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Studium in Deutschland ist oftmals eine ganz enge Angelegenheit.

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"Bologna-Gipfel": Probieren geht über studieren

Bildungsministerin Annette Schavan diskutiert am Freitag in Berlin beim "Bologna-Gipfel" über die Situation an den deutschen Hochschulen. Was hat sich seit den Studentenprotesten 2009 getan?

Bologna war vor zwei Jahren noch ein absolutes Reizwort für Studenten. An dutzenden Universitäten bundesweit besetzten sie ihre Hörsäle, organisierten große Demonstrationen für bessere Studienbedingungen. Bei einem „Bologna-Gipfel“ versprachen ihnen dann Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und die Kultusminister der Länder im Mai 2010 bessere Studienbedingungen. Am Freitag traf man sich nun erneut in Berlin, um über den Stand der Dinge bei Bachelor und Master zu diskutieren. Gesprochen wurde auch über den oftmals schwierigen Zugang zum Masterstudium.

Wie sieht die Situation an den deutschen Hochschulen zwölf Jahre nach der Einführung von Bachelor und Master aus?

In Deutschland gibt es rund 2,1 Millionen Studenten, davon sind 1, 1 Millionen in Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die andere Hälfte studiert noch in den auslaufenden Studiengängen, die mit Diplom oder Magister enden, oder aufs Staatsexamen. Damit ist die Umstellung sehr weit fortgeschritten, die Bologna-Reform gilt als unumkehrbar. Die Reform geht auf eine Vereinbarung von 30 europäischen Staaten von 1999 im italienischen Bologna zurück, einen „gemeinsamen europäischen Hochschulraum“ mit vergleichbaren Abschlüssen zu schaffen.

Doch unter Studierenden ist „Bologna“ nach wie vor umstritten, viele klagen über schlechte Studienbedingungen. Neue Umfragen zeigen jedoch, dass die Bachelorstudenten in etlichen Punkten nicht unzufriedener sind als ihre Kommilitonen in den „alten“ Studiengängen (siehe auch Grafik): 64 Prozent halten das Niveau der Lehrveranstaltungen für gut oder sehr gut, in herkömmlichen Studiengängen sind es 66 Prozent. Gute Noten für den Praxisbezug in der Lehre geben 55 Prozent der Bachelors (andere: 50 Prozent). Allerdings loben nur 27 Prozent die Freiräume für selbstbestimmtes Lernen (andere: 49 Prozent).

Quelle: His
Quelle: His

© Tsp,

Was hat sich seit den Protesten der Studenten 2009 getan?

Der Protest richtete sich vor allem gegen die hohe Arbeits- und Prüfungsbelastung im Bachelorstudium, auch für einen breiten Zugang zu den Masterprogrammen gingen die Studenten auf die Straße. Politik und Hochschulleitungen wiesen Fundamentalkritik zurück, reagierten aber durchaus auf die Proteste. Die Kultusminister wollten „Fehlentwicklungen“ korrigieren. Gemeinsam mit den Hochschulrektoren einigten sie sich auf Maßnahmen, die das Studium „studierbarer“ machen sollen. Lehrveranstaltungen zu einem Themenkomplex (Module) sollen grundsätzlich mit nur einer Prüfung abgeschlossen werden, die Arbeitsbelastung der Studenten auf ein „vertretbares Maß“ reduziert werden. An den Hochschulen bildeten sich vielerorts Runde Tische, an denen Studenten mit Professoren und der Verwaltung diskutierten, wie etwa die Lehrpläne entschlackt oder die Studiendauer flexibler gestaltet werden könnten. Ob es seit den Protesten tatsächlich zu einer Reform der Reform gekommen ist, bleibt umstritten. Fest steht: Die vom Wissenschaftsrat geforderten 1,1 Milliarden Euro im Jahr, die die Hochschulen zusätzlich zu ihrer staatlichen Finanzierung zur Verbesserung der Bedingungen bräuchten, bekommen sie nicht. Mit 200 Millionen Euro jährlich stellt Schavan im „Qualitätspakt Lehre“ nur ein Fünftel der Summe zur Verfügung.

Ist mit neuen Protesten zu rechnen?

Ja, denn Deutschland steht vor einem Studenten-Andrang, wie es ihn noch nie zuvor erlebt hat – und damit werden sich die Bedingungen an übervollen Hochschulen eher noch verschlechtern. HRK-Präsidentin Margret Wintermantel rechnet für das kommende Wintersemester mit 500 000 Studienanfängern. Der Druck der Massen kann zudem ein neues Zulassungschaos auslösen.

Reicht die Zahl der Masterplätze?

„Master für alle“ lautete eine Forderung aus den Studentenprotesten, die Grünen, die Linke und Studierendenverbände erhalten sie aufrecht. Tatsächlich will nach Umfragen weit mehr als die Hälfte der Bachelors weiter studieren. Gleichzeitig drängen immer mehr Studierwillige an die Hochschulen und mehr Bachelorstudierende werden fertig. Ministerin Schavan und der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bernd Althusmann, erklärten am Freitag jedoch, „dass bundesweit kein Mangel an Masterstudienplätzen besteht, wenn die Studierenden flexibel sind“.

Laut Althusmann haben von 4713 Masterstudiengängen 3474 keine Zulassungsbeschränkung. Doch die Unterschiede sind von Land zu Land groß: In Berlin werden für 67 Prozent der Masterprogramme Bestnoten verlangt, in Hamburg für knapp 60 Prozent, in Baden-Württemberg für 58,5 Prozent. Entspannter ist die Lage in Ostdeutschland: In Mecklenburg- Vorpommern sind nur zehn Prozent mit einem NC belegt, in Sachsen 20 Prozent, in Thüringen sind es allerdings auch schon 45 Prozent. „Flexibel“ zu sein, heißt für Studenten also, bundesweit nach einem freien Platz zu suchen.

Wie stehen die Hochschulen zu diesem Problem?

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, warnt vor einer Verharmlosung der Situation. Erstens seien die neuen Studienanfängerplätze, die Bund und Länder im Hochschulpakt bis 2015 schaffen wollen, nur für vier Jahre finanziert, während die Kombination von Bachelor und Master fünf Jahre dauert. Zum anderen könnten mit dem Geld pro Studienplatz zwar preisgünstige Studiengänge in den Geistes- und Sozialwissenschaften finanziert werden, für die Natur- und Ingenieurwissenschaften bleibe es eng. Zudem hielten viele Hochschulen nur 50 Prozent der Kapazität für Masterstudienplätze vor.

Wintermantel schloss sich der Forderung an, dass alle Studenten, die einen Master anstreben, die Möglichkeit dazu haben sollten. Schavan konterte, die Länder seien für die Finanzierung der Hochschulen zuständig und die Bundesgelder im Hochschulpakt „nicht zur Vollfinanzierung gedacht“. Nach dem Jahr 2015 solle jedoch ein Schwerpunkt auf der Finanzierung von Masterstudienplätzen liegen, sagte Schavan.

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