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Wie schätzen Sie die Bedeutung des Engagements junger Menschen ein, Herr Tretbar? Anne Jeglinski, Stv. Geschäftsführerin beim Paritätischen, Josefine Przybyl und Maria Faust vom Boeseclub (v.l.).

© Holger Gross / Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e. V.

Berliner Freiwilligentage sind gestartet: „Engagement sichern und weiterentwickeln – jetzt!“

Ohne Ehrenamt steht vieles still. Die Freiwilligentage würdigen ihr Tun und laden zum Mitmachen ein. Die Auftaktveranstaltung zeigt, was es für nachhaltiges Engagement braucht.

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Was Ehrenamtliche täglich leisten, bleibt oft unsichtbar. Sichtbar wird es kurioserweise erst, wenn es fehlt – oder wenn es einfach mal sichtbar gemacht wird. So wie bei der zehntägigen „Gemeinsamen Sache – Berliner Freiwilligentage“ (12. bis 21. September), zu denen der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin und der Tagesspiegel gemeinsam einladen.

Bei rund 200 Mitmach-Aktionen, organisiert von Ehrenamtlichen in der ganzen Stadt, können Interessierte ausprobieren, wie es ist, Räder für Geflüchtete zu reparieren, beim Cleanup an Land oder im Wasser mitanzupacken, Stolpersteine zu putzen und sich als Mentor:in im Programmier-Crash-Kurs zu versuchen. Im Idealfall macht es den Beteiligten dann so viel Spaß, dass sie sich anstecken lassen und weitermachen mit dem Engagement.

Die ehrenamtlichen Musiker bescherten die Auftaktmusik: Freed from Desire, Gala.

© Holger Gross / Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e. V.

Mit dem Auftakt der Freiwilligentage am Freitag im Roten Rathaus wurden die Projekttage offiziell eröffnet – und die etwa 250 anwesenden Gäste für ihr Tun wertgeschätzt: durch die schmissigen Musikbeiträge der Band Einfach Spielen e.V. und durch Wortbeiträge, etwa vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der auch Schirmherr der Freiwilligentage ist.

Martin Hoyer, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands (links), und der Regierende Kai Wegner erwähnten beide die Demonstration gegen Kürzungen im sozialen Bereich.

© Holger Gross / Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e. V.

Die Polit-Prominenz, Vertreter des Paritätischen und auch Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar waren sich darüber einig, dass Ehrenamt etwas ist, das man eigentlich nicht missen möchte. Es hilft oft an der richtigen Stelle, macht die Stadt ein Stück schöner und hat offenbar etwas mit Demokratie zu tun.

Mit 14 Jahren schon engagierte Vize-Präsidentin im Boseclub und mit Maria Faust und Christian Tretbar auf dem Podium im Roten Rathaus: Josefine Przybyl.

© Holger Gross / Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e. V.

„Zehntausende Berlinerinnen und Berliner engagieren sich in unserer Stadt ehrenamtlich für ihre Mitmenschen, für soziale Projekte, für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte Wegner. Ohne dieses Engagement wäre Berlin sehr viel ärmer. Vieles würde nicht funktionieren.

Das wurde zuletzt beim rund 60-stündigen Stromausfall im Berliner Südosten deutlich: Hunderte ehrenamtliche Helfer:innen vom Technischen Hilfswerk (THW) waren Tag und Nacht im Einsatz.

Dass die 14-jährige Josefine Przybyl am Freitag im Roten Rathaus auf dem Podium saß, zeigt: Auch junge Menschen sind aktiv und engagieren sich. Gerade wenn, wie Christian Tretbar sagte, ihre Lebensrealität vielfach von Social Media geprägt sei, könne „frühes Engagement eine wertvolle Grundlage für ihr weiteres Leben bilden.“

Przybyl engagiert sich im Boseclub in Trägerschaft des Nachbarschaft- und Selbsthilfezentrums der UFA-Fabrik e.V. Der Club hat einiges zu bieten: Kochtag, Kreativwerkstatt, „Toberaum“. Aber es brauche eine langfristigere Planung und Finanzierung, damit eine Verbindung zu den Kindern aufgebaut werden könne, sagte Maria Faust, ebenfalls engagiert im Boseclub.

„Haushaltslage, die nicht ganz einfach ist“

Was passiert in einer „Haushaltslage, die nicht ganz einfach ist“, wie Wegner sagte, und in der der Geschäftsführer des Paritätischen, Martin Hoyer, wie viele andere Kürzungen befürchtet? Wie stark stehen Engagement-Strukturen auf der Kippe?

Am Donnerstag hatten parallel zur ersten Lesung für den Doppelhaushalt 2026/27 mehrere tausend Menschen vor dem Abgeordnetenhaus gegen Kürzungen bei sozialen Projekten demonstriert.

Laut Berechnungen der Bildungsverwaltung fehlen bei Tarifmitteln für Angestellte freier Träger 6,4 Millionen Euro. Wegner machte nun bei der Auftaktveranstaltung das Zugeständnis, sich dafür einsetzen zu wollen, dass die Summe ausgeglichen würde.

Ein Blick in die Bezirke zeigt am Beispiel Pankow, wie es laut Haushaltsplan-Entwurf um den Geschäftsbereich Soziales bestellt ist. 346.000 Euro müssten bei Begegnungs- und Nachbarschaftsangeboten in 2026/27 gekürzt werden, im Vergleich zu 2025 etwa 30 Prozent. Ob pauschal gekürzt oder einzelne Projekte gestrichen werden, ist noch unklar.

Zum Start der Freiwilligentage veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin gemeinsam mit Partnerorganisationen ein Empfehlungspapier mit dem vielsagenden Titel „Freiwilliges Engagement sichern und weiterentwickeln – jetzt!“. Darin wird aufgezeigt, wie die Rahmenbedingungen für Ehrenamt und soziale Arbeit verbessert werden können: Kürzungen in der Stadtteilarbeit verhindern, Ressourcen und Räume für Engagierte und Initiativen schaffen und bürokratische Hürden abbauen.

Was braucht Engagement noch? Öffentliche Wahrnehmung. Dem Tagesspiegel sei es ein Anliegen, die Arbeit Ehrenamtlicher sichtbar zu machen. „Natürlich gelingt das nicht jeden Tag, denn oft stehen Krisen und politische Konflikte im Vordergrund“, sagte Tretbar. „Dennoch sehen wir es als unsere Aufgabe, den Geschichten Engagierter Raum zu geben, die unmittelbar aus den Menschen selbst entstehen.“

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