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Die Krisen gehen vielen „an die Nieren“ – bloß eine Redewendung, oder steckt da mehr dahinter?

© Getty Images/SewcreamStudio

Wie Krisen an die Nieren gehen: Nicht nur das Gehirn hat ein Gedächtnis

Nicht nur Nervenzellen können lernen. Offenbar schalten auch Nierenzellen „Gedächtnisgene“ ein, wenn sie gereizt werden.

Sascha Karberg
Eine Kolumne von Sascha Karberg

Stand:

Die Krisen und Katastrophen der vergangenen Wochen und Monate gehen zurzeit vielen Menschen „an die Nieren“. Aber das ist natürlich nur so eine Redewendung. Denn schließlich können nur Nervenzellen Informationen aus der Umwelt verarbeiten und sich merken. Nur das Gehirn hat ein Gedächtnis. Oder?

Diese Frage stellte sich auch Nikolay Kukushkin von der New York University. Der Neurowissenschaftler untersuchte einen Effekt, der bei Tieren weit verbreitet ist: Es lernt sich besser, wenn die Informationen häppchenweise, in gewissen zeitlichen Abständen, aufgenommen werden und nicht mit einem einzigen Schwung ohne Pausen.

Unsere Studie zeigt, dass auch andere Zellen im Körper lernen und Erinnerungen bilden können.

Nikolay Kukushkin, New York University

Diesen Lernrhythmus gibt es auch auf molekularer Ebene: wenn Informationen in Form von Botenstoffen von einer Nervenzelle zur nächsten weitergeben werden, um dort Gene einzuschalten, die an der Gedächtnisbildung beteiligt sind.

Erstaunlicherweise sind diese „Gedächtnisgene“ aber nicht nur in Nervenzellen, sondern auch in vielen anderen Zelltypen aktiv. Haben also auch Darm-, Fett-, Haut- oder eben Nierenzellen so etwas wie ein Gedächtnis?

Auch Nierenzellen schalten „Gedächtnisgene“ ein, wenn sie die richtigen chemischen Signalen bekommen.

© Nikolay Kukushkin/NYU

Kukushkins Team überprüfte diese Hypothese, indem es unter anderem Nierenzellen mit chemischen Signalen reizte. Tatsächlich aktivierte das die Gedächtnisgene, und das stärker und länger, wenn das chemische Signal im typischen Lernrhythmus gegeben wurde. Wenn Nierenzellen also ein Muster in der Abfolge chemischer Signale erkennen, schalten sie ihr „Gedächtnis“ ein. „Das zeigt, dass die Fähigkeit, durch räumliche Wiederholung zu lernen, nicht nur für Gehirnzellen gilt, sondern eine grundlegende Eigenschaft aller Zellen sein könnte“, meint Kukushkin.

Das bedeutet zwar nicht, dass sich Trump-Wahl, Klimakrise oder die sechs in Mathe über das gebeutelte Gehirn hinaus auch noch in alle andere Zellen des Körpers schreibt. Wohl aber könnten sich etwa Darm-, Nieren- und Bauchspeicheldrüsenzellen merken, wie es um die Ernährungsweise eines Menschen bestellt ist, um vorbereitet zu sein.

Seine Forschung deute darauf hin, sagt Kukushkin, „dass wir unseren Körper in Zukunft mehr wie das Gehirn behandeln müssen – zum Beispiel, indem wir uns überlegen, was unsere Bauchspeicheldrüse über das Muster unserer vergangenen Mahlzeiten weiß, um einen gesunden Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten.“

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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