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Begehrt. Hier ist Covid-19-Impfstoff von Pfizer-Biontech aufgezogen. Bei den Berliner Arztpraxen wird voraussichtlich zunächst Astrazeneca verimpft.

© Felix Kästle/dpa

Update

Berliner Hausärzte befürchten Andrang: Impftermine nur per Einladung - Praxen sollen geheim bleiben

Die ersten Arztpraxen starten kommende Woche mit Corona-Impfungen für chronisch Kranke. Welche, das sind, wird geheim gehalten.

In welchen Praxen sich erste Berliner Patienten in dieser Woche gegen das Coronavirus impfen lassen können, wird nicht verraten. Die für die ambulante Versorgung zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) will verhindern, dass jene niedergelassenen Mediziner von Interessierten aus der ganzen Stadt überrannt werden. Die Stammpatienten der Praxen, die nun Sars-Cov-2-Impfungen durchführen, werden aber von ihren Ärzten informiert: Noch gilt weitgehend die Impfreihenfolge, wonach zunächst chronisch Kranke gegen das Coronavirus immunisiert werden sollen.

„Die KV Berlin wird die Namen der Praxen nicht veröffentlichen, da diese Praxen beauftragt werden, ausschließlich diejenigen ihrer Bestandspatienten zu impfen, die an einer chronischen Erkrankung laut Impfverordnung leiden und zwischen 18 und 64 Jahre alt sind“, sagte die Sprecherin der Kassenärzte, Dörthe Arnold. Nach Tagesspiegel-Informationen sollen ab Donnerstag die ersten Tumorpatienten in ihrer jeweiligen Onkologie-Praxis geimpft werden. Folgen sollen Diabetes-Patienten.

Erst ab kommender Woche aber werden stadtweit 100 Praxen Sars-Cov-2-Impfungen durchführen, wie dies in den vergangenen Tagen angekündigt wurde. Die Ärzte in den 100 Modellpraxen werden nach den Priorisierungsvorgaben der Impfverordnung, also den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), impfen. Abhängig von der gelieferten Impfstoffmenge laden sie also vorerst ausschließlich Bestandspatienten ein.

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Der regionale Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes kritisiert, dass bei diesem Berliner Modell nur wenige Hausarztpraxen berücksichtigt worden seien, obwohl Bedarf vorhanden sei. Allerdings lobte Wolfgang Kreischer, dass die Impfungen bislang nur auf Einladung durchgeführt werden – denn schon jetzt erlebe er, dass beispielsweise Übergewichtige in die Praxis kämen und behaupteten, dass sie an einer chronischen Krankheit litten.

Krebskranke Frauen werden geimpft

Die Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte, Christiane Wessel, sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage, dass künftig beispielsweise krebskranke Frauen geimpft werden sollen, und Partner oder Partnerinnen von Schwangeren. Die entsprechenden Praxen wollten auch nicht öffentlich bekannt sein, weil die Impfdosen-Mengen bereits auf die Anzahl der Patientinnen abgestimmt sei, und zudem gebe es bei manchen Ärzten Sicherheitsbedenken, wie die Sorge vor Einbruch. Es wird aber eine Praxis geben, in der der Impfstart stellvertretend für alle in Berlin am Freitag mit einer Pressekonferenz begangen wird.

Eine Impf-Pilotphase mit bestimmten Modellpraxen gibt es deutschlandweit. Ab April sollen nach Plänen der Bundesregierung niedergelassene Mediziner regelhaft Corona-Impfungen durchführen. Berlins KV sprach dazu von 3000 Haus- und Facharztpraxen in Berlin. Die KV geht davon aus, dass in den Praxen zunächst Astrazeneca verimpft wird. Je nach Lieferaufkommen folgten andere Präparate. Sobald ausreichend Impfstoff da ist, fordern die Kassenärzte, dass sich jeder in den Praxen impfen lassen kann, der dies möchte. Es sei wichtig, dass die Schutzimpfungen gegen das Coronavirus zeitnah so „normal“ behandelt werden wie alle anderen Impfungen auch.

Kritiker meinen, man hätte die Praxisärzte früher einbinden sollen

Das beinhalte auch eine Abkopplung von den bisherigen, mitunter sehr bürokratischen Prozessen unter Federführung von Bund und Ländern: „Sobald die Impfstofflager voll sind, sollten die ambulanten Strukturen vollumfänglich genutzt werden, um eine schnelle Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen“, heißt es von den Kassenärzten.

Man hätte die niedergelassenen Mediziner, die jedes Jahr massenhaft Grippe-Impfungen durchführen, früher einbinden sollen. Das sagte Tim-Christopher Zeelen, Gesundheitsexperte der CDU im Abgeordnetenhaus: „Die Praxen sind ein sehr großer Teil der Lösung, es hat lange gedauert, bis sie dazu geholt wurden.“

Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) hatte – wie die meisten ihrer Vorgänger – heftige Auseinandersetzungen mit den Kassenärzten.

Die KV ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, ihr müssen alle Praxisärzte angehören, die gesetzlich Versicherte versorgen. Sie verteilt das Geld der Krankenkassen an die Praxen und ist verpflichtet, die ambulante Versorgung sicherzustellen. Dafür erhält die KV hoheitliche Befugnisse, der Senat darf allenfalls bei groben Verstößen eingreifen.

212 Patienten mit Sars-Cov-2 liegen derzeit auf der Intensivstation

Bundesweit sind dem RKI zufolge 3,1 Prozent der Bevölkerung voll gegen das Coronavirus geimpft, 6,4 Prozent haben die erste Dosis erhalten. Bei den Erstimpfungen liegt Berlin bei 6,5 Prozent, bei den Zweitimpfungen mit 3,6 Prozent bundesweit vorn. „Wir werden völlig andere Debatten führen“, hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) am Montag beim Besuch des gerade eröffneten Impfzentrum im Ex-Flughafen Tempelhof gesagt. „Nämlich darüber, wie wir die vielen Impfdosen schnell einsetzen können.“ Sie selbst habe „Listen“ gesehen, aus denen hervorgehe, dass es absehbar deutlich mehr Impfstoff gebe.

Nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung wurden in Berlin seit Beginn der Pandemie insgesamt fast 132 500 Corona-Fälle gezählt. Derzeit werden 646 Berliner mit einer Sars-Cov-2-Infektion in Krankenhäusern behandelt, 212 davon auf einer Intensivstation.

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