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Der Hirnwasserstrom nimmt im Schlaf abgelagerten Müll aus den Zellen mit.

© Christin Klose, dpa-tmn

Schutz vor Demenz: Guter Schlaf ist wichtig

Forschende haben im Tierversuch zeigen können, wie Proteinabfälle und Giftstoffe im Schlaf aus dem Gehirn entsorgt werden.

Wer arbeitet, produziert auch Müll. Im menschlichen Körper ist die Entsorgung die Aufgabe des lymphatischen Systems. Im Gehirn aber enden die Lymphgefäße an der Hirnhaut, wie läuft hier also die Entsorgung? Unser Denkorgan verbraucht etwa 20 Prozent der gesamten Körperenergie. 

Dabei fällt eine beträchtliche Menge an überflüssigem oder gar schädlichen Stoffen an: Reste untergegangener Zellen, Proteinabfälle und vieles mehr, mitunter toxisch für die Nervenzellen.

Manche Proteine wie Amyloid-Eiweiße verklumpen und können dann langfristig zu einer verminderten Denk- und Gedächtnisleistung führen. Sie erhöhen das Alzheimer-Risiko. Der Müll muss also raus aus dem Hirn. 

Das Gehirn hat ein eigenes ausgeklügeltes Müllentsorgungssystem, das Glymphatische System. Es arbeitet, wenn wir schlafen. Ohne Schlaf gibt es also keine Müllabfuhr. Und je besser die Entsorgung funktioniert, desto fitter bleibt unser Denkorgan.

Was der Schlaf der Fruchtfliegen verrät 

Eine aktuelle Studie belegt, dass die Fruchtfliege Drosophila melanogaster während der Evolution ähnliche Lösungsansätze für dasselbe Problem entwickelt hat. „Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass die Fruchtfliege schläft und es deutete sich auch an, dass verschiedene Schlafphasen unterscheidbar sind“, erklärt der Molekularbiologe und Alternsforscher Sebastian Grönke vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln.

Neurowissenschaftler und Schlafexperten unter Leitung von Ravi Allada von der Northwestern University haben nun festgestellt, dass es bei der Fruchtfliege eine langsamwellige Schlafphase gibt, als Tiefschlaf bekannt.

Zwar hat die Fruchtfliege kein Blut wie der Mensch, sondern Hämolymphe. Aber es gibt einige Ähnlichkeiten, weswegen sich die Fruchtfliege als Modellorganismus für Schlaf, den zirkadianen Rhythmus, Tiefschlaf und neurodegenerative Erkrankungen eignet. 

Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster.
Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster.

© Sascha Karberg

Laut Grönke ist die Durchgängigkeit der Blut-Hirn-Schranke der schlafenden Fruchtfliege höher, so dass Stoffe leichter ausschwemmbar sind. Das gilt, wie sich in der aktuellen Studie gezeigt hat, insbesondere für den Tiefschlaf. Die US-Forscher beobachteten, dass ihr Rüssel während der langsamwelligen Phase eine besondere Rolle spielt.

Die Fruchtfliege verlängert und verkürzt ihn wiederholt. Diese Pumpbewegung dient dazu, eine Menge Spülflüssigkeit, beim Insekt Hämolymphe genannt, samt Abfallstoffen durch den Fliegenkörper zu einem Organ zu befördern, das den menschlichen Nieren in der Funktion ähnlich ist.

Tiefschlaf an Müllentsorgung im Gehirn beteiligt

Allada und seine Mitarbeiter wollten die Abfallentsorgung nun noch etwas genauer untersuchen: Deshalb injizierten sie den Versuchsfliegen einen Farbstoff und machten die Tiefschlafphase und so auch die Rüsselbewegung unmöglich. 

Die Fruchtfliegen waren dann weniger imstande, den Farbstoff aus ihrem Organismus zu entfernen. „Unsere Studie zeigt, dass die Pumpbewegung die Abfallentsorgung erleichtert und die Regeneration nach Verletzungen fördert“, sagt Allada.

So kann die Hämolymphe etwa beschädigte Nervenfortsätze leichter entfernen. Die Entdeckung, dass der Tiefschlaf bei der Fruchtfliege eine Rolle bei der Müllentsorgung spielt, lege nahe, dass die Entsorgung von Abfallstoffen eine im Laufe der Evolution erhaltene Urfunktion des Schlafs ist, so die Forschenden.

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Das Glymphatische System ist ein Netzwerk aus feinsten Röhren, die die Blutgefäße im Gehirn – Arterien und Venen – umgeben. Im Raum zwischen Blutgefäß und umgebendem Röhrchen fließt Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, auch Hirnwasser genannt, und Spüllösung fürs menschliche Gehirn. 

Die Innenwände der Röhren bestehen aus glatten Muskelzellen und Endothelzellen. Die Außenwände werden von speziellen sternen- oder spinnenförmig verzweigten Zellen des Gehirns, sogenannten Gliazellen, gebildet.

Die Gliazellen sorgen dafür, dass die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit aus dem Zwischenraum zwischen Arterie und Röhrenoberfläche in den Raum zwischen den Nervenzellen gelangen kann. Der Hirnwasserstrom nimmt den dort abgelagerten Müll aus den Zellen mit. 

Gliazellen auf der Außenseite jener Röhrchen, die Venen umgeben, nehmen das müllbeladene Hirnwasser auf. Die Abfallstoffe gelangen in die Venen, von dort in das lymphatische System und in den normalen Blutkreislauf. Über Niere und Leber werden sie schließlich aus dem Körper entfernt.

Das Hirnwasser kann den Müll wegspülen

Das passiert alles nachts, während wir schlafen und langsame Wellen durch unser Gehirn laufen. Im Tiefschlaf vergrößern sich beim Menschen und übrigens auch bei der Maus die Zwischenräume zwischen den Zellen im Gehirn. 

Das Hirnwasser kann dann hindurchfließen und den Müll wegspülen. Mit zunehmendem Alter arbeitet dieses System der Müllentsorgung allerdings schlechter. Und bei Schlafmangel oder einem stark gestörten Schlaf ohne ausreichenden Tiefschlaf findet kein Spül-Reinigungs-Vorgang statt oder nur noch ein nicht ausreichender.

Tierexperimente haben gezeigt, dass sich dann beispielsweise vermehrt Amyloid-Proteine ansammeln und verklumpen. Deshalb gelten chronische Schlafstörungen als Risikofaktor für diverse Krankheiten wie etwa für Alzheimer.

Wer Schlafprobleme hat, kann seinem Gehirn zumindest auch mit Sport helfen. Forscher der Nedergaard Gruppe des University of Rochester Medical Centers haben im Tierversuch gezeigt, dass Bewegung eine Verdoppelung des Hirnwasserflusses im glymphatischen System bewirken kann. 

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