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Die weltweite Impfinitiative Covax soll in diesem Jahr 100 Millionen Impfdosen des Janssen-Produkts erhalten.

© Dado Ruvic/Reuters

Forscher von Johnson & Johnson im Interview: „Mit einer Dosis Schutzwirkung von über 85 Prozent gegenüber schweren Verläufen“

Seit Ende der Woche ist der Impfstoff von Johnson & Johnson in der EU zugelassen. Entwickler Johan van Hoof über den Schutz, Mutanten und Nebenwirkungen.

Seit Donnerstag ist mit dem Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson ein viertes Vakzin zur Bekämpfung des Coronavirus in der EU zugelassen. Das Präparat hat eine Besonderheit: Es muss nur einmal verabreicht werden. Wie gut wirkt der Impfstoff? Welche Nebenwirkungen gibt es? Und schützt er auch vor Mutanten? Ein Interview mit Johan van Hoof, der die weltweite Impfstoffentwicklung von Johnson & Johnson leitet.

Herr van Hoof, wie gut wirkt Ihr Impfstoff?
An unserer Studie haben fast 44.000 Menschen in acht Ländern auf drei Kontinenten teilgenommen. Ein Drittel der Probanden war älter als 60 Jahre. Es war nicht so geplant, aber unsere Untersuchung fiel in eine Hochphase der Pandemie, mit der bis dahin größten Verbreitung des Virus und enorm hohen und kontinuierlich steigenden Inzidenzen, etwa in den USA, in Brasilien oder Südafrika. In dieser Zeit verbreiteten sich auch neue Varianten des Virus. Das ist wichtig, wenn man unsere Daten interpretiert.

Wir haben anhand sämtlicher Daten eine Wirksamkeit von 66 Prozent berechnet, mit der moderate und schwere Erkrankungen verhindert werden. Es gab allerdings regionale Unterschiede: in den USA waren es 72 Prozent, in Brasilien 68 Prozent und in Südafrika etwa 64 Prozent. Wir beobachten aber auch, dass die Wirksamkeit mit der Zeit zunimmt, weil sich die Immunantwort mit der Zeit aufbaut.

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Johan van Hoof ist der Global Therapeutic Area Head of Vaccines bei Janssen, der forschenden Pharmasparte von Johnson&Johnson, und leitet die weltweite Impfstoffentwicklung des Unternehmens.
Johan van Hoof ist der Global Therapeutic Area Head of Vaccines bei Janssen, der forschenden Pharmasparte von Johnson&Johnson, und leitet die weltweite Impfstoffentwicklung des Unternehmens.

© Janssen-Cilag GmbH

Schützt die Impfung vor tödlich verlaufenden Erkrankungen?
Wir haben mit einer Dosis eine Schutzwirkung von über 85 Prozent gegenüber schweren und kritischen Verläufen mit Krankenhausaufenthalten und Beatmungsmaßnahmen gesehen. Die Schutzwirkung wird 14 Tage nach der Impfung messbar. Vier Wochen nach der Impfung zeigte der Impfstoff einen 100-prozentigen Schutz vor Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Es ist ein sehr guter Schutz, der gegen die entscheidenden Faktoren bei einem Ausbruch wirkt: Schutz vor schweren Verläufen mit Krankenhausaufenthalt und vor Todesfällen.

Treten Nebenwirkungen der Impfung auf?
Wir haben bereits über 200.000 Menschen mit Impfstoffen auf der gleichen Basis geimpft. Das gibt uns eine sehr gute Datenlage, von der wir ausgehen können. In unseren Studien sind unerwünschte Wirkungen nur in der Größenordnung aufgetreten, in der sie auch in der Bevölkerung auftreten. Wir wissen alle: Wenn wir hunderttausende Menschen impfen, werden Fälle auftreten. Die Herausforderung besteht darin zu unterscheiden, ob dies auf die Impfung zurückzuführen ist oder nicht. Aus unserer Sicht, auf Grundlage unserer Daten, gibt es keinen Anlass zu Sorge. Aber natürlich beobachten wir weiter, ob Nebenwirkungen auftreten.

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Schützt er auch vor den kursierenden Mutanten?
Wir haben Virenproben aus unseren Studiengebieten genetisch untersucht. In Südafrika waren 95 Prozent Erkrankungen auf die südafrikanische Variante B.1.351 zurückzuführen. Das bedeutet, dass die Schutzwirkung, die wir beobachtet haben, die Schutzwirkung gegen diese Variante ist. Das sind sehr erfreulich Daten, da wir ja wissen, dass sich die Variante über Ländergrenzen hinaus verbreiten kann. Der Impfstoff kann im Kampf gegen das Virus sehr nützlich sein.

[Mehr zum Thema:Angst vor Corona-Mutanten - was man jetzt über die neuen Virusvarianten wissen muss]

Könnten Sie den Impfstoff anpassen, sodass er auch gegen bislang unbekannt Varianten wirkt?
Wir haben zeigen können, dass es eine hohe Schutzwirkung gegen die südafrikanische Variante gibt, die derzeit als die gefährlichste Variante gilt. Sie trägt mehrere Mutationen, die man auch in anderen Varianten findet. Die südafrikanische Variante hat alle Mutationen etwa der britischen Variante und zusätzlich einige weitere Veränderungen und Verkürzungen des Erbguts.

Die Schutzwirkung ist ermutigend. Der Vektor unseres Impfstoffs ist gewissermaßen Plug-and-Play-fähig. Wir bereiten bereits die nächste Entwicklungsstufe des Impfstoffs in präklinischen Studien vor. Bei der Entwicklung halten wir uns an die Vorgaben der Arzneimittelbehörden. Es erscheint sinnvoll, dabei von der südafrikanischen Variante auszugehen, da sie einige für das Virus offenbar vorteilhafte Anpassungen zeigt.

Von Ihrem Impfstoff muss nur eine Dosis gespritzt werden. Wie wird sich das auf die Impfprogramme auswirken?
In einer Pandemie mit einer sehr hohen Übertragungsrate, wie wir sie jetzt erleben, hat der Ansatz, mit einer Dosis zu impfen, natürlich Vorteile. Wir wollen bis zum Ende des Jahres weltweit eine Milliarde Dosen zur Verfügung stellen, davon 200 Millionen der EU. Das heißt wir können eine Milliarde Menschen impfen.

Sie können doppelt so viele Menschen impfen wie mit einem Impfstoff, von dem zwei Dosen gegeben werden. Es entlastet auch die Impfzentren, wenn keine zweite Spritze verabreicht werden muss. Uns haben diese Vorteile überzeugt zunächst den Einzeldosis-Ansatz zu verfolgen. Wir untersuchen aber auch die Wirksamkeit eines Zweidosis-Impfschemas, um sie vergleichen zu können.

Sie bringen ein neues Produkt auf den Markt, Regierungen bringen Massenimpfungen auf den Weg. Hat das ihre Arbeit beeinflusst?

Wir haben keine Abkürzungen genommen, die die Sicherheit der Geimpften oder die Qualität des Produkts gefährden könnten. Aber wir haben den Impfstoff schneller entwickelt als jemals etwas zuvor. Dafür haben wir wirklich sieben Tage die Woche 24 Stunden am Tag gearbeitet. Wir bekämpfen ein Virus und wollen dazu beitragen, diesen Kampf zu gewinnen.

Werden Sie ihren Impfstoff auch an Entwicklungsländer liefern?
Gemeinsam mit 15 weiteren forschenden Unternehmen haben wir uns mit der Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung dazu verpflichtet, allen Ländern weltweit Zugang zu erschwinglichen Covid-19-Diagnostika, -Therapien und -Impfstoffen zu ermöglichen. Wir haben einen Beitrag zum Covax-Programm zugesagt, das Impfstoffe weltweit verteilt.

Es war von Anfang an unser Ziel, dass dieser Impfstoff weltweit überall dort verfügbar sein soll, wo er benötigt wird. Während der akuten Pandemie werden wir unseren Impfstoff für den Notfallgebrauch zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen. Er kann zwei Jahre lang bei 20 Grad Celsius unter null gelagert werden und voraussichtlich mehr als drei Monate bei zwei bis acht Grad Celsius. Das heißt er kann verteilt werden wie andere Impfstoffe auch, wie etwa der Polio-Impfstoff.

Also könnte ihr Impfstoff für viele Länder eine bessere Wahl sein, als die Vakzine anderer Hersteller.
Ich freue mich darüber, dass es mehrere nachweislich wirksame Impfstoffe gegen Covid-19 gibt, denn die Welt braucht mehr als einen Impfstoff. Wir kämpfen nicht gegen Konkurrenten, wir kämpfen gegen ein Virus.

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