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Tropenmediziner kritisiert Umgang mit „Krankeit X“: „Wir können froh sein, dass es kein hochansteckender Erreger ist“
Für die „Krankheit X“ im Kongo nennt die WHO Malaria als mögliche Ursache. Der Tropenmediziner Torsten Feldt fordert schnellere Reaktionen auf Krankheitsausbrüche.
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Nach der vorläufigen Entwarnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu dem mysteriösen Krankheitsausbruch in der Demokratischen Republik Kongo fordert der deutsche Tropenmediziner Torsten Feldt vom Universitätsklinikum Düsseldorf eine schnellere weltweite Reaktion auf solche Ereignisse.
Der Fall habe gezeigt, wie wichtig funktionierende Gesundheitssysteme nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die effektive Erkennung und Eindämmung von Epidemien sind. „Wir können froh sein, dass es sich nicht um einen Ausbruch mit einem neuen, hochpathogenen und hochansteckenden Erreger handelt“, sagte der Tropenmediziner Feldt dem Science Media Center Deutschland (SMC).
Nach ersten Analysen der WHO könnte der Ausbruch in der abgelegenen Region Panzi in der Provinz Kwango durch Malaria ausgelöst worden sein. Ob die Infektionskrankheit allein für die aktuelle Situation verantwortlich ist, sei aber noch unklar, so Feldt, der zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit ist.
Zu lange Reaktionszeit
Die globale Reaktionsfähigkeit müsse verbessert und die Bedeutung von Pandemieprävention und -bekämpfung bekräftigt werden, sagte Feldt angesichts der Krankheitswelle im Kongo. Die schlechte Erreichbarkeit der abgelegenen Region, in der die Epidemie ausgebrochen war, habe die Reaktion erheblich erschwert.
Die Zeitspanne bis zur Einleitung von Maßnahmen und bis zur Verfügbarkeit von Informationen sei zu lang gewesen, kritisiert der Mediziner. So könnten bei bedrohlichen Ausbrüchen Chancen zur Eindämmung verpasst werden. „Wir haben oft genug erlebt, dass sich Krankheitserreger in kurzer Zeit über Kontinente ausbreiten können.“
Angst vor einer Pandemie
Der Ausbruch mit über 400 Erkrankungs- und 31 Todesfällen innerhalb weniger Wochen hatte Befürchtungen geweckt, dass in der Demokratischen Republik Kongo eine neue, noch unbekannte „Krankheit X“ ausgebrochen sei, die auch zu einer weltweiten Pandemie führen könne. Zwischenzeitlich war von den örtlichen Behörden von bis zu 140 Todesfällen die Rede, was die WHO jedoch nicht bestätigte.
Inzwischen hat die WHO in zehn von zwölf medizinischen Proben von Patienten Malaria nachgewiesen. Nach ersten Erkenntnissen sei die Zahl der Erkrankungen nicht – wie oft bei neuen Krankheiten – in kurzer Zeit exponentiell angestiegen, sondern liege im Rahmen dessen, was für die Jahreszeit zu erwarten sei, sagte der WHO-Spezialist Abdi Rahman Mahamad in Genf.
Weitere Proben werden allerdings noch untersucht, auch auf andere Krankheiten und Erreger. Konkrete Ergebnisse werden in den nächsten Tagen erwartet. Betroffen von den Erkrankungen sind vor allem Kinder, insbesondere unter fünf Jahren. Nach Angaben der WHO sind viele Menschen dort unterernährt, was jede Infektion lebensbedrohlich machen kann.
Unterernährte Kinder mit hohem Risiko
Der Tropenmediziner Feldt hält es für plausibel, dass hinter dem Ausbruch auch ein gehäuftes Auftreten verschiedener Infektionskrankheiten steckt. In der Region beginne gerade die Regenzeit, sodass mit einem Anstieg von Atemwegserkrankungen, Grippe und Malariainfektionen zu rechnen sei. Da die Bevölkerung in der abgelegenen Region kaum Zugang zu medizinischer Versorgung habe, hätten vor allem die oft unterernährten Kinder ein sehr hohes Risiko, an diesen Infektionskrankheiten zu sterben.
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann in vielen Fällen Komplikationen und Todesfälle verhindern.
Torsten Feldt, Tropenmediziner am Universitätsklinikum Düsseldorf
„Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann in vielen Fällen Komplikationen und Todesfälle verhindern“, so Feldt. Zwar gebe es eine Reihe wirksamer Präventionsmaßnahmen, die vor allem Kinder schützen könnten, wie zum Beispiel mit Insektiziden imprägnierte Bettnetze, doch seien diese in abgelegenen Gebieten oft nicht ausreichend verfügbar. Eine generelle Stärkung der Gesundheitssysteme in diesen Regionen müsse das Ziel sein.
Das Gesundheitssystem im Kongo ist aktuell stark belastet: Seit Monaten kämpft es gegen den Mpox-Ausbruch mit über 47.000 Verdachts- und mehr als 1000 mutmaßlichen Todesfällen. Zudem herrscht eine Masernepidemie, und die saisonale Grippe breitet sich erneut aus.
Der Tropenmediziner Feldt bemängelt auch den Umgang in den Industrieländern mit Krankheitsausbrüchen, die sie betreffen können: „Wir können Ausbrüche in entlegenen Gebieten nicht ignorieren in der Hoffnung, dass eine Ausbreitung nicht stattfindet“, sagte Feldt. „Dieses Konzept hat sich nicht bewährt.“
Feldt erinnerte auch daran, dass im globalen Süden jedes Jahr Millionen von Kindern – aber auch Erwachsenen – an den Folgen von vermeidbaren und behandelbaren Infektionskrankheiten, unzureichender Gesundheitsversorgung und Mangelernährung sterben, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon Notiz nimmt.
Grundsätzlich seien die Gesundheits- und Krankheitsüberwachungssysteme in vielen Ländern und Regionen Afrikas nicht ausreichend, um auf Epidemien angemessen reagieren zu können. Die Lösung könne nicht punktuell sein, sondern müsse international und langfristig angelegt sein: „Hier ist zum Beispiel das geplante internationale Pandemieabkommen ein wichtiger Punkt.“ (mit dpa)
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