ auf dem ausgedruckten Geländemodell von Palmyra.

© Eva Götting, DAI

Für die antike Oasenstadt Palmyra erstellten die Forscher sogar ein hybrides 3D-Modell: Sie kombinierten kartographische Werkzeuge mit einer Datenbank. Fotos, Karten und Luftbilder können damit nicht nur in- und übereinander gelegt, sondern auch auf ein 3D-Geländemodell projiziert werden. Einerseits wollen die Wissenschaftler damit zum Schutz des gefährdeten Weltkulturerbes beitragen. Andererseits helfen solche Leuchtturmprojekte, um die Potentiale der digitalen Archäologie weiter zu entfalten.

Der digiatale Atals zum jemenitischen Kulturgut - "Ancient Yemen Digital Atlas" - zählt bereits über 9000 Punkte, hinter denen sich interaktiv Fundstätten, Bauwerke, Funde und Kriegsschäden verbergen. Ein Beispiel für Kulturerhalt mit Hilfe der Datenverarbeitung.
Der digiatale Atals zum jemenitischen Kulturgut - "Ancient Yemen Digital Atlas" - zählt bereits über 9000 Punkte, hinter denen sich interaktiv Fundstätten, Bauwerke, Funde und Kriegsschäden verbergen. Ein Beispiel für Kulturerhalt mit Hilfe der Datenverarbeitung.

© DAI / Orient-Abteilung

Der Gedanke von Open Science, vom Teilen und Zugänglichmachen, ist dabei fürs DAI selbstverständlich. Lange Zeit war es üblich, dass westliche Archäologen die Daten ihrer Forschungen nur in ihre eigenen Archive brachten. „Diese ,kolonial’ geprägte Vergangenheit gibt es“, sagt Fless, „aber wir können und wollen heute anders agieren.“ Das DAI teilt sein Wissen und seine IT regelmäßig mit Partnerinstitutionen, zum Beispiel in Afrika oder Asien. Kürzlich hat das Institut mit dem afghanischen Stadtentwicklungsministerium eine Kooperation für den Aufbau eines digitalen Denkmalkatasters für Afghanistan geschlossen. Das DAI stellt Server und Software zur Verfügung; die afghanische Seite speist Geoinformationen zu den kulturellen Stätten und Kulturgütern ein. Nach und nach soll die Datenbank komplett nach Afghanistan überführt werden.

Ein ähnliches Projekt gibt es mit dem Sudan, auch hier hilft das DAI Kulturerbe digital zu sichern. Dazu wurde eines der größten Archive zum antiken Sudan, der Nachlass des Ostberliner Architekten Friedrich W. Hinkel (1925-2007), digitalisiert. Hinkel, der über 40 Jahre lang im Sudan geforscht hatte, trug mehr als 30 000 Fotografien, 10 000 Dias und 4000 Zeichnungen zu über 13 000 archäologischen Stätten im Sudan zusammen.

Mittlerweile liegen die Daten nicht nur auf den Servern des DAI (https://arachne.dainst.org/project/hinkel), sondern wurden auch dem Sudan übergeben. „Die Länder sollen auf ihre Daten zugreifen, sie selbstständig sichern und weiter nutzen können,“erklärt IT-Experte Förtsch. Dazu muss die digitale Infrastruktur so angelegt sein, dass sie auch in einer wenig technologisierten Umgebung stabil funktioniert. DAI-Präsidentin Fless betont, wie wichtig dieser direkte Zugriff auf die Informationen für Archäologen und Denkmalschützer vor Ort ist: „Man kann nur schützen, was man kennt.“

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