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Blick in einen Hörsaal.

© dpa/Martin Schutt

Studienwahl: Keine Gender Studies braucht kein Mensch

Studieren junge Menschen das Falsche, liegt das Arbeitsmarktproblem an kleinen Fächern? Unser Kolumnist wundert sich über solche Fragen und findet insbesondere die Fixierung auf die Gender Studies als Ursprung allen Übels drollig.

Barış Ünal
Eine Kolumne von Barış Ünal

Stand:

Eine überregionale Tageszeitung titelte kürzlich, keine Gesellschaft brauche 70 Prozent Abiturient*innen, die dann Gender Studies studierten. Natürlich muss man nicht über jedes Stöckchen mit herbeifabulierten Zahlen springen – aber Populismus liegt ja im Trend.

Die Frage sei dennoch erlaubt: Warum eigentlich nicht Gender Studies – und was darf es stattdessen sein? Wollen wir den Nachwuchs vom Studium Vorderasiatischer Altertumskunde oder Angewandter Freizeitwissenschaft hinüberlenken zu Tischlereien, Pflegeeinrichtungen und Kindergärten?

Entscheidet in Deutschland nicht ohnehin schon viel zu oft die Herkunft darüber, ob und was jemand studiert? Gilt die freie Studienwahl wirklich für alle – oder bleibt Selbstverwirklichung weiterhin ein Luxus für Kinder aus „gutem Hause“, wo das Erbe den Status sichert und nicht der Bachelor in Friesischer Philologie?

Dass Orchideenfächer als Sündenböcke für die angeblich bevorstehende Verweichlichung der Gesellschaft herhalten müssen, ist nichts Neues. Doch während konservative Politiker*innen und Medien nostalgisch von rissigen Arbeiterhänden, Motoröl und Mettbrötchen schwärmen, ist die Fixierung auf Gender Studies als Stellvertreter*in für alles Übel geradezu drollig. In der Studienberatung sind Ratsuchende, die ernsthaft zwischen einer Promotion in Geschlechterforschung und einer Karriere als Gas-Wasser-Installateur schwanken, rar.

Womöglich liegt das Arbeitsmarktproblem also gar nicht an den kleinen Orchideenfächern? Die Statistik zeigt: Absolvent*innen dieser Studiengänge finden sich letztlich erstaunlich unspektakulär in den unterschiedlichsten Branchen wieder.

Da dies nun aber ein populistischer Artikel ist, sollte man konsequent denken: Warum nicht mal die Ressourcen in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten anzapfen? Dort gibt es sicher ausreichend beeinflussbare Studierende mit flexibler intrinsischer Motivation und wechselhafter Fachbindung. Allein im Deutschen Bundestag sitzen zum Beispiel rund 250 Abgeordnete mit einem Abschluss in Jura oder BWL – aber keine*r mit Gender Studies. Und das braucht eine Gesellschaft ja nun wirklich nicht.

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