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Bewohner:innen eines Hauses in der Neuköllner Anzengruber Straße fordern auf Transparenten die Ausübung des Vorkaufsrechts.

© picture alliance/dpa

Berlin macht nach Urteil Druck: Ländermehrheit für Rettung des Vorkaufsrechts – aber Bayern legt Veto ein

Das Vorkaufsrecht zum Schutz der Kieze ist gekippt. Berlin will das Bundesrecht daher nun ändern, andere Bundesländer auch. Nur der Freistaat blockiert.

Berlin kann bei der Rettung des Vorkaufsrechts für den Milieuschutz per Gesetzesreform im Bund auf Unterstützung anderer Länder zählen. Bei der Bauministerkonferenz am Freitag habe es „große Einigkeit unter den Bundesländern“ gegeben, dass das Vorkaufsrecht rechtssicher ausgeübt werden können muss, um „die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung auch für die Zukunft nachhaltig zu sichern“.

Das erklärte die von Sebastian Scheel (Linke) geführte Senatsbauverwaltung dem Tagesspiegel. Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Vorkaufsrecht jüngst teils gekippt: Der Vorkauf durch den Staat dürfe nicht auf der Vermutung beruhen, der Käufer könnte Mieten anheben oder das Mietshaus aufwerten.

Auch Hamburgs Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) forderte eine rasche Klarstellung. Die Bauminister fassten aber keinen Beschluss, den hat Bayern laut Thüringens Bauministerin Susanna Karawanskij (Linke) per Veto verhindert.

„Kommunale Vorkaufsrechte in Gebieten mit Sozialer Erhaltungsverordnung helfen in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten dabei, Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung aus ihren angestammten Quartieren zu schützen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht dieses Instrument in Frage“, sagte Stapelfeldt.

Daher müsse nun schnellstmöglich eine Klarstellung im Baugesetzbuch her, sagte die SPD-Politikerin aus Hamburg. Darüber bestehe große Einigkeit unter den Ländern. „Ziel muss es sein, dass Gemeinden ihre Vorkaufsrechte rechtssicher anwenden und so die Maßgaben der Sozialen Erhaltungsverordnungen durchsetzen können“, erklärte die Senatorin.

Dorothee Stapelfeldt ist seit 2015 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg. Zuvor war sie Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft.
Dorothee Stapelfeldt ist seit 2015 Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg. Zuvor war sie Zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Wissenschaft.

© Jens Rüssmann

[Vorkaufsrecht ausgehebelt: Das folgt aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – alle Details bei Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Bemerkenswert ist Bayerns Veto, weil die Stadt München, Hauptstadt des Freistaats, als Vorreiter beim Vorkaufsrecht für den Milieuschutz beim Vorkaufsrecht war. Die Berliner Senatsbauverwaltung erklärte dazu etwa: „Auch in anderen Bundesländern – allen voran in München sogar seit 1993 – war die Vorkaufsrechtspraxis der Kommunen dieselbe wie in Berlin.“

Sebastian Scheel ist Senator für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin.
Sebastian Scheel ist Senator für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas

Und Bausenator Scheel selbst sagte nach dem Leipziger Urteil: "Das Druckmittel der Stadt ist damit wirkungslos. Bisher konnten die Bezirke das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten ausüben, wenn private Käufer keine Abwendungsvereinbarungen abschließen, die hohe Mieten und Luxussanierungen ausschließen. Denn damit erklärte sich der Käufer nicht dazu bereit, sich den Zielen der Erhaltungssatzungen zu unterwerfen."

Die Mieten könnten steigen? Kein Grund fürs Vorkaufsrecht

Das Bundesverwaltungsgericht habe "ein riesiges Problem für alle Ballungsräume mit Wohnungsnot geschaffen". Tatsächlich nutzten auch andere Großstädte wie Hamburg das Vorkaufsrecht zum Schutz der Kieze und ihrer Bewohner – aber keine so exzessiv wie Berlin, dort besonders das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mit dem umstrittenen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne).

Dieses Bezirksamt war es auch, dessen Vorgehen nun zu einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geführt hat. Es entschied am 9. November, dass die in Berlin übliche Vorkaufsrechtspraxis von Grundstücken aus Gründen des Milieuschutzes in Teilen rechtswidrig ist. 

Das Vorkaufsrecht darf demnach nicht in der Annahme ausgeübt werden, dass ein Käufer in der einige Jahre entfernten Zukunft gegen die Ziele des Milieuschutzes verstößt, also Mieter aus der Immobilie verdrängen, könnte.

[Nach dem Urteil zum Vorkaufsrecht: Stehen die Milieuschutzverträge für 9000 Berliner Wohnungen auf der Kippe? Antworten bei Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Maßstab für das Vorkaufsrecht darf nach Ansicht der Richter jedenfalls nicht die reine Erwartung sein, wie ein Käufer mit der Liegenschaft umgehen wird. Es hob damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) von 2019 auf und gab einer klagenden Immobiliengesellschaft recht. 

Friedrichshain-Kreuzberg und Florian Schmidt – Hotspot des Vorkaufsrechts

In dem Fall geht es um das Vorgehen des Bezirksamts Friedrichshain Kreuzberg und 2017 war das Bezirksamt bei einen Immobiliendeal mit einem Mietshaus in der Heimstraße im Bergmannkiez eingeschritten, ein landeseigenes Wohnungsunternehmen übernahm das Haus mit 20 Wohnungen im Milieuschutzgebiet Chamissoplatz.

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Dabei bestand eine Mietpreisbindung durch Fördermittel bis zum Jahr 2026. Der Bezirk begründete sein Vorgehen damit, dass die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten werden soll. Nach Ende der Preisbindung könnten erhebliche Mietsteigerungen drohen und Wohnungen in Eigentum umgewandelt werden. Das Unternehmen wollte sich nicht per Abwendungsvereinbarung zu moderaten Mieten verpflichten.

Vor dem Verwaltungs- und dem Oberverwaltungsgericht war das klagende Immobilienunternehmen noch gescheitert. Das Wohl der Allgemeinheit, zu erwartende Umwandlungen und Mietsteigerungen, rechtfertigten das Einschreiten, befanden die Vorinstanzen. 

Das Bundesverwaltungsgericht hob die Entscheidungen der Vorinstanzen dann auf. Demnach durfte das Bezirksamt das Vorkaufsrecht nicht ausüben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluss des Vorkaufs lägen in diesem Fall vor. Da sich das Vorkaufsrecht sich in den vergangenen Jahren zum mächtigen Instrument der Berliner Wohnungspolitik entwickelt hat, ist der Politik auf Landes- und Bezirksebene nun ein wichtiges Instrument genommen worden.

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