Zunahme von Entwicklungsstörungen: Fast alle Zwölf- bis 19-Jährigen nutzen soziale Medien täglich
93 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind mindestens einmal am Tag in sozialen Medien unterwegs. Ein Hirnforscher spricht über die Folgen des hohen Medienkonsums.
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© Alicia Windzio/dpa
Ohne soziale Medien geht nichts mehr: 85 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen sind mehrmals täglich auf TikTok, Instagram, Snapchat und Co. unterwegs. Mindestens einmal am Tag werden soziale Netzwerke sogar von 93 Prozent genutzt, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännischen Krankenkasse ergab.
Dabei schauen sich 79 Prozent vor allem Texte, Fotos und Videos von anderen an, ohne sie zu kommentieren oder zu teilen. 38 Prozent reagieren täglich auf mindestens einen Beitrag, nur 15 Prozent veröffentlichen jeden Tag einen eigenen. Befragt wurden 1004 Personen.
Gut zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) nutzen darüber hinaus soziale Netzwerke wie WhatsApp, um mit Freunden in Kontakt zu sein. Eine intensive Nutzung könne zu einer starken Ausschüttung des Glückshormons Dopamin führen, sagt Martin Korte, Hirnforscher an der Technischen Universität Braunschweig.
Durch den Konsum von Kurzformaten wie Posts oder Reels nehme zudem die visuelle Intelligenz zu, da die Nutzer innerhalb kürzester Zeit auf unterschiedliche Signale reagieren müssen. „Was hingegen abnimmt, ist das Auge für Details und die Fähigkeit, den Überblick zu behalten“, betonte Korte.
Nach einer am Freitag in Hannover vorgestellten Statistik der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) hat der Anteil der Sechs- bis 18-Jährigen mit motorischen Entwicklungsstörungen von 2013 auf 2023 um gut 37 Prozent zugenommen, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um rund 77 Prozent. Bei Sprach- und Sprechstörungen zeige sich ein Plus von 53 Prozent, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar von rund 104 Prozent.
Eine wesentliche Ursache für die Anstiege sieht Korte darin, dass mitunter schon kleine Kinder täglich viele Stunden auf Bildschirme schauen. Dies beeinträchtige die Vernetzung der Sprachzentren im Gehirn. Die Folgen seien eine schlechtere Sprach- und Lesekompetenz sowie eine abnehmende Konzentrationsfähigkeit, sagte Korte.
Auch die Fähigkeit zur Empathie sei betroffen: „Die Gehirnareale, die spiegeln, was andere Menschen denken und fühlen, entwickeln sich bei übermäßiger Smartphone-Nutzung langsamer, bleiben möglicherweise sogar schlechter ausgeprägt.“
Die Psychologin und Expertin für Medienkompetenz der KKH, Franziska Klemm, rät Eltern, mit den Kindern Regeln für die Nutzung sozialer Medien festzulegen und Grenzen zu setzen. „Sprechen Sie aktiv über die Erfahrungen, die Ihr Nachwuchs online macht.“ So könnten Eltern einen reflektierten und selbstbestimmten Umgang mit sozialen Medien fördern. (dpa, epd)
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