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Vogelgrippefall in Mexiko ist „ein Warnsignal“: Erste Infektion eines Menschen mit H5N2 endet tödlich
Vogelgrippeviren breiten sich weltweit aus. Ein paar hundert Menschen weltweit sind in gut 20 Jahren daran gestorben. Jetzt wird erstmals ein Todesfall gemeldet, der anders ist als alle anderen.
Stand:
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den weltweit ersten, über Laboruntersuchungen nachgewiesenen Fall einer Infektion eines Menschen mit einem Vogelgrippe-Virus vom Typ Influenza A - H5N2 gemeldet. Der 59-Jährige, der mehrere andere Krankheiten hatte, war bereits seit mehreren Wochen bettlägerig und hatte Ende April plötzlich hohes Fieber und Atemnot entwickelt. Nach kurzem Aufenthalt im Krankenhaus sei er am 24. April gestorben, berichtete die WHO.
Mehrere Laboranalysen hätten den Virustyp bestätigt, erklärte die WHO am Mittwochabend. Die Influenza-Variante H5N2 ist zwar immer wieder Ursache für Ausbrüche bei Wildvögeln und unter Hühnern, Enten und sonstigem Geflügel auf Farmen. Nachweise für ein Überspringen auf den Menschen hatte es bislang jedoch nicht gegeben. Lediglich 2006 gab es einen Verdacht, erhöhte Antikörperwerte bei Arbeitern in einer japanischen Geflügelfarm seien womöglich auf eine Infektion mit H5N2-Viren zurückzuführen, die damals unter den Tieren des Hofes grassierte.
Nur ein tragischer Einzelfall?
„In einer Zeit, in der sich die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf die H5N1-Influenza bei Rindern in den USA konzentriert, erinnert dieser Fall daran, dass es viele andere Influenzaviren gibt, die auch den Menschen infizieren können“, sagt Ed Hutchinson vom Virusforschungszentrum der Universität Glasgow.
Sollten mehr Menschen mit diesem Virus infiziert werden, würde dies zu größerer Besorgnis führen, aber im Moment ist dies ein sehr trauriger Einzelfall.
Ed Hutchinson, Virusforschungszentrum der Universität Glasgow
„Das H5N2-Virus in Mexiko gehört zu einer bestimmten Familie von H5-Viren“, sagt Ian Brown vom Vogelforschungsprogramm des Pirbright Institute in Großbritannien. Es zirkuliere schon länger in Vögeln und unterscheide sich deutlich von anderen H5-Viren, etwa dem H5N1-Virus, das auch andere Säugetierarten, wie zurzeit etwa Milchkühe in den USA, infizieren kann und „sporadische Fälle“ beim Menschen verursache.

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Seit 2003 gab es laut WHO 463 Todesfälle nach Infektionen mit Vogelgrippeviren, jedoch immer mit dem Typ H5N1. Der jetzige Fall einer tödlichen H5N2-Infektion eines Menschen ist daher mindestens ungewöhnlich. „Ohne weitere Untersuchungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Virus direkt für den tödlichen Ausgang verantwortlich ist“, sagt Brown und legt nahe, dass es sich um einen „Einzelfall“ handeln könnte. Allerdings werden Influenza-Infektionen oft nicht erkannt und - obwohl meldepflichtig - den Gesundheitsbehörden nicht angezeigt.
Dafür spricht, dass Verwandte, Bekannte oder andere Personen des näheren Umfeldes des Verstorbenen weder Krankheitssymptome zeigen noch Influenza-Infektionen bei ihnen nachgewiesen werden konnten. „Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass sich dieses spezielle Influenzavirus beim Menschen weiter ausgebreitet hat“, sagt Hutchinson. Unklar ist auch, wie es zu der Infektion kam. Mit infiziertem Geflügel oder anderen Vögeln sei der 59-jährige dem WHO-Bericht zufolge nicht in Kontakt gekommen.
Spekulationen über Erbgutveränderungen
Virologen können bislang auch nur spekulieren, wie es H5N2 in diesem Fall gelungen sein könnte, von Vögeln auf den Menschen überspringen. Womöglich haben es die Vorerkrankungen des Mannes dem Virus leichter gemacht, einen menschlichen Wirt zu infizieren, „und leider kann es auch dazu geführt haben, dass er schwer erkrankte, als es ihm schlecht ging“, so Hutchinson.

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Eine weitere Möglichkeit ist, dass verschiedene Influenzaviren, deren Erbgut aus mehreren Abschnitten von RNA-Molekülen besteht, Teile ihres Erbguts austauschen können. Ist ein Tier oder Mensch von zwei verschiedenen Typen von Influenzaviren (etwa H5N1 und H5N2) infiziert, könnten beim Zusammenbau neuer Viren in der Zelle neue Mischformen mit neuen Eigenschaften entstehen. „Ob das hier der Fall war, wird sich erst zeigen, wenn die Sequenzdaten des Virus vorliegen“, sagt Hutchinson. „Im Moment wissen wir, dass es in Mexiko in jüngster Zeit Ausbrüche von H5N2-Influenzaviren bei Geflügel gegeben hat, was darauf hindeutet, dass dieser Fall mit einem dieser Ausbrüche in Verbindung stehen könnte.“
Im März war ein H5N2-Ausbruch in einem Geflügelbetrieb in einem Hinterhof im Bundesstaat Michoacán - angrenzend an den Bundesstaat México, in dem der 59-Jährige lebte - festgestellt worden.
Ob sich das H5N2-Erbgut in irgendeiner Weise verändert und dadurch infektiöser oder vermehrungsfähiger in Menschen geworden ist, was Voraussetzung für eine Verbreitung von Mensch zu Mensch wäre, wird sich erst sagen lassen, wenn die Erbgutsequenz der H5N2-Viren genauer analysiert worden ist, die bei dem 59-Jährigen entdeckt wurden, so Hutchinson.
Risiko für die Bevölkerung „sehr gering“
Derzeit werde das Umfeld des Mannes überprüft. „Sollten mehr Menschen mit diesem Virus infiziert werden, würde dies zu größerer Besorgnis führen, aber im Moment ist dies ein sehr trauriger Einzelfall“, sagte Hutchinson.
Solange es keine Anzeichen für eine Anpassung der H5N2-Viren an den menschlichen Körper oder eine anhaltende Übertragung unter Menschen gibt, sagt der Virologe Ian Jones von der Universität Reading, sei das Risiko für die Bevölkerung sehr gering. Der Fall zeige, wie wichtig es ist, Geflügelbestände zu überwachen und Ausbrüche konsequent einzudämmen.
Die WHO rief dazu auf, wachsam zu sein und Häufungen von Krankheiten mit Influenza-typischen Symptomen genau zu untersuchen: „Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen schätzt die WHO das derzeitige Risiko für die Allgemeinbevölkerung, das von diesem Virus ausgeht, als gering ein.“
„Dennoch ist dieser Fall ein weiterer in einer Reihe von Entwicklungen, die zusammengenommen als Warnsignal betrachtet werden könnten“, sagt Sir Peter Horby, Direktor des Pandemie Forschungsinstitutes an der Universität Oxford. (mit dpa, smc)
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