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Kai Wegner schaut sich im Aluwerk um.

© Simon Schwarz

Erfolgsmodell Integration: Wie der Spandauer Aluminiumverarbeiter AWB geflüchtete Ukrainer beschäftigt

134 Menschen aus 17 Nationen arbeiten in dem Werk in Spandau, viele stammen aus der Ukraine. Was macht der Betrieb richtiger als andere? Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner schaute vorbei. Ein Rundgang.

Stand:

Beim Spandauer Aluminiumverarbeiter AWB stammen 20 Prozent der Belegschaft aus der Ukraine. Der Familienbetrieb sticht damit heraus. Bundesweit ist die Beschäftigungsquote der nach Deutschland geflüchteten Ukrainer:innen mit rund 25 Prozent deutlich geringer als in anderen Ländern. Auch in Berlin sind von den 54.740 hier lebenden Ukrainer:innen im Alter von 15 bis 65 Jahren nur 24 Prozent erwerbstätig. In Polen haben zum Beispiel 65 Prozent von ihnen eine Arbeit.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), selbst Spandauer, nahm die Erfolgsgeschichte beim AWB am Dienstag zum Anlass, um sich durch die Produktionshallen führen zu lassen. Neben der Extrusionsmaschine – sie erhitzt beindicke Aluminiumzylinder auf 500 Grad, zerschneidet sie in Blöcke und walzt diese in 42 Meter lange Platten aus, – redete Wegner mit Beschäftigten gegen den Lärm an. Die Firma fertigt Präzisionsprofile, die unter anderem für Fenster genutzt werden.

Diese Aluzylinder verarbeitet die Extrusionsmaschine in dünne Platten.

© Simon Schwarz

Olga Chernenko arbeitet nebenan. Die 53-jährige Ukrainerin kam vor zwei Jahren nach Deutschland. Sie verpackt und kontrolliert die Produkte. In ihrer Heimatstadt, die drei Stunden von der Hauptstadt Kyiv entfernt liegt, hatte sie als Personalleiterin gearbeitet. Ihre Tochter begleitete sie nach Berlin, ist inzwischen aber in die Ukraine zurückgekehrt, um die Schwiegermutter ihres Mannes zu pflegen.

Das erzählte sie auf Russisch. Ein Kollege, der mit jungen Jahren aus Kasachstan nach Deutschland kam, übersetzte das Gespräch zwischen ihr und dem Regierenden.

Alle sechs Wochen zur Arbeitsagentur

Oft scheitert die Jobsuche an mangelnden Sprachkenntnissen. Die AWB macht es den ausländischen Kolleg:innen einfacher, Hinweisschilder hängen nicht nur in deutscher Sprache an der Wand. Viele Führungskräfte sind mehrsprachig. Außerdem bietet das Unternehmen bald eigene Deutschkurse an.

24
Prozent der in Berlin lebenden Ukrainer im Alter von 15 bis 65 Jahren sind erwerbstätig

Geflüchtete haben Anspruch auf Sprach- und Integrationskurse, die Kosten übernimmt das Amt. Eine Sprecherin der regionalen Arbeitsagentur sagt: „Wir werben bei den Unternehmen dafür, dass man Menschen schon mit Sprachniveau B1 einstellen kann.“ Im täglichen Tun entwickle sich die Sprache.

Vergangenes Jahr hatten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Bundesarbeitsagentur-Chefin Andrea Nahles den sogenannten „Jobturbo“ gestartet. Ziel des Programms ist, Menschen aus der Ukraine und den acht wichtigsten Asylherkunftsländern Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Im Juli ist es uns gelungen, zum ersten Mal die Zahl 1000 zu überspringen. Es ist uns gelungen, 1000 Menschen aus der Ukraine und den acht Herkunftsländern in diesem einen Monat zu integrieren.

Ramona Schröder, Vorsitzende der Regionaldirektion der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg

Seitdem müssen arbeitslose Menschen dieses Kreises alle sechs Wochen zur Arbeitsagentur kommen. Vorher wurden Termine individuell vereinbart. Das Ziel ist, die Menschen enger zu betreuen. In der Hauptstadt scheint das zu funktionieren: Die Chefin der regionalen Arbeitsagentur, Ramona Schröder, sagte: „Im Juli ist es uns gelungen, zum ersten Mal die Zahl 1000 zu überspringen. Es ist uns gelungen, 1000 Menschen aus der Ukraine und den acht Herkunftsländern in diesem einen Monat zu integrieren.“

AWB-Geschäftsführer Reiner Bachnick mit Sohn Florian und Tochter Stephanie.

© Simon Schwarz

Die Maßnahmen des Jobturbo richten sich in Berlin laut der Behörde derzeit an 9300 arbeitslose Geflüchtete aus der Ukraine und 16.800 Personen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern.

134 Mitarbeitende aus 17 Nationen

Der Aluminiumbetrieb AWB beschäftigt 134 Personen aus 17 Nationen – neben Deutschen und Ukrainer:innen vor allem Kirgis:innen und Osteuropäer:innen. Ervin Hatija ist Albaner, er kam vor sechs Jahren mit der Familie in die Hauptstadt. „Für eine bessere Zukunft“, erzählt der Vater von zwei Kindern. Hatija studierte in seinem Heimatland und arbeitet bei AWB als Elektriker.

In Zeiten des viel beklagten Fachkräftemangels macht der AWB-Chef Reiner Bachnick in seinem Betrieb offenbar einiges richtig. Dennoch spürt auch sein Unternehmen die Krise in der Baubranche. Diese sei in den vergangenen Monaten um 25 Prozent eingebrochen, sagte er. Von der Politik forderte er einen „Push, um auf den Wachstumspfad zurückzukehren“.

Wegner antwortete, er erwarte diesen Schub von der Bundesregierung. Er kritisierte, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das KfW-Förderprogramm für klimaschonendes Bauen 2022 gestoppt hatte. Es brauche „weniger Bürokratie“, sagte Wegner, also: schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Auf die Frage, ob er das Bürgergeld (563 Euro im Monat für eine alleinstehende Person) für einen Fehlanreiz halte, sagte er zunächst, man müsse mehr Maßnahmen umsetzen, „damit für Menschen, die zu uns kommen, arbeiten attraktiver ist als nicht arbeiten“.

Dann bezeichnete er das Bürgergeld als „eine falsche Entscheidung der Bundesregierung in dieser Größenordnung“. „Offenkundig“ sei es für einige Empfänger:innen attraktiver, nicht zu arbeiten.

Neben der Krise in der Bauindustrie macht dem Unternehmen derzeit das Problem zu schaffen, nicht genügend Lehrlinge zu finden. Das sagte der langjährige Werkleiter und heutige Prokurist Necmi Konar am Rande des Besuchs. In der Werkzeugtechnik könnten sie noch vier oder fünf Azubis gebrauchen. Oft mangele es an der Qualität der Bewerbungen oder an der Motivation, sagte Konar.

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