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Die Gutachter des Wissenschaftlichen Dienstes sehen wenig Spielraum für eine Ausweitung des Wahlrechts.

© dpa / Michael Kappeler

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Ausweitung des Wahlrechts für Ausländer: Berliner Parlamentsjuristen sehen kaum Chancen für Reform

Rot-grün-rot will, dass EU-Ausländer auch auf Landesebene wählen dürfen. Ein Gutachten des Parlamentarischen Dienstes sieht dafür wenig Chancen.

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Der Wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses hält die Einführung eines Wahlrechts für EU-Ausländer auf Landesebene nicht für vereinbar mit dem Grundgesetz. Auch ein Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer auf Bezirks- oder Landesebene verstoße gegen die Verfassung, heißt es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes. Zuvor hatte die Berliner Morgenpost darüber berichtet.

Das Gutachten, das von der AfD-Fraktion in Auftrag gegeben wurde, könnte die Bestrebungen der rot-grün-roten Koalition, das Wahlrecht in Berlin auszuweiten, erheblich bremsen. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und Linke darauf verständigt, sich für ein „aktives Wahlrecht auf Landes- und Bezirksebene auch für Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die seit mindestens fünf Jahren in der Stadt leben, zu ermöglichen.“ Im Oktober fordert die drei Fraktionen dann den Senat auf, für eine entsprechende Initiative im Bundesrat hinzuwirken.

Der Umweg über den Bundesrat machte bereits ersichtlich, dass sich die Koalition der verfassungsrechtlichen Hürden durchaus bewusst war. Sowohl der Wortlaut der Berliner Verfassung als auch des Grundgesetzes stehen einem Wahlrecht für Ausländer zurzeit entgegen. Über die Länderkammer sollte auf eine Änderung des Grundgesetzes hingewirkt werden, um das Vorhaben verfassungsmäßig gestalten zu können.

Verfassungsänderung würde wohl in Karlsruhe scheitern

Doch die Einschätzung des Wissenschaftliches Dienstes dämpft auch die Hoffnung, dass dies gelingen könnte. Denn die Haus-Juristen des Parlaments gehen davon aus, dass eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes vor Bundeverfassungsgericht scheitern würde.

Im Gutachten heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu den Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG im Zusammenhang mit einem Ausländerwahlrecht bislang nicht explizit geäußert. Nach hiesigem Verständnis spricht allerdings aufgrund seiner bisherigen Rechtsprechung viel dafür, dass es eine Verfassungsänderung für alle drei Ebenen für unzulässig halten dürfte.“

Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes ist die sogenannte Ewigkeitsklausel im Grundgesetz. Sie schützt die 19 Grundrechte sowie die Verfassungsgrundsätze im Artikel 20 vor wesentlichen Veränderungen. Zu den Verfassungsgrundsätzen gehört auch, dass „alle Staatsgewalt vom Volke“ ausgeht. Dieses sei, so die Gutachter  „entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der ganz herrschenden Meinung in der Literatur – das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland“, das „von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen gebildet wird“.

Dass EU-Ausländer bereits heute auf Kommunalebene, also auch auf Bezirksebene, wählen können, liege nicht an einer Ausweitung des Begriffs des Staatsvolks, so die Juristen, sondern sei Folge einer „Umsetzung europarechtlicher Vorgaben im Jahr 1992“. Damals ist das Grundgesetz entsprechend angepasst worden.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Klara Schedlich sagte dem Tagesspiegel angesichts des Urteils, dass sich die Grünen weiterhin „für eine Gesellschaft, in der alle teilhaben können“ einsetzen. „Politik schafft die Rahmenbedingungen und muss auch das geltende Recht zeitgemäß anpassen und gestalten.“ Der Bund ist Schedlich zufolge ebenfalls in der Pflicht. „Wir werden alles tun, was wir können, um weiter für ein Wahlrecht für alle zu kämpfen, die bei uns ihren Lebensmittelpunkt haben“.

Bestrebungen von SPD, Grünen und Linken haben sich in einem weiteren zentralen Projekt als verfassungswidrig erwiesen.

Björn Jotzo, Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus

Kristin Brinker, Vorsitzende der AfD-Fraktion, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, sagte: „Das Gutachten bestätigt die Rechtsauffassung der AfD, der zufolge jegliches Wahlrecht für Ausländer, das über die kommunale Mitwirkung von EU-Bürgern hinausgeht, verfassungswidrig wäre“. Man werde „genau beobachten, ob SPD, Grüne und Linke an ihren entsprechenden Plänen festhalten und damit bewusst Verfassungsbruch begehen wollen“.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Jotzo, kritisierte die Koalition. „Die Bestrebungen von SPD, Grünen und Linken haben sich in einem weiteren zentralen Projekt als verfassungswidrig erwiesen.“ Das Gutachten bestätige „die Rechtsauffassung der Fraktion der Freien Demokraten, wonach eine Ausweitung des Wahlrechts auf weitere Bevölkerungskreise mit den Verfassungen von Bund und Berlin nicht vereinbar ist.“

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