zum Hauptinhalt
Nacktmulle sind dem Menschen näher als Mäuse.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Geheimnis extremer Langlebigkeit gelüftet: Wie es möglich ist, zehnmal länger zu leben

Es gibt eine Säugetierart, die sehr viel älter werden kann als ähnliche, gleich große Spezies. Es ist nicht der Mensch, aber Homo sapiens könnte viel von diesen Tieren lernen.

Sascha Karberg
Eine Kolumne von Sascha Karberg

Stand:

„Wie, du hast drei erwachsene Kinder? Wie alt bist du denn?“ Der Erbonkel hat Glück. Offenbar sind ihm Gene gegeben, die ihn selbst im fortgeschrittenen Alter noch recht frisch wirken lassen. Eine Garantie für ein langes Leben ist das allerdings nicht. Aber was kann das Leben verlängern? Gibt es ein Rezept für den Jungbrunnen? Ein chinesisches Forschungsteam scheint es jetzt gefunden zu haben.

Um methusalemsche Alterssphären zu erreichen, tun manche Menschen schon jetzt alles. Die einen schlucken Pillen, etwa Metformin, andere hungern absichtlich, weil „Kalorienrestriktion“ bei Würmern, Fliegen, Mäusen und anderen Tiermodellen einen lebensverlängernden Effekt hat – je nach Spezies ein paar Tage, Monate, mitunter Jahre.

Zehnmal älter

Aber das ist nichts im Vergleich zu dem Verjüngungstrick von Nacktmullen. Ganz ohne Hungern oder selbstquälerische Ernährung können die unterirdisch lebenden Nager zehnmal so alt werden wie vergleichbar große verwandte Arten: bis zu 40 Jahre.

Das liegt zum einen daran, dass ihr Immunsystem Krebszellen besonders effektiv aufstöbern und zerstören kann, wie man schon länger weiß. Zum anderen wurde vermutet, dass die Nager ein außergewöhnliches Reparatursystem haben, das Kopierfehler im Erbgut korrigiert, sodass krebsauslösende Genmutationen gar nicht erst entstehen.

Jetzt hat ein chinesisches Forschungsteam entdeckt, dass Nacktmulle tatsächlich einen optimierten Sensor für Fehler in der DNA haben, cGAS genannt. Er unterscheidet sich nur in vier Bausteinen von den entsprechenden Proteinen verwandter, kurzlebiger Nagetiere.

Dadurch bleibt der cGAS-Sensor im Fall eines Fehlers im Erbgut länger und in höherer Konzentration an der DNA kleben als bei Mensch oder Maus. Das verbessert den Reparaturmechanismus. Bei Nacktmullen ohne cGAS häufen sich die Mutationen im Erbgut. Und setzten die Forscher den nacktmullschen cGAS-Sensor ins Erbgut von Fruchtfliegen ein, lebten diese deutlich länger.

Was das mit dem Menschen zu tun hat? Mehr als mit Hausmäusen jedenfalls, denn Nacktmulle (Heterocephalus glaber) sind Menschen ähnlicher als Mäuse – nein, nicht wegen der ähnlich spärlichen Behaarung, sondern in Bezug auf die genetische Verwandtschaft.

Zwar wird man Menschen nicht einfach den nacktmullschen DNA-Sensor spritzen können. Und es empfiehlt sich auch nicht, den im Keller daddelnden Teenager jetzt in seinem nacktmullartigen Lebensstil zu bekräftigen, um ihm ein langes Leben zu verschaffen.

Doch über kurz oder lang wird es sicher Menschen geben, die mit dem einen oder anderen Mittelchen versuchen werden, die Konzentration des cGAS-Sensors in ihren Zellen zu erhöhen, um ihr Leben, wenn nicht zehnfach, dann wenigstens ein bisschen zu verlängern. Der Erbonkel ist gespannt, ob Kurzsichtigkeit, verlängerte Schneidezähne und Haarausfall dann zu den Nebenwirkungen gehören werden.

Der „Erbonkel“ – Geschichten rund um Gene, jedes Wochenende.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })