
© imago/Jürgen Ritter
„Wegen des anhaltenden Antisemitismus“: Studierende treten vom Asta der HU Berlin zurück
Zwei HU-Studierendenvertreter treten zurück und machen ihren Kollegen schwere Vorwürfe: Diese hätten „aktiv“ dafür gesorgt, dass sich jüdische Studierende nicht sicher fühlen. Der Asta weist das zurück.
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Neuer Antisemitismus-Streit an der Humboldt-Universität: Zwei Studierendenvertreter sind dort jetzt aus dem „Refrat“ zurückgetreten, weil sie „anhaltenden Antisemitismus“ in dem Gremium sehen. Der „Refrat“ (kurz für Referent*innenRat) ist die Studierendenvertretung der HU, die anderswo für gewöhnlich Asta heißt. Die Zurückgetretenen waren im Refrat für die Finanzen verantwortlich.
„Über die letzten Monate hinweg hat sich der Refrat in eine Richtung entwickelt, die wir nicht mittragen können. Sind wir uns als gewählte Referent*innen doch normalerweise einig, dass wir als Institution gegen jede gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kämpfen, so scheint dieser Konsens nicht für Antisemitismus zu gelten“, heißt es in einem Rücktrittsschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt und durch eine längere Chronik der Eskalation der Ereignisse im Refrat ergänzt ist. Das Studierendenparlament wurde am Montagabend davon informiert.
Die beiden Studierenden erheben in ihrem Schreiben schwere Vorwürfe gegen andere Mitglieder des Refrats. Dieser habe „aktiv dafür gesorgt, dass sich jüdische Studierende an der HU und in Gremien der Studierendenschaft nicht mehr sicher fühlen. Der Refrat ist für diese nicht ansprechbar“, heißt es weiter.
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Sorgen und auch Beschwerden von jüdischen Studierenden würden nicht ernst genommen: Gespräche mit der Antisemitismusbeauftragten der HU würden mit dem Verweis, sie sei „zu einseitig“ abgetan, antisemitismuskritischen Veranstaltungen keine Räume gegeben oder trotz Anfrage nicht öffentlich geteilt. In der Diskussion um Positionierungen seien die „Relevanz und auch Existenz von Antisemitismus grundsätzlich in Frage gestellt“ worden. Der Refrat arbeite auch mit Gruppen zusammen, die den Terrorangriff der Hamas auf Israel als „Freiheitskampf“ glorifizieren würden.
Der Refrat ist für jüdische Studierende und auch für all die Personen, die antisemitismuskritische Arbeit machen, nicht sicher.
Die HU-Studierendenvertreter zum Grund ihres Rücktritts
Letzter Auslöser für den Rücktritt ist nach der Darstellung der Studierenden eine Auseinandersetzung über eine Beratungsstelle für Antisemitismus. Diese sei bereits 2020 vom Studierendenparlament beschlossen, aber nie umgesetzt worden. Das Finanzreferat habe im Sommer einen neuen Anlauf genommen und die Stelle sei vom Studierendenparlament erneut abgesegnet worden. Eine Ausschreibung sei angefertigt, Bewerbungsgespräche terminiert worden.
Auseinandersetzung um Beratungsstelle
Doch Ende Oktober hab der Refrat „auf starkes Drängen einiger weniger Referent*innen“ die Gespräche „mit dem Verweis auf angebliche Verfahrensfehler“ einseitig abgesagt und den beiden Finanzreferenten das Verfahren entzogen. Den Finanzreferenten sei mitgeteilt worden, „dass das Refrat-Plenum, welches über die Einstellungen entscheidet, unabhängig von den Bewerber*innen keiner Empfehlung, die wir als Bewerbungskommission aussprechen würden, zustimmen würde“. Für die beiden Zurückgetretenen ist das „die letzte Grenzüberschreitung, die wir in dieser Struktur erleben konnten“.
Ebenso wird einzelnen Refrat-Mitgliedern in dem Schreiben vorgeworfen, „aktiv“ an der Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften im Mai beteiligt gewesen zu sein. Der Refrat hatte es damals so dargestellt, in einer „Vermittlungsrolle“ zwischen Besetzung und Universitätsleitung tätig gewesen zu sein. Aus der habe man sich aber nach einer Besichtigung des verwüsteten Institutsgebäudes „wegen eindeutig antisemitischen Vorfällen und der sehr präsenten islamistisch militaristischen und antisemitischen Symbolik“ zurückgezogen, so eine Mitteilung damals, was der Refrat jetzt erneut bekräftigte.
„Der Referent*innenRat schafft keinen sicheren Raum mehr. Er ist für jüdische Studierende und auch für all die Personen, die antisemitismuskritische Arbeit machen, nicht sicher“, kritisieren die beiden Zurückgetretenen abschließend. Sie würden hoffen, dass der Refrat irgendwann wieder einen solidarischen Raum für kritische Auseinandersetzungen und Gemeinschaft bieten können. „Um hierauf hinzuarbeiten haben wir aber in diesem RefRat nicht mehr die Kraft“, endet das Schreiben.
Der Refrat wies am Dienstag alle Vorwürfe zurück und sprach von „Falschbehauptungen“, auch wenn die Antisemitismus-Vorwürfe ernst genommen und intern aufgearbeitet würden. Die öffentliche Eskalation sei das Ergebnis „eines sich seit Monaten anstauenden Konflikts“ innerhalb des Refrats, in dem das Finanzreferat zum Schluss keine Mehrheiten mehr für sich habe gewinnen können. Genannt werden in der Erklärung „einige unabdingbare Werte“, die vom Finanzreferat mehr und mehr in Frage gestellt worden seien. Etwa, dass „Betroffenheiten“ wie Antisemitismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit nicht gegeneinander ausgespielt würden, oder Protest an der Universität zu ermöglichen.
Auch zur Beratungsstelle Antisemitismus äußerte sich der Refrat. Der Einstellungsprozess habe inzwischen begonnen, einige Bewerbungsgespräche seien geführt. Das Finanzreferat habe diese Stelle aber im Alleingang konzipieren und umsetzen wollen und damit aus Sicht des Refrats gegen „klare Regelungen“ verstoßen. Die Stelle würde nun „zeitnah“ besetzt.
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