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Diese über zwei Meter hohe Bronzeskulptur wurde aus einer Treptower Parkanlage gestohlen.

© Polizei Berlin

Berlin-Treptow: Bronzeskulptur gestohlen: Kunst-Dieb zu Geldstrafe verurteilt

Eine Bronzeskulptur aus Treptow wurde gestohlen, zersägt und anschließend als Schrott verkauft – kein Einzelfall in Berlin.

Ein leerer Sockel – mehr war von der Bronzeskulptur mit dem Titel „Schwimmer“ nicht übrig geblieben. In Treptow, in der Kiefholzstraße, Ecke Hohenbirker Weg hatte sie gestanden, doch die Figur war schon lange gestohlen, als ein Anwohner ihr Fehlen am vierten Mai des vergangenen Jahres bei der Polizei meldete.

Drei Monate später konnte der Diebstahl aufgeklärt werden. Einem der mutmaßlichen Täter sollte nun am Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten der Prozess gemacht werden. Die Anklage geht wahlweise von Diebstahl im besonders schweren Fall oder Hehlerei aus. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass der 36-Jährige aus Brandenburg die Skulptur entweder selbst entwendet oder diese vor dem Verkauf von einem bislang unbekannten Dritten erworben hat, obwohl er von ihrer Herkunft wusste.

Weil Christian R. jedoch fehlte, erließ der Richter einen Strafbefehl: 2800 Euro soll er zahlen. Eine Ausnahme ist der Fall nicht – René Allonge, Leiter des Dezernats Kunstdelikte beim Landeskriminalamt, spricht von fünf bis zehn Fällen jährlich, in denen Kunstwerke aus dem öffentlichen Raum entwendet werden.

Meistens gehe es nicht um den Wert der Kunst

Meistens gehe es den Dieben nur um den Materialwert, nicht um den Wert der Kunst, sagt der Kriminalhauptkommissar. Und deswegen würden die Arbeiten in den allermeisten Fällen auch nicht wieder auf den Kunstmarkt zurückfinden. Stattdessen würden sie bei Schrotthändlern landen, berichtet Allonge. Ähnliches ist auch dem „Schwimmer“ – 1966 von der DDR-Künstlerin Gertrud Classen erschaffen – widerfahren. 184,80 Euro soll Christian R. von einem Schrotthändler für die Einzelteile der Skulptur, die 1975 aufgestellt worden war, bekommen haben. Im Vorfeld war die Figur zerlegt worden.

Das Gericht verhängte gegen den wegen kleinerer Delikte vorbestraften Mann auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Strafe von 140 Tagessätzen zu je 20 Euro. Gegen dieses Urteil kann der mutmaßliche Kunstbanause Rechtsmittel einlegen – dann käme es zu einem erneuten Prozesstermin. Das zersägte Kunstwerk wurde dem Bezirk zurückgegeben. Die Figur solle saniert werden, sagte der Richter: „Aber noch fehlt das Geld.“

Eins der größten Probleme sei, sagt Allonge, dass das Fehlen eines Werks oft niemandem auffällt. Dabei müsse man schnell handeln: „Erfahrungsgemäß setzen die Diebe die gestohlene Kunst schnell um.“ Die Vorfälle passieren überwiegend nachts, die Täter heben das Fundament aus seiner Verankerung, flexen sperrige Teile auseinander, aber transportieren meist das Werk in seiner Gänze vom Tatort weg, um es anderswo zu zerlegen.

Das Kunstwerk wird oft am nächsten Tag an den Schrotthändler verkauft

Oft wird das Kunstwerk schon am folgenden Tag an einen Schrotthändler verkauft. Die Häufigkeit der Fälle hänge vom Metallpreis ab, sagt Allonge. Gerade befindet sich der Preis relativ weit unten. Rund 5,18 Euro erhält man aktuell für ein Kilogramm Kupfer, und Bronze muss mindestens zu 60 Prozent aus Kupfer bestehen. Der erste Weg der Polizei führe zuallererst zum zuständigen Grünflächenamt, beschreibt Allonge, und dann direkt zu diversen Schrotthändlern. Über diesen Weg konnte auch der „Schwimmer“ gefunden werden. Meistens würden die Diebe von Kunstwerken aus dem öffentlichen Raum aus Osteuropa, insbesondere Bulgarien kommen, sagt Allonge.

Über 290 Kunstwerke, Denkmäler und Zierbrunnenanlagen gibt es allein in Mitte. Das sei eine schöne Sache, findet der Kriminalhauptkommissar. Umso trauriger sei es, wenn diese Arbeiten einfach von der Bildfläche verschwinden. Schließlich würden die Menschen Bezüge zu den Werken aufbauen. Abgesehen davon, dass Skulpturen, von denen keine Gussform mehr existiert, unwiederbringlich zerstört sind, wenn sie einmal zersägt wurden. Besonders schlimm seien die Fälle auf Friedhöfen.

Die Liste der verschwundenen Werke ist lang

Die Liste der Werke, die seit 1990 in Berliner Bezirken verschwunden sind, ist lang. Da wäre etwa die Bronzeskulptur „Die große Liegende“ vom Künstler Siegfried Kropp, die 2013 aus dem Park am Obersee gestohlen wurde. Oder Fritz Kühns’ „Feuerschale“, die man 2012 aus dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde entwendete. Im selben Jahr war auch die Skulptur „Männlicher Akt Tomski“ von Sabina Grzimek aus dem Marzahner Bürgerpark geklaut worden und am Husemannplatz fehlt seit geraumer Zeit der „Bär“ von Künstlerin Birgit Horota. Auch im Bürgerpark Pankow vermisst man künstlerische Arbeiten, die dort einst standen, genauso wie im Volkspark Prenzlauer Berg. Die Aufklärungsquote der Fälle lag 2017 bei etwa 40 Prozent – bei rund 50 Kunstdiebstählen. Für Diebstähle von Kunst aus dem öffentlichen Raum gibt es keine gesonderte Zahl.

Für den Erhalt der Kunstwerke geben die Bezirke jährlich beträchtliche Summen aus. Der durchschnittliche jährliche Bedarf an Pflege und Unterhaltung wird vom Abgeordnetenhaus auf 30.000 Euro pro Bezirk geschätzt. Mitte beispielsweise hat im Zeitraum 2015 bis 2017 insgesamt 501.300 Euro für die Restaurierung von Denkmälern aus Titeln des Straßen- und Grünflächenamtes ausgegeben. Maßnahmen, um die Werke vor Diebstahl zu schützen, gibt es nicht.

Eine Maßnahme zu finden ist schwierig

Das sei unverhältnismäßig teuer, heißt es etwa aus dem Bezirksamt Treptow. Nachdem mehrfach versucht wurde, Skulpturen aus dem Volkspark Friedrichshain zu stehlen, was bei einigen Werken auch gelang, wurden einige Kunstwerke im Februar 2014 in einem Werkhof eingelagert: die „Schwimmerin“, der „Mädchenakt“, „Turnübung“ und „Große auf einem Bein“. Von anderen, besonders wertvollen Arbeiten sollen Abgüsse gemacht worden sein, teilte das Berliner Abgeordnetenhaus schon im vergangenen Jahr mit.

Die Polizei habe in einigen Parkanlagen auch schon verstärkt Streifendienst eingesetzt, erinnert sich Allonge. Allerdings sei dann an anderer Stelle in der Stadt ein Kunstwerk gestohlen worden. Es sei schwierig, eine Maßnahme zu finden, die die Sicherheit wirklich gewährleistet, sagt der LKA-Kommissar.

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