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Schwerer Vogelgrippe-Fall beim Menschen: US-Seuchenbehörde findet gefährliche Mutationen
Mindestens 65 Menschen haben sich in den USA in den vergangenen Monaten über infiziertes Geflügel oder Milchkühe mit H5N1-Viren angesteckt. Aber nur einer erkrankte schwer. Jetzt wurde das Viruserbgut analysiert.
Stand:
Kurz vor Weihnachten hatte die US-Seuchenbehörde CDC bestätigt, dass im Bundesstaat Louisiana eine Person außergewöhnlich schwer an Vogelgrippe (H5N1) erkrankt war. Offenbar hatte sich die nicht näher identifizierte Person über Kontakt mit infiziertem Geflügel angesteckt.
Jetzt haben Analysen des Viruserbguts ergeben, dass die bei diesem Patienten entdeckten Erreger offenbar mehrere neue Genmutationen tragen, erklärte die CDC am Donnerstag. Sie verändern vor allem die Bauanleitung für ein Protein der Virushülle, das Hämagglutinin. Mindestens eine dieser Mutationen („E186E/D“) ist bekannt dafür, die Fähigkeit der Viren zu verbessern, an Zellen der oberen Atemwege des Menschen anzudocken, sie zu infizieren und sich dort zu vermehren.
Die gleiche Mutation war auch im Erbgut von Influenza-Viren entdeckt worden, die aus einem über Wochen schwer an Vogelgrippe erkrankten Teenager im kanadischen British Columbia isoliert worden waren.
Besserer Zugriff auf menschliche Zellen
Offenbar hilft die E186E/D-Mutation dem Influenza-Virus, an der menschlichen Zelle haftenzubleiben. Dazu muss die Virushülle an bestimmte Moleküle auf der Oberfläche der Zellen andocken, sogenannte Rezeptoren. Auf den Zellen der oberen Atemwege ist das vor allem der Alpha-2-6-Rezeptor.
Ein Teil der Viren, den die CDC-Forschenden in den Patienten in Louisiana und British-Columbia entdeckten, war aufgrund einer Mutation in der Lage, an diesen Alpha-2-6-Rezeptor zu binden. Das bedeutet, dass diese Viren bessere Chancen haben, in die Zellen im Rachenraum zu gelangen und sich dort zu vermehren. Das könnte die Gefahr erhöhen, dass in der Atemluft mehr infektiöse Viren enthalten sind. Damit würde das Risiko einer Übertragung von Mensch zu Mensch steigen.
Das sei „keine gute Nachricht“, sagte Scott Hensley, Mikrobiologe der Universität von Pennsylvania, dem Online-Fachportal „STAT“, die zwei Fällen sollten aber auch nicht überinterpretiert werden. Denn offenbar trugen die Vogelgrippe-Viren, die den Louisiana-Patienten ursprünglich infizierten, die E186E/D-Mutationen nicht – sie entstand erst im Laufe der Erkrankung als sich die Viren im menschlichen Körper vermehrten. Denn im Erbgut der Vogelgrippe-Viren, die die Forschenden aus dem infizierten Geflügel isoliert hatten, war die E186E/D-Mutation nicht zu finden.
Nur acht Prozent der aus dem Patienten isolierten Viren hatte die Mutation und damit die Fähigkeit, an den Alpha-2-6-Rezeptor zu binden, betonte die CDC: „Die beobachteten Veränderungen wurden wahrscheinlich durch die Vermehrung dieses Virus in dem Patienten mit fortgeschrittener Krankheit hervorgerufen.“
In die Sackgasse – vorerst
Da offenbar weder der Louisiana-Patient noch der H5N1-erkrankte Teenager in British Columbia weitere Menschen angesteckt haben und nun in Isolation behandelt werden, werden die mutierten Viren mit dem Ende ihrer Erkrankungen aussterben.
Je mehr Menschen infiziert sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein pandemisches Virus entsteht.
Angela Rasmussen, WHO-Beraterin
Gefährlicher wäre die Situation, hätten die Forschenden die mutierten Viren auch in dem infektiösen Geflügel, in Wildvögeln oder Milchkühen entdeckt. Solange das aber nicht der Fall ist, ist das Risiko, dass eine Ansteckung mit H5N1 zu einer Influenza-Epidemie oder -Pandemie unter Menschen führt, noch gering. Zumal ein besseres Andocken an menschliche Zellen allein nicht automatisch zu einer besseren Vermehrung in den Zellen und Übertragbarkeit der Viren führt – dazu bräuchte es noch weitere Mutationen.
Doch jeder Fall einer menschlichen Ansteckung sei zu viel, äußerte sich die Infektiologin und WHO-Beraterin Angela Rasmussen gegenüber der „New York Times“.
Seitdem in den USA im März 2024 Vogelgrippe-Viren auch in Milchkuhbeständen kursieren, haben sich mindestens 65 Menschen mit H5N1 infiziert. Über die Hälfte hatten sich durch Kontakt mit Kühen, die übrigen bei infiziertem Geflügel angesteckt. Allerdings verliefen die in Nordamerika registrierten Erkrankungen meist ohne oder nur mit leichten Krankheitssymptomen – bis auf die Fälle in Louisiana und British-Columbia.
Dieser „explosionsartige“ Anstieg von Fällen sei besorgniserregend, meint Rasmussen: „Wir wissen nicht, welche Kombination von Mutationen zu einem pandemischen H5N1-Virus führen würde, und wir können anhand dieser Sequenzdaten nur sehr wenig vorhersagen. Aber je mehr Menschen infiziert sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein pandemisches Virus entsteht.“
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