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Etwa drei mal drei Meter soll das Modul messen, das möglicherweise schon 2018 den Erdtrabanten erreicht.

© Astrium

Raumfahrt: Neuer Anlauf zum Mond

Die deutsche Mondmission ist gescheitert – jetzt soll es Europa schaffen. Flugziel ist die Südpolregion des Mondes, wo bisher noch keine Sonde sanft gelandet ist, geschweige denn ein Mensch.

Spinnengleich streckt die Kapsel ihre Beine aus, umrundet den Mond ein paar Mal und landet sanft in einer dicken Staubschicht. Messapparate werden ausgefahren und am unteren Bildrand rollt sogar ein kleines Mondmobil herein, das den Untergrund erkundet. In der Animation sieht alles so einfach aus. Ob die Vision je Wirklichkeit wird, ist ungewiss.

Seit gestern sind die Chancen zumindest etwas gestiegen. In Berlin haben Vertreter der europäischen Raumfahrtbehörde Esa und des Industriekonzerns EADS Astrium einen Vertrag unterzeichnet, demzufolge die Ingenieure ein Konzept für eine unbemannte Mondmission entwickeln sollen.

Klingt bekannt? Ja. Vor gut einem Jahr hatte Peter Hintze (CDU), Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, eine Landung auf dem rund 380 000 Kilometer entfernten Himmelskörper vorgeschlagen. Er dachte explizit an eine nationale Mission, um die „deutsche Kompetenz in der Raumfahrt zu demonstrieren“ und damit die hiesige Industrie und Forschung zu stärken. In den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP war das auf 1,5 Milliarden Euro geschätzte Projekt schnell aus dem Rennen. Nun ist es zurück, als ein europäisches.

Flugziel ist die Südpolregion des Mondes, wo bisher noch keine Sonde sanft gelandet ist, geschweige denn ein Mensch. Die Apollo-Astronauten hatten in Äquatornähe aufgesetzt, weil sie von dort besser und sicherer zur Erde zurückkehren konnten. Daher wissen die Mondforscher noch vergleichsweise wenig über die Polgegend. Ähnliches gilt auch für die erdabgewandte Seite des Mondes.

Anders als die Rückseite hat der Südpol den Vorteil, dass eine Funkkommunikation mit der Erde möglich ist. Zudem herrscht dort eine Art „Polartag“, der über Monate hinweg die Sonne scheinen lässt. Das wollen die Wissenschaftler nutzen. Die mit Solarstrom betriebenen Geräte sollen sechs bis acht Monate im Einsatz sein.

Was die Apparate dort messen könnten, dazu gibt es viele Ideen: Temperatur und chemische Zusammensetzung des Bodens, Mondbeben, Einfluss der kosmischen Strahlung auf das Mondgestein, aber auch auf Organismen. Doch bevor die Geräte in Betrieb gehen, müssen sie die Anreise heil überstehen.

Wie das gelingen kann, soll Astrium bis Ende 2011 herausfinden. Die Ingenieure wollen klären, wie der Flugplan der Mission gestaltet werden muss und wie das Landemodul am besten aufgebaut ist. 6,5 Millionen Euro stehen dafür bereit. „Die Landung soll automatisch erfolgen“, erläuterte Michael Menking, Leiter Orbitale Systeme und Exploration bei Astrium. „Dazu setzen wir im Wesentlichen auf Technik aus dem Raumtransporter ATV, der bereits zur Versorgung der Internationalen Raumstation eingesetzt wurde.“ Bei der Ankopplung an das Himmelslabor kann der ATV sein Gegenüber per Lasernavigation erkennen und setzt selbstständig Steuerdüsen ein, um sein Ziel genau und sanft zu erreichen.

Das soll auch die europäische Mondlandekapsel schaffen. Aus einer rund 100 Kilometer hohen Umlaufbahn um den Mond wird sie langsam absteigen. In dieser Höhe wäre es noch denkbar, die Flugroute von der Erde aus zu korrigieren. Allerdings würden aufgrund der Entfernung einige Sekunden vergehen, bis eine ungünstige Position erkannt und der Befehl zum Gegensteuern erteilt wird. Deshalb ist eine automatische Landung geplant. Die letzten Sekunden vorm Aufsetzen scannt die Kapsel ständig den Untergrund, um Hindernisse zu erkennen und umfliegen zu können. So wie es vor 41 Jahren Neil Armstrong tat, als er und Buzz Aldin auf ein Geröllfeld zurasten.

Das europäische Landemodul könnte 2018 aufsetzen, sagte Menking. Über die Kosten wollte er öffentlich nicht spekulieren, die sollen ebenfalls in der Studie ermittelt werden.

Aus der Esa heißt es, man rechne mit etwa 500 bis 600 Millionen Euro, was deutlich unter Hintzes Konzept liegt. Man habe sich bewusst für eine relativ kleine Variante entschieden: Start mit einer Sojusrakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana, eine Landeeinheit mit Platz für nur 60 Kilogramm wissenschaftliche Geräte, einschließlich eines Mondmobils, das nicht größer als ein Pudel ist und höchstens 100 Meter weit fahren kann. So, hofft man bei der Esa, steigen die Chancen für eine Zustimmung zu dem Vorhaben. Die müssen die zuständigen Fachminister der derzeit 18 Esa-Mitgliedsstaaten geben. Ihr nächstes Treffen soll in zwei Jahren stattfinden.

„Ich begrüße es sehr, dass die Esa nun auch den Mond in den Fokus nimmt, das war bisher anders“, sagt Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin. Umsonst hatten er und weitere Mondforscher einen Entwurf für die deutsche Sonde „Leo“ (Lunar Exploration Orbiter) erarbeitet. Das 350-Millionen-Projekt – eine weiche Landung war nicht vorgesehen – war vor zwei Jahren im Bundeswirtschaftsministerium gestoppt worden. Auch der deutsche Mondlander vom letzten Jahr war schnell im Aus.

Die europäische Mission hat etwas bessere Chancen. Aufgrund der vielen Beteiligten dürfte es aber auch viel Diskussion geben, bis es wirklich losgeht. Für Jaumann ist das kein Thema: „Kompromisse zu finden ist unser tägliches Geschäft.“ Er sieht es eher als Bereicherung, wenn internationale Experten ihr Können zusammenbringen. „Letztlich werden die Messdaten der einzelnen Sonden ohnehin mit der Community geteilt“, sagt er mit Bezug auf die jüngsten Missionen der USA, Japans, Indiens und Chinas.

Hintze, der die Vetragsunterzeichnung „mit Wohlgefallen“ verfolgte, betonte, dass auch die europäische Lösung positiv für Deutschland sei. Denn es sei vor allem Robotik gefragt, eine der Stärken hiesiger Institute. „Die Mission hilft, Raumfahrt bekannter zu machen und damit mehr junge Menschen für Naturwissenschaften und Technik zu gewinnen.“

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