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Bewegte Geschichte. Die 1880 eröffnete Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik im Reinickendorfer Ortsteil Wittenau wird seit 2006 auch für andere Zwecke genutzt, unter anderem für den Maßregelvollzug und als Notunterkunft für Asylbewerber.

© imago/Schöning

Berlin-Reinickendorf: Senat beschließt Bau von Ankunftszentrum für Geflüchtete

In der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik soll künftig die Erstaufnahme von Geflüchteten erfolgen. Die Hangars in Tempelhof könnten dann geräumt werden.

Sie kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, der Republik Moldau, der Türkei oder dem Iran. Noch immer erreichen jeden Monat rund 700 Flüchtlinge Berlin, um hier Asyl zu beantragen. Bislang kamen sie in den ersten Tagen in den Hangars des früheren Flughafens Tempelhof unter. Ihre Bedingungen dort: Zwei Quadratmeter pro Person, nach oben offene Schlafkabinen, keinerlei Privatsphäre. „Schäbig“ nennt der Flüchtlingsrat die Zustände in den Hangars und fordert schon lange die Schließung.

Ende 2019 dürfte es nun soweit sein. Dann soll nach den Plänen des Senats das neue Ankunftszentrum für Flüchtlinge in Reinickendorf auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik eröffnen. Den Start des 20 Millionen Euro teuren Bauvorhabens beschloss der Senat in seiner Sitzung am Dienstag. „Das Ankunftszentrum wird zur besseren und menschenwürdigen Unterbringung von Geflüchteten ab der ersten Stunde beitragen“, sagte der Staatssekretär für Integration, Daniel Tietze, bei der Senatspressekonferenz im Roten Rathaus.

"Flüchtlinge sollen zur Ruhe kommen"

Die Einrichtung wird Platz für 389 Menschen haben, kann bei Bedarf aber durch Verdichtung ihre Kapazitäten auf 540 Plätze erhöhen, versicherte Tietze. Neben der Registrierung soll in dem Ankunftszentrum auch eine erste Gesundheitsuntersuchung und eine unabhängige Verfahrensberatung erfolgen. Der eigentliche Asylantrag wird dagegen weiterhin im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Bundesallee gestellt. „Uns war wichtig, dass die Flüchtlinge erst einmal zur Ruhe kommen“, sagte Tietze. Entscheidend sei eine gute Vorbereitung auf das Erstgespräch im BAMF.

„Eine unabhängige und echte Verfahrensberatung ist das Allerwichtigste“, sagte Bettina Jarasch, integrationspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, dem Tagesspiegel. Früher, erklärt sie, hätten Flüchtlinge erst Wochen oder gar Monate nach ihrer Ankunft ihren Asylantrag stellen können. Inzwischen werden sie aber deutlich schneller, bereits nach wenigen Tagen angehört. Ausschlaggebend für die Asyl-Entscheidung ist dabei maßgeblich das erste Gespräch. „Wenn eine Frau, die sexuell misshandelt wurde, in der Anhörung aus Scham schweigt, kann das für sie negative Folgen im Verfahren haben“, sagte Jarasch.

Ankunftszentrum kein Ankerzentrum

Bislang bietet das Land keine zentrale Verfahrensberatung an, die Ausschreibung dafür läuft. Bis Anfang 2019, hofft Staatssekretär Tietze, soll eine solche dann bereits in Tempelhof geben. Tietze betonte auch, dass das geplante Ankunftszentrum keineswegs mit Ankerzentren, wie sie Innenminister Horst Seehofer (CSU) fordert, gleichgesetzt werden könne. „Die Menschen bleiben nur bis zur Aufnahme ihres Asylverfahrens in der Unterkunft und werden dann auf die Stadt verteilt.“ Seehofers Pläne sehen hingegen vor, dass Flüchtlinge den gesamten Prozess ihres Asylverfahrens in großen Sammelunterkünften abwarten. „Wir halten das für absolut integrationsfeindlich“, sagte Tietze.

Schon jetzt leben auf dem Areal viele Flüchtlinge. Eine Notunterkunft, in der im Moment noch 70 Menschen leben, soll bis Ende des Jahres geschlossen werden. Dafür entsteht gerade ein Tempohome mit 256 Schlafplätzen. Außerdem gibt es noch eine Gemeinschaftsunterkunft für rund 600 Menschen. Bei voller Auslastung werden ab Ende 2019 also 1250 Flüchtlinge auf dem Gelände der ehemaligen Nervenklinik leben. Kein Problem, sagt eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. „Die Verkehrsanbindung mit der U8 ist günstig, es werden sich keine Ghettos bilden.“

Reinickendorf hat bislang nur wenige Flüchtlinge

Reinickendorfs Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) wies darauf hin, dass es seit langem bekannt gewesen sei, dass auf dem Gelände eine Unterkunft für Geflüchtete gebaut werden solle. Insoweit habe ihn die Entscheidung für den Bezirk nicht überrascht, er sei auch vom zuständigen Staatssekretär am Vortag informiert worden. Er hält den vom Senat gewählten Ort objektiv auch deshalb für geeignet, weil die Geflüchteten dort in einer gewissen Abgeschiedenheit erst einmal zur Ruhe kommen könnten. Dennoch sei das Gelände mit U- und S-Bahn gut zu erreichen.

Die Suche nach einem geeigneten Standort war offenbar nicht einfach. Drei Jahre lang habe man eine geeignete Fläche gesucht, hieß es aus der Verwaltung. Für viele Grundstücke, auf denen momentan noch temporäre Flüchtlingsunterkünfte stehen, existieren bereits bezirkliche Nachverwendungspläne – meistens für den Bau von Wohnungen. Insgesamt kann sich Reinickendorf nicht über eine ungerechte Behandlung bei der Zuweisung von Flüchtlingen beklagen. Im Bezirk lebten im Oktober 1033 Betroffene, in Lichtenberg waren es zum gleichen Zeitpunkt 3465, in Pankow 3301.

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