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„We love green stuff“ steht an einer Wand in einer Messehalle auf der Grünen Woche.

© dpa/Hannes P Albert

Alloha He und alles im Lot?: Wo die Grüne Woche punktet – und wo nicht

Die Neuauflage der Agrarmesse trotzt der Maul- und Klauenseuche. Klischeegewitter und winzige Kostpröbchen ausgeblendet, finden sich durchaus Highlights auf der Grünen Woche.

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Welchen Eingang wählen zur Grünen Woche? Am besten zentral, Palais am Funkturm, dann scharf links. Dort zeigen die Holländer, ewig treue Gäste der Berliner Agrarmesse, gleich wieder, wie es geht. Da sind zwar auch Holzklompen und Käseräder im Spiel, aber zentral geht es um Landwirtschaft im 21. Jahrhundert – und wie sie ohne Biohofromantik und Bauernschweiß effektiv und ressourcenschonend vorankommen kann.

Auch wenn hier schon mal mehr geschwelgt werden konnte in Tulpen und Narzissen und die Installation schon mal wertiger war, setzt diese Zugangsweise Maßstäbe und stählt für das oft ziemlich verlogene Klischeegewitter, das im Zuge des Rundgangs über dem arglosen Besucher an allen Ecken niedergeht.

Wo steht die Grüne Woche dieses Jahr? Das mit der Maul- und Klauenseuche war einfach böses Pech, damit fällt eine ganze Reihe von Attraktionen weg, Kühe und andere Paarhufer sind nur auf Fotos zu sehen, auf Plakaten heißt es verstörend „Rinder-Tinder oder Turbo-Kühe?“ Ja, also...

Statt echter Tiere gibt es Pappaufsteller: Tierschau auf der Grünen Woche 2025.

© dpa/Hannes P Albert

Dieses Loch kann auch die Bundeskaltblutschau im sandigen Show-Geviert nicht stopfen. Die Tierhalle also hat nichts zu bieten, aber von dort ist es nicht so weit zur rituellen Blumenschau, die ja mal die insularen West-Berliner für ein Stündchen aus dem Braunkohlenmief der winterlichen Stadt befreien sollte.

Dafür gibt es heute Flugreisen, aber die Blumenhalle ist noch da, und es blüht sehr hübsch in ihr, gerankt um einen kleinen Wasserlauf; ob das Trittgeschepper der mit Gerüsttechnik drübergelegten Brücken die romantischen Wallungen stört, mag jeder für sich entscheiden. Aber das Gesamtbild einer ganzen Halle bleibt Geschichte, die früher dafür genutzte Halle 9 steht wie der gesamte Gebäudering am Funkturm außen vor – das ist nach Corona leider so geblieben.

Leerstand bringt auch Vorteile

Geblieben ist auch der Leerstand in den Doppel- und Dreifach-Hallen, die nur noch auf einer Ebene genutzt werden. Für den Besucher ist das durchaus ein Vorteil, denn ein kompletter Rundgang ist locker drin, nur bei den parallelen Strecken im Süden des Geländes kann ein wenig Navigation nicht schaden, schon, um die Blumen nicht zu verpassen.

In der Stadt war vorab auf Plakaten vor allem der Satz „Die Tribute von Veganem“ zu sehen. Sollte diese intellektuell hochwertige Werbung den Eindruck erweckt haben, es gehe auf der Messe vor allem um veganes Essen, so ist das: falsch. Oder, wie die Usedomer Fischbude unverblümt mitteilt: „Scheiss auf die Diät“.

Wie immer stehen dort, wo Menschen essen, die vielen Methoden im Mittelpunkt, mit denen sich Fleisch in Wurst verwandeln lässt. Polen, Litauen, Estland, Bulgarien, sogar Italien: Wurst. Auch Tschechien bietet, was der Messegänger zum Budweiser erwartet: Jägergulasch, gebratene Ente, Damhirschfleisch, Bauernhofplatte.

Ein paar winzige Kostpröbchen hier und dort

Gegen Geld, versteht sich. Zwar ist das unsterbliche Gerücht, es gebe auf der Grünen Woche umsonst zu futtern, genauso alt wie die Messe selbst, nur stimmt es seit Ewigkeiten nicht mehr. Ein paar winzige Kostpröbchen hier und dort lassen sich abstauben, das ist alles, denn schließlich ist dies in der aktuellen Version vor allem ein riesiger globaler Food Court, mit dem Geld verdient werden muss.

Häppchen aus dem Nachbarland Polen.

© imago/Rüdiger Wölk/imago/Rüdiger Wölk

Ausnahme: Wo Köche live kochen, warten manchmal unverhoffte Leckereien für lau. Am Eröffnungstag war das zum Beispiel im Kochstudio der Brandenburghalle der Fall, wo es mittags um halb eins Fischsuppe mit Wels oder Maränen auf Matjesart mit Linsen und Grünkohl gab – wie köstlich war das denn? Überhaupt lässt sich sagen, dass der großmächtige Auftritt unseres Rundum-Nachbarn an Kontur gewonnen hat, man sieht nicht mehr nur Senf und Likörchen, sondern auch passable Weine und sogar Safranprodukte aus der Lausitz.

Schulterschluss mit Schuhplatteln und Weißwurst

Noch großmächtiger sind nur Meck-Pomm und Bayern, denn da ist auch immer ein bisschen ITB. Beide Länder kriegen sogar das mit der Stimmung hin, aber ganz unterschiedlich: Den Best-of-Oktoberfest-Award räumen mit Abstand wie immer die Bayern ab. Ströme von Bier fließen, dazu Schuhplatteln mit Trachtenkapelle und Weißwurst, das ist auch Klischee, aber es wird stimmig und mit viel Sorgfalt zelebriert.

Mia-san-mia-Männer in der Bayernhalle, wo sonst?

© dpa/Hannes P Albert

Für Meck-Pomm hingegen knödeln „Jo und Josephine“ in weißer Traumschiffuniform Sätze wie „Aloha He und alles im Lot/Zwei Kapitäne auf einem Boot“, dass den Heringen die Flossen hochklappen. Man könnte böse sagen: Das geschieht den würdig gereiften Besuchern recht – aber sind nicht auch die mit den Beatles und Karat aufgewachsen?

Bei Norwegen wird niemand für dumm verkauft

Zurück zum Guten. Wie alljährlich gilt: Wer gegen Geld gut und originell essen will, der ist bei den enthusiastischen Norwegern am besten aufgehoben. Kleine, intelligent gemachte Häppchen gibt es ab einem Euro, und im Restaurant bietet das Menü für 40 Euro Lachs-Ceviche mit Apfel-Dashi, dann Rentier und Panna cotta. Der Geist der neuen skandinavischen Küche weht, es kochen echte Köche, und kein Besucher wird für dumm verkauft.

Schweden und Finnland hecheln, immerhin, ein wenig hinterher, während Dänemark durch einen ärmlichen Stand mit Hot Dogs und Soft-Eis vertreten ist – ewig schade, wenn man daran denkt, dass das Land mal mit der legendären Kuh Karoline eine Messe-Ikone geschaffen hatte. Die wäre, weil aus Pappe, sogar 2025 zugelassen worden.

Keine wirkliche Konkurrenz zur legendären Kuh Karoline aus Dänemark, dafür omnipräsent wegen Maul- und Klauenseuche: Rindviehattrappen.

© dpa/Hannes P Albert

Ähnlich lieblos ist auch das Vorkommen anderer alter Herzländer der Messe intoniert. Irland: Bier und Whiskey. England: Sahnebonbons. Frankreich: Irgendwelcher Wein. Mühe geben sie sich in Thailand, wo immerhin frisch gekocht wird. Zur Eröffnung sprach sogar die leibhaftige Agrarministerin des Landes, entschlossen lächelnd auf turmhohen High Heels.

Das gut verpackte Partnerland Marokko

Die Präsentation des diesjährigen Partnerlands Marokko sieht dagegen hübsch aus, aber alles ist verpackt, es riecht nach nichts. Altgediente Messegänger erinnern sich, dass hier vor vielen Jahren mal ein echter Sternekoch am Werk war – aber solche Sachen sind Geschichte.

Dass Alkohol in Deutschland irgendwie in der Krise steckt, dass die Bier- und Weinumsätze in den Keller sacken – das wird hier kaum thematisiert. „Paradies für Goldschlürfer“ nennt sich Rheinland-Pfalz, als gäbe es dort nichts anderes als Wein, womöglich zutreffend.

Besonders lustig ist übrigens, dass die Berliner Präsentation wie eine Enklave derart von Bayern umschlossen wird, als wäre es München. Was schön wäre, denn das knappe Durcheinander von Curry 36 bis Tigertörtchen bietet zwar nette Details – aber soll das die Gastro-Metropole Berlin sein?

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