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Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen Charité und LSHTM auf dem World Health Summit 2018 in Berlin. V.l.n.r.: Prof. Dr. Christian Drosten (Charité), Prof. Dr. Axel R. Pries (Charité), Prof. Dr. Peter Piot (LSHTM), Dr. Johanna Hanefeld

© World Health Summit / S. Kugler

Global Health: Londoner Gesundheitsforscher kommen nach Berlin

Das Londoner Institut für Hygiene und Tropenmedizin forscht nun auch an der Spree. Zusammen mit der Charité soll globale Gesundheitsforschung gestärkt werden.

Die Londoner School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) kommt nach Berlin, um mit der Charité den Forschungsbereich "Globale Gesundheit" auszubauen. Beide Institutionen hatten im Rahmen des World Health Summit im Oktober in Berlin eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Demnach wird eine Gruppe von LSHTM-Forschern am virologischen Institut der Charité angesiedelt sein, das auch Teil des neuen Zentrums "Charité Global Health" ist. Die London School of Hygiene and Tropical Medicine, geleitet von dem Virologen Peter Piot, ist eine der weltweit führenden Institutionen im Bereich Public Health und Infektionskrankheiten.

Eine Berlinerin als Leiterin

Leiterin der Berliner Außenstelle des LSHTM wird Johanna Hanefeld, eine Expertin für Gesundheitspolitik und Gesundheitssystemforschung und Stellvertreterin Piots. Die 40-Jährige ist in Westberlin geboren, kenne die Stadt aber noch kaum, weil sie den Großteil ihres Forscherlebens in allen Teilen Europas und in Afrika verbracht habe. Nun ist sie seit zwei Wochen wieder in Berlin und habe gleich gut zu tun. "Wir wollen zusammen mit der Charité einen neuen Ansatz schaffen, wie man Globale Gesundheit erforscht", sagt Hanefeld. Deutschland nehme in diesem Bereich international immer mehr eine Führungsrolle ein: "Hier gibt es Spitzenforschung, eine entsprechende Infrastruktur und eine politische Landschaft, die Global-Health-Themen in den Fokus rückt", sagt Hanefeld. Gemeinsam wolle man nun ausloten, wo die Londoner Forscher ihr Know-how einbringen können.

Besonders wichtig ist Hanefeld das Thema Interdisziplinarität. Die Politologin, die auch für Amnesty International und die Weltgesundheitsorganisation WHO gearbeitet hat, erforscht etwa, wie sich verschiedene Gesundheitssysteme auf Seuchen wie Aids oder Ebola auswirken. Wie verbreitet sich die Krankheit, wo wird sie als nächstes auftreten und wie können politische Entscheidungen diesen Verlauf beeinflussen? Auch wie ein Gesundheitssystem sich langfristig auf die Ankunft vieler Migranten einstellen oder wie Antibiotikaresistenzen weltweit bekämpft werden können, seien wichtige aktuelle Themen.

 Kristallisationspunkt für Globale Gesundheitsforschung

"Solche interdisziplinären Ansätze gibt es in Deutschland noch viel zu wenig", sagt Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité und Leiter des neu gegründeten Zentrums Charité Global Health, wo Hanefeld aktuell ihr Büro hat. In Deutschland müsse man sich fragen: Wer forscht eigentlich zu Public Health? "Vielen fällt da als erstes das Robert Koch-Institut ein, aber das kann die Forschung ja nicht alleine leisten", sagt Drosten. An jeder Uni gebe es Experten für diese Themen, aber niemand habe wirklich einen Überblick, wo sie sich befinden. Deshalb könnte eines der ersten gemeinsamen Forschungsthemen von Charité und LSHTM sein, sich mit der  Global-Health-Forschungslandschaft in Deutschland zu befassen. Gerade sei man auf der Suche nach einer Finanzierung.

Das Gebäude der London School of Hygiene and Tropical Medicine in der Keppel Street.
Das Gebäude der London School of Hygiene and Tropical Medicine in der Keppel Street.

© Anne Koerber

Die Charité stellt die Räumlichkeiten, die London School of Hygiene and Tropical Medicine, deren Hauptgeldgeber die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung ist, zahlt die Stellen der britischen Forscher. Bislang ist das nur Johanna Hanefeld, aber ihre eigene Forschungsgruppe soll noch dieses Jahr nach Berlin kommen. Eine zweite Londoner Arbeitsgruppe könnte im nächsten Jahr folgen, finanziert vom Wellcome Trust. "Wir versuchen jetzt schon, Forschungsgelder zu beantragen, damit sich das System möglichst bald selbst trägt", sagt Drosten. Gemeinsam wolle man etwas Langfristiges mit der LSHTM aufbauen, diese sei schließlich ein internationaler Vorreiter, für den es in ganz Deutschland keine Entsprechung gebe.

 Kooperieren London und Oxford bald in Berlin?

Johanna Hanefeld sieht die Repräsentanz in Berlin auch als Chance, weitere Kooperationen mit deutschen und europäischen Partnern auszubauen. Neben der Charité bestünden etwa Kontakte zur TU und FU Berlin, zu den Universitäten in Heidelberg und Bielefeld sowie zur LMU München.

Zusammenarbeit soll es auch zwischen der LSHTM und der Universität Oxford geben – und zwar in Berlin. Wie berichtet, planen die drei großen Universitäten der Hauptstadt und die Charité eine Kooperation mit der britischen Top-Uni, die auf Seiten der Charité wohl ebenfalls im Zentrum für Global Health koordiniert werden soll.

Dass zwei solch hochkarätige Wissenschaftsinstitutionen aus Großbritannien gerade jetzt enger mit Deutschland zusammenarbeiten wollen, wo der Brexit immer näher rückt, ist wohl kein Zufall. Auf britischer Seite könnten EU-Fördergelder wegbrechen und eine Zeit der finanziellen Unsicherheit beginnen. "Es ist wichtig, ein Signal zu setzen, indem wir die Partnerschaft mit Europa weiter ausbauen", sagt Hanefeld. Zwar sei die Kooperation mit Deutschland schon vor dem Brexit-Votum ein Thema gewesen, der EU-Ausstieg habe das Vorgehen aber noch bestärkt.

Anfang nächsten Jahres wollen Charité und LSHTM eine gemeinsame Vorlesungsreihe veranstalten, auf der die Themen vorgestellt werden sollen, an denen die britischen und deutschen Gruppen forschen. So will man sich gegenseitig kennenlernen und sehen, wie und worüber am jeweils anderen Standort geforscht wird.

Johanna Hanefeld will jetzt erst einmal richtig in Berlin ankommen. Bisher ist sie noch nicht einmal dazu gekommen, sich eine deutsche Handynummer zu besorgen. Die Kooperation mit der Charité, davon geht sie fest aus, wird ein Erfolg: "Es ist eine spannende Zeit, und ich bin sicher, dass deutsche und britische Wissenschaftler viel voneinander lernen werden."

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