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Berlin: Alle gegen Nazis – und gegeneinander

Bei ihrer Debatte über Rechtsextremismus kamen die Abgeordneten nicht ohne Schuldzuweisungen aus

Streitpunkte gab es genug vor der Aktuellen Stunde des Abgeordnetenhauses, die unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“ stand. Da war Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, der der Bundesregierung vorwirft, der NPD die Anhängerschaft zuzutreiben. Da war auch der von CDU- und FDP-Bezirksverordneten getragene Beschluss des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf, am 8. Mai der Leiden der Deutschen zu gedenken und den Tag der Befreiung ein wenig umzuinterpretieren. Und da war der Versuch des Grünen-Fraktionschefs Volker Ratzmann im Abgeordnetenhaus, CDU und FDP eine düstere Sympathie mit diesem Vorgehen zu unterstellen. Da war schließlich die Frage, ob man fraktionsübergreifend einen neuen Versuch befürworten würde, die NPD zu verbieten.

Natürlich konnte es sich PDS-Fraktionschef Stefan Liebich nicht nehmen lassen, CDU und FDP wegen der Steglitz-Zehlendorfer Peinlichkeit noch einmal vorzuführen. Liebich forderte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer und FDP-Fraktionschef Martin Lindner auf, den Beschluss ihrer Bezirksverordneten „zu korrigieren“: als werde korrektes Gedenken von oben nach unten durchgestellt. Liebich, der nette junge Mann von der Linken, hat es bei solchen Gelegenheiten leicht, übergeordnete Wahrheiten zu verkünden, etwa von der Art: „Keinen Job zu haben, ist kein Grund, Nazis zu wählen“.

Wohl wahr. Doch der Stoiber-Schröder-Streit entspricht zu sehr dem Muster parteipolitischen Streits, als dass die Berliner Kombattanten daran vorbeigekommen wären. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nutzte die Gelegenheit für eine staatsmännische, ernste Rede, sprach von der großen gemeinsamen Kundgebung im Zentrum der Hauptstadt „gegen die Feinde der Demokratie“, vom „deutlichen Signal“, vom „Nein der deutschen Hauptstadt zum Vergessen“. Sehr getragen, sehr gediegen – zwei Minuten zuvor hatte er noch kurz gegen CDU und FDP wegen der Steglitz-Zehlendorfer Peinlichkeit gekeilt und noch mal extra heftig gegen Stoiber wegen seines Angriffs auf den Bundeskanzler.

Es ging in dieser Debatte wieder einmal darum, die demokratische Mitte zu vereinnahmen, Geschichtspolitik in dem Sinn zu machen, dass das Publikum erkennt, wer am meisten gelernt hat aus Geschichte, wer der beste Demokrat ist. SPD-Fraktionschef Michael Müller ging es klug und geschickt an – er zitierte Richard von Weizsäcker und dessen goldene Rede von 1985, um zu erinnern, was man aus dem 8.Mai zu lernen hat.

CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer, nicht unbedingt ein Stoiber-Fan, hatte ein Müntefering-Zitat zu bieten, das bewies: Auch die Sozialdemokratie hatte mit dem Argument hantiert, die Arbeitslosigkeit nutze den Rechtsextremen.

Nein, ein Übermaß an Gemeinsamkeiten war nicht zu bemerken. Man war sich nicht einig über einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. Auch nicht darüber, ob man den 8. Mai zur Demonstration gegen die Rechtsextremen nutzt. Nicolas Zimmer wie Wowereit sprachen sich immerhin für eine besondere Gedenkveranstaltung am Brandenburger Tor aus. Zu so viel Gemeinsamkeit wird es wohl reichen.

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