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Zahlreiche europäische Länder wollen den Tabak- und Nikotinkonsum einschränken.

© dpa/Sebastian Kahnert

Kampf europäischer Länder gegen das Rauchen: Ist ein Zigarettenverbot auch in Deutschland gesetzlich möglich?

Zahlreiche europäische Länder wollen den Tabak- und Nikotinkonsum einschränken. Ob sich deutsche Raucher und E-Zigaretten-Nutzer auf ähnliches einstellen müssen, ordnen drei Experten ein.

Von
  • Laura Graen
  • Rüdiger Krech
  • Stefanie Klosterhalfen

Stand:

Schweden will bis 2025 rauchfrei werden. Großbritannien hat ein Zigaretten-Verkaufsverbot für künftige Generationen beschlossen. Belgien schränkt Einweg-E-Zigaretten ein, in Neuseeland wurde ein ähnlicher Ansatz hingegen kürzlich gekippt. Auch die EU diskutiert über ein Rauchverbot im Freien, Mailand hat dieses bereits verhängt.

Und Deutschland? Kann und sollte der Tabak- und Nikotinkonsum auch hierzulande gesetzlich eingeschränkt werden? Zwei Expertinnen und ein Experte ordnen die Lage ein. Weitere Folgen des Formats „3 auf 1“ finden Sie hier.


Niederlande können Vorbild sein

In Deutschland grassiert eine Epidemie, an der jedes Jahr 127.000 Menschen sterben. Und das nicht etwa durch ein Virus, sondern durch die Produkte und Praktiken der Tabakindustrie. Zigaretten töten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Hälfte derjenigen, die sie benutzen.

Absurderweise ist es trotzdem leichter, Zigaretten zu kaufen als frisches Brot. Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland äußerst schlecht ab, was Einschränkungen für die Tabakindustrie betrifft. Es ist alarmierend, wie einfach die Tabaklobby Zugang zur Politik erhält und Regulierung verhindern kann.

Hohe Steuern, ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot, gute Entwöhnungsprogramme und eine Schutzmauer gegen die Tabaklobby sind das, was Länder wie die Niederlande erfolgreich macht.

Die Frage ist, ob politisch Entscheidungstragende in Deutschland auf der richtigen Seite der Geschichte stehen möchten: Wollen sie sich zu Kompliz:innen der Tabakindustrie machen, indem sie sie gewähren lassen, oder soll Deutschland ein Vorbild für andere werden?


Das Gesundheitswesen entlasten

Deutschland ist eines der Schlusslichter in Europa bei der Tabakkontrolle. Eine „laissez-faire“-Politik, begründet mit komplexen politischen Strukturen und diffusen Zuständigkeiten, hat die Tabakkonzerne reicher und das Gesundheitssystem ärmer gemacht.

Seit 20 Jahren gab es keine nennenswerten Tabaksteuererhöhungen: Der Steueranteil an einer Zigarette sank um 14 Prozent, während die Gewinne der Industrie stiegen. Das stärkt die Tabakindustrie, belastet aber das Gesundheitssystem und schwächt die Wirtschaft.

Rauchen ist der Hauptrisikofaktor für viele der Krankheiten, die unser Gesundheitssystem belasten – bis zu 50 Prozent könnten durch Prävention verhindert werden. Und die wirksamen Maßnahmen zur Tabakkontrolle kennen wir längst. Konservativ gerechnet, könnten wir dem Gesundheitssystem eine zweistellige Prozentzahl an Patient:innen ersparen.

Andere Länder machen es vor: Rund 60 Staaten haben umfassende Tabakkontrollen umgesetzt, einige verbieten sogar E-Zigaretten. Unsere WHO-Erfahrung beweist: Politische Komplexität ist kein Hindernis, wenn der Wille da ist. Angesichts steigender Krankenkassenbeiträge möchte man der Politik zurufen: „Unternehmt endlich etwas!”


Social-Media-Werbung besonders problematisch

Deutschland liegt bei der Tabakkontrollskala seit Jahren auf den hinteren Plätzen in Europa. Maßnahmen wie Werbeverbote und Steuerpolitik werden nur zögerlich umgesetzt, während Tabakprodukte an Supermarktkassen und Kiosken prominent sichtbar sind.

Besonders problematisch ist die zunehmende Werbung auf sozialen Medien, wo Influencer Shisha-Tabake und Vapes an junge Zielgruppen vermarkten. Diese Strategien binden erhebliche Summen ins Marketing – und zielen bewusst darauf ab, junge Menschen als künftige Konsumentinnen und Konsumenten zu gewinnen.

Es braucht dringend stärkere Regulierungen: Rauchstopp-Angebote sollten ausgebaut werden, Tabakwerbung effektiver unterbunden, und der Zugang zu Tabak- und Nikotinprodukten für Jugendliche und junge Erwachsene weiter eingeschränkt werden.

Doch ob Deutschland seine zögerliche Haltung bei der Umsetzung von Tabakkontrollmaßnahmen überwinden kann, bleibt fraglich – nicht zuletzt wegen der starken Einflussnahme der Tabaklobby auf die Politik.

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