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Charité-Virologe Christian Drosten hält die Labor-Hypothese des Corona-Ursprungs für unplausibel.

© Imago/photothek

Drosten wehrt sich gegen Vorwürfe: „Für die Labor-Hypothese gibt es keine hochwertigen Indizien“

Virologe Drosten wird vorgeworfen, den Corona-Ursprung verschleiern zu wollen. Neue Erkenntnisse stützen die These des natürlichen Ursprungs aus seiner Sicht.

Der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian Drosten, hat sich ausführlich zu den Vorwürfen gegen ihn und neue Erkenntnis zum Corona-Ursprung geäußert.

Er habe sich an allerhand Dinge gewöhnt, die in der Öffentlichkeit passieren, sagte Drosten der "Süddeutschen Zeitung". Aber die haltlosen Anschuldigungen des Physikers Roland Wiesendanger, er habe dabei geholfen, den Corona-Ursprung zu verschleiern, seien schon ungewöhnlich.

Zuvor hatte er das Interview Wiesendangers mit dem Magazin "Cicero" und der "Neuen Züricher Zeitung" bereits auf Twitter ein "Vorkommnis" genannt.

Dass die Labor-Hypothese vom Expertengremium, dem neben ihm auch US-Immunologe Anthony Fauci angehört, bewusst ausgeschlossen wurde, stimme einfach nicht. "Man kann in allen öffentlichen Äußerungen von mir sehen, dass ich immer offen war für beide Möglichkeiten", sagte Drosten. Er habe nur immer auch dazu gesagt, weshalb er einen natürlichen Ursprung des Virus aus dem Tierreich aus belegbaren Gründen für wahrscheinlicher halte.

"Wir kennen das Sars-1-Virus, das zur gleichen Art gehört wie Sars-CoV-2. Sars-1 stammt von Fledermäusen und ging über Schleichkatzen und Marderhunde als Zwischenwirte auf den Menschen über", erklärte Drosten. "Wahrscheinlich erst in den Zwischenwirten veränderte sich das Virus dann so, dass es auch Menschen befallen konnte."

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Da gleiche Virusarten in der Regel die gleiche Krankheitsökologie hätten, sei ein natürlicher Ursprung wahrscheinlich. "Für die Hypothese vom Labor-Ursprung gibt es vergleichbar hochwertige wissenschaftliche Indizien nicht", so Drosten.

„Diese Erklärungen sind technisch unplausibel“

Viele Expertinnen und Experten seien der Labor-Hypothese nicht deshalb abgeneigt, weil sie unter Druck gesetzt werden, sondern weil sie sich mit Virusevolution auskennen, erklärte Drosten.

Auf der anderen Seite versuchten die, die gar keine Berührung mit diesem Feld haben, sich einen anderen Reim drauf zu machen. "Aber diese Erklärungen sind einfach technisch unplausibel. Und manchmal wird es auch so richtig hässlich", so Drosten, der damit auf Wiesendanger anspielt. "Ich frage mich natürlich: Wenn er wirklich dachte, ich verfüge über Insiderwissen, das ihn mit seinen Ideen weiterbringt - warum hat er mich nicht einfach mal angerufen?"

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Es gebe zwar öffentliche Projektberichte, dass das Institut für Virologie in Wuhan Experimente gemacht hatte, bei denen Fledermausviren neue Spikeproteine eingebaut wurden. Es könne auch sein, dass die Viren durch den Eingriff gefährlich geworden seien. Allerdings, so Drosten, "dabei hätte nicht das Sars-CoV-2-Virus herauskommen können".

Neue Erkenntnisse stützen die These des natürlichen Ursprungs aus seiner Sicht. "Beispielsweise wurde inzwischen publiziert, dass eben doch Tiere, die als Zwischenwirte infrage kämen, auf dem Huanan-Markt verkauft wurden. Und die frühesten Fälle scheinen doch alle in der Nähe des Marktes aufgetreten zu sein."

Um mehr darüber herauszufinden, brauche es laut Drosten den Willen Chinas. Allerdings könne man von den USA oder Deutschland aus schon etwas tun. "Wenn man dauernd mit irgendwelchen unqualifizierten, zum Teil ungeheuerlichen Vorwürfen kommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass man sich damit die Kooperation unserer Kolleginnen und Kollegen dort sichert." Dann sehe er es als unwahrscheinlich an, dass der chinesische Staatsapparat einlenke.

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Vor allem erhofft sich Drosten, dass mehr Daten erhoben werden. Diese könnten die These des natürlichen Ursprungs untermauern. "Zunächst behaupteten die lokalen Behörden, dass auf dem Markt in Wuhan keine Tiere verkauft wurden, die als Zwischenwirte infrage kämen, Schleichkatzen oder Marderhunde etwa. Was ja nicht stimmte, wie wir heute wissen", sagt Drosten.

Forderung nach Erforschung von Virusdiversität

Was weiterhin fehle, seien brauchbare Untersuchungen über Coronaviren in diesen Tierarten. Diese würden in vielen Teilen Chinas vor allem von der Pelzindustrie gezüchtet und verkauft.

Für ihn ist es offensichtlich unverständlich, dass zwar Tiere untersucht worden seien, aber nur wenige von jenen Arten, die als Zwischenwirte wirklich verdächtig seien. "Und dann steht in den Berichten immer nur, die Tiere seien alle negativ auf Sars-CoV-2 getestet worden. Das kann aber für eine wissenschaftliche Bewertung nicht reichen", sagt Drosten.

Die Erforschung von Virusdiversität sei eigentlich eine ganz große Stärke der Wissenschaft Chinas. "Und plötzlich kommt nach Sars-CoV-2 nichts mehr dazu", sagt Drosten. Was es brauche, seien wissenschaftliche Veröffentlichungen mit Begutachtung.

Die möglichen Zwischenwirte müssten nun mit großer geografischer Abdeckung auf Coronaviren getestet werden, so der Virologe. Und man müsse verstehen, in welcher Dimension diese Tiere damals gekeult wurden – und ob davon Proben genommen wurden. (Tsp)

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