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Schauspielerin und Klima-Aktivistin Irma Trommer ist nach ihrer Teilnahme an einer Straßenblockade für die Letzte Generation verurteilt worden. Als sie sich festgeklebt hatte, musste ein Polizeibeamter sie von der Straße lösen.

© IMAGO/aal.photo

Berliner Aktivistin legt Verfassungsbeschwerde ein: „Letzte Generation“ will gegen Verurteilung vorgehen

Eine Aktivistin der „Letzten Generation“ wurde wegen der Teilnahme an zwei Straßenblockaden verurteilt. Gegen das Urteil von Juni 2023 legt sie nun eine Verfassungsbeschwerde ein.

Stand:

Die Schauspielerin und Klimaaktivistin der „Letzten Generation“ Irma Trommer will eine Verfassungsbeschwerde gegen ihre Verurteilung einlegen. Wie die Gruppe mitteilte, sollte dies noch am Donnerstag gemeinsam mit Rechtsanwält:innen der Kanzlei akm geschehen. Trommer wurde am 6. Juni 2023 wegen der Teilnahme an zwei Straßenblockaden der „Letzten Generation“ im Juli 2022 verurteilt.

In beiden Fällen fiel das Urteil wegen „gemeinschaftlicher Nötigung in mittelbarer Täter:innenschaft“ sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte wegen des Festklebens an der Straße. Trommer wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen geht sie nun vor.

Nachdem das Urteil zunächst in einem Berufungsverfahren am Landgericht Berlin bestätigt wurde und eine Revision vor dem Kammergericht Berlin verhandelt wurde, soll sich jetzt das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall beschäftigen.

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Unterstützt wird die Aktivistin vom Verein „Rückendeckung für eine aktive Zivilgesellschaft“ (RAZ). Der hat die Verfassungsbeschwerde auch koordiniert, an der nach eigenen Angaben Expert*innen für Verfassungsrecht und Strafrecht mitgearbeitet haben.

15.08.2024

Bis Donnerstag, 15. August um 18 Uhr, kann die Verfassungsbeschwerde eingereicht werden. Um 14.30 Uhr sei diese nach Informationen des Tagesspiegels noch nicht beim Bundesverfassungsgericht eingegangen. Auf Nachfrage erklärte der Verein, dass „ab Erhalt des Revisionsentscheids nur ein Monat Zeit zur Ausformulierung einer Verfassungsbeschwerde ist.“ Die Zeit sei knapp bemessen, weshalb „die letzten Stunden heute noch genutzt“ wurden.

Verletzung der Grundrechte

Die Verfassungsbeschwerde rügt demnach die Verletzung von Grundrechten. So sei in den vorherigen Entscheidungen nicht hinreichend gewürdigt worden, „dass die Blockaden im Rahmen einer nach Art. 8 GG grundrechtlich geschützten Versammlung stattfanden“.

Zudem sei die Anwendung des Paragrafen 113 des Strafgesetzbuchs (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) auf das Festkleben auf der Straße ausgeweitet worden, was wiederum das sogenannte Bestimmtheitsgebot für Strafgesetze verletzte. Der Bestimmtheitsgrundsatz besagt, dass eine rechtliche Regelung klar und unmissverständlich sein muss – und zwar so, dass der normale Bürger weiß, welches Verhalten erlaubt oder eben verboten ist.

Die Rechtslage sei laut dem Verein und der Verfassungsbeschwerde nicht eindeutig. „Es bestehen grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen zur Reichweite des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“, teilt der Verein RAZ mit. Zudem gewähre der Artikel 8 des Grundgesetzes allen Deutschen „das Recht, sich friedlich und ohne Anmeldung oder staatliche Erlaubnis zur öffentlichen Meinungskundgabe zu versammeln.“ Das schließe laut RAZ auch Demonstrationen ein, „die den Verkehr stören oder als nervig empfunden werden“.

Zunächst müsse jedoch die Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung angenommen werden. „Wir sind optimistisch, dass im Angesicht der tausenden noch laufenden Verfahren gegen Klimaaktivist:innen und der Besorgnis über die wachsenden Einschränkungen der Versammlungsfreiheit in Europa und weltweit das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung in der Sache treffen wird“, sagt Aktivistin und Klageführerin Trommer. Eine intensive und höchstrichterliche Auseinandersetzung mit der Protestform der Straßenblockade im Zusammenhang mit der Klimakrise sei höchste Zeit.

Der Verein RAZ kritisiert zudem den Umgang mit den Angeklagten. „Wir haben in den letzten zwei Jahren der rechtlichen Betreuung die volle Bandbreite an rechtlicher Ahndung von Straßenblockaden der ,Letzten Generation’ erlebt“, sagt Lilly Schubert, Pressesprecherin des RAZ. „Von vereinzelten Freisprüchen, Einstellungen mit und ohne Auflagen über unzählige Geldstrafen bis hin zu Haftstrafen auf Bewährung und zuletzt 16 Monate Haft ohne Bewährungsmöglichkeit.“

Regelmäßig sei ein „monatelanges Gerichte-Ping-Pong“ zu beobachten, bei dem die Urteile von Amtsgerichten über Landgerichte vor den Oberlandesgerichten landen und wegen Verfahrensfehlern zurück ans Amtsgericht gegeben werden müssen. Für die Angeklagten sei dies eine Tortur und berge „große Unsicherheit bezüglich zu erwartender Konsequenzen“.

Die Verfassungsbeschwerde ist der erste Einzelfall von Protesten der „Letzten Generation“, der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird. Sie wird jedoch eine künftig eine wichtige Rolle spielen: Weil zu erwarten sei, dass in den kommenden Monaten weitere Beschwerden eingereicht werden, gebe es, so der Verein, viel rechtlichen Klärungsbedarf im Umgang mit den Straßenblockaden.

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