
© dpa/Jörg Carstensen
Berliner Friedhof der Sozialisten unter Polizeischutz : Unbekannte stehlen Gedenktafeln von Luxemburg, Liebknecht und Ulbricht
Auf der Gedenkstätte in Lichtenberg sind am Montagvormittag mehrere Metalltafeln gestohlen worden. Die Polizei ermittelt jetzt wegen schweren Diebstahls.
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Objektschützer der Berliner Polizei bewachen nach Tagesspiegel-Informationen jetzt auch den Friedhof der Sozialisten in Friedrichsfelde. Denn am Montagvormittag machte der Friedhofsbetreuer eine erschreckende Entdeckung auf der im Bezirk Lichtenberg befindlichen Anlage.
Mehrere Gedenktafeln aus Metall, die an große deutsche Arbeiterführer erinnern, sind gestohlen worden. Die Tafeln aus Kupfer und Messing sind nach Tagesspiegel-Informationen aus Granitplatten an der Gedenkstätte der Sozialisten entfernt worden.
Die Kriminalpolizei ermittelt jetzt wegen schweren Diebstahls in zehn Fällen und bittet um sachdienliche Hinweise. Diese können an jede Polizeidienstelle gegeben oder per E-Mail eingereicht werden.
Hinweise auf die Täter gibt es bislang nicht. Gestohlen wurden unter anderem die Gedenktafeln für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Ob ein Zusammenhang mit dem Diebstahl mehrerer Bronzeskulpturen aus dem öffentlichen Raum, zumeist auf Friedhöfen, besteht, ist unklar.
Ende Februar bat die Polizei um Hinweise zu den Fällen. Bezirksübergreifend waren seit Ende November insgesamt fünf Skulpturen und eine Kirchenglocke entwendet. Darunter war auch eine Bronzeplastik mit dem Kopf von Kommunistenführer Ernst Thälmann.
Auch Tafel von Walter Ulbricht entfernt
Die Polizei will wissen, ob Skulpturen etwa Kunst- und Altmetallhändlern zum Kauf angeboten wurden. Ein Kommissariat für Kunstdelikte beim Landeskriminalamt (LKA) ermittelt.
Ob das LKA nun auch zum Sozialistenfriedhof ermittelt, blieb zunächst unklar. Eine Sprecherin der Polizei bestätigte den Fall. Ob auch hier das LKA die Ermittlungen übernehmen wird oder der Fall von der örtlichen Direktion weiter als nur als Buntmetalldiebstahl bearbeitet wird, müsse noch entschieden werden.
Auf dem Sozialistenfriedhof wurden auch die Tafeln des früheren DDR-Staats- und SED-Chefs Walter Ulbricht, der die Berliner Mauer errichten ließ, aus der Graniteinfassung entfernt.
Betroffen ist auch die Tafel für Otto Grotewohl, der in der sowjetisch besetzten Zone des Nachkriegsdeutschlands die SPD in die Zwangsvereinigung mit der KPD zur SED geführt hatte und vorn 1949 bis 1964 Ministerpräsident der DDR war.
Weitere Tafeln, die gestohlen wurden, erinnerten an John Schehr, Franz Mehring, Franz Künstler und des Schriftstellers Franz Carl Weiskopf.
- Schehr war Kommunist, Vize von KPD-Chef Ernst Thälmann und kurze Zeit – bis zur Machtergreifung Hitlers – Reichstagsabgeordneter. Die Nazis nahmen ihn Ende 1933 fest, 1934 wurde er auf dem Schäferberg erschossen.
- Mehring war Sozialdemokrat, marxistischer Historiker und Publizist mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie. Zum Ende des Ersten Weltkriegs wandte er sich den Kommunisten zu und starb.
- Franz Künstler war Gewerkschafter, Politiker und Widerstandskämpfer – und Sozialdemokrat, ab 1924 Vorsitzender des SPD-Bezirks Groß-Berlin und bis 1933 Reichstagsabgeordneter. Nach Haft und Folter lebte er noch bis 1942 in Berlin.
- Weiskopf kam aus Prag, arbeitete in der Weimarer Republik als Journalist in Berlin. Im US-amerikanischen Exil half er deutschen Schriftstellern bei der Flucht vor den Nazis aus Europa. Bevor er 1955 in Berlin starb, war er im Vorstand des Schriftstellerverbands der DDR.
Alljährlich am zweiten Sonntag im Januar wird mit einer Demonstration zum Sozialistenfriedhof an die Ermordung der beiden Sozialistenführer Liebknecht und Luxemburg erinnert.
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