zum Hauptinhalt
Entwurf für das Immobilienprojekt „Paulinenaue“.

© Catella

Fünfstöckiges Wohnhaus in Brandenburg: Wie man aus einem DDR-Plattenbau ein modernes Wohnhaus macht

In der DDR war das kostengünstige, modulare Bauen die Antwort auf Wohnraummangel. Heute stehen diese Gebäude oft leer und werden abgerissen, dabei kann man sie hochwertig umgestalten.

Stand:

„Eine Metamorphose zu etwas Schönem.“ Fast poetisch beschreibt Gunnar Theobald die Revitalisierung des Plattenbauriegels in Paulinenaue im brandenburgischen Havelland. Nach vier Jahren, in denen das Gebäude aus DDR-Zeiten saniert, umstrukturiert und aufgestockt wurde, präsentiert es sich nun als modernes fünfstöckiges Wohnhaus.

Für den Projektentwickler und Bauherrn war der Umbau eine Herkulesaufgabe. „Wir mussten allein 1600 Kernbohrungen vornehmen und 300 massive Stahlträger einsetzen, um die Vorgaben der Statiker zu erfüllen“, erzählt Theobald. Das waren nicht die einzigen Herausforderungen.

Dutzende weitere Probleme mussten gelöst werden. Das Ergebnis kann jetzt besichtigt werden: ein Wohnhaus im modernen Gewand mit 44 lichtdurchfluteten Wohnungen für Quadratmeter-Kaltmieten um zehn Euro.

55
Kilometer fährt man zum Bahnhof Zoo in Berlin.

Paulinenaue wirkt wie im Dornröschenschlaf: flaches Land, grüne Wiesen, viele Immobilien liegen brach. Es gibt rund 1350 Einwohner – bei der Bundestagswahl im Februar erhielt die rechtsradikale AfD fast 38 Prozent der Zweitstimmen und mehr als 40 Prozent der Erststimmen - mehrere Vereine, keine Einkaufsmöglichkeiten, aber einen Bahnanschluss mit regelmäßigen Verbindungen ins 55 Kilometer entfernte Berlin.

So sah der Bau vor dem Beginn der Bauarbeiten aus – mit nur vier Stockwerken.

© Catella

Bis zum Bahnhof Zoo braucht der Regionalzug etwa 40 Minuten. Das Bahnhofsgebäude des Ortes, erbaut 1847, ist allerdings marode, Eingang und Fenster sind verrammelt. Seit Jahren wird nach einer neuen wirtschaftlich tragfähigen Nutzung gesucht. Paulinenauer Brauch ist das traditionelle Eiertrudeln alljährlich am Ostersonntag. Dieses Jahr wurden 134 Besucher gezählt. Rekord.

Wohnungen in Größen von 44 bis 100 Quadratmetern

100 bis 150 neue Einwohner sollen in den nächsten Monaten in Paulinenaue begrüßt werden. Als neues Zuhause stehen ihnen am Lindenweg am Rand der Einfamiliensiedlung im Zentrum des Dorfes 44 zwischen 40 und 100 Quadratmeter große Wohnungen zur Verfügung.

Die Mehrzahl der Einheiten hat eine Wohnfläche von rund 80 Quadratmeter. Die acht Erdgeschoss-Wohnungen verfügen zudem über einen Privatgarten. Das gesamte Grundstück, das die Immobiliengruppe Catella Investment Management 2021 für einen Fonds erworben hat, misst 4075 Quadratmeter, das Gebäude eine Wohnfläche von 3158 Quadratmeter.

Die stark gestiegenen Neubaukosten waren für uns Auslöser, verstärkt Bestandsobjekte ins Auge zu fassen.

Michael Keune, Geschäftsführer von Catella

Damals stand das Objekt schon mehrere Jahre leer. Catella-Geschäftsführer Michael Keune: „Die zum damaligen Zeitpunkt stark gestiegenen Neubaukosten waren für uns Auslöser, verstärkt Bestandsobjekte ins Auge zu fassen, in denen wir nach einer Revitalisierung attraktiven Wohnraum zu günstigen Mieten anbieten können.“

Entwurf des aufgestockten Plattenbaus in Paulinenaue im Amt Friesack im Kreis Havelland nordwestlich von Berlin.

© Catella

Gedacht, getan. Gut elf Millionen Euro hat der Berliner Investor in das Projekt am Lindenweg gesteckt. Die Kosten für den Umbau der DDR-Standardplatte in ein Effizienzhaus nach KfW 55 EE im Bestand und KFW 40 plus Standard bei der neuen fünften Etage liegen bei rund 2900 Euro pro Quadratmeter.

Zu der durchgeführten Transformation gehören – Fernwärme-Optionen gibt es nicht – zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen mit einer Gas-Brennwertherme als Spitzenlastausgleich, eine Photovoltaikanlage auf dem begrünten Dach sowie die Vorrichtung von Ladeinfrastruktur für Pkw. Für die gibt es 44 Stellplätze, für Fahrräder 60.

Die Pläne für die Runderneuerung des 1987 errichteten Plattenbaus in Bahnhofsnähe wurden im Berliner Büro Frank Schiffer Architekten entworfen. „Eingriffe in Gebäude, die ursprünglich aus Betonfertigteilen errichtet wurden, sind eine Herausforderung“, erläutert Frank Schiffer. Er nennt ein Beispiel: „Im Haus am Lindenweg sind die Stahlbetondecken 14 Zentimeter dick, erfüllen aber nicht den heute vorgeschriebenen Schallschutz. Die Nachbesserung ist aufwendig und teuer.“

Die Philosophie von Schiffer: „Ich möchte Häuser zum Leben und für den täglichen Gebrauch entwerfen – unaufgeregt, doch atmosphärisch präsent. Unsere Architektur soll das Bedürfnis nach Funktionalität und Schönheit widerspiegeln und damit zu einem Stück Lebensqualität beitragen.“

Der Zuschnitt der Wohnungen war nicht zeitgemäß

In Paulinenaue nahm sich das Architektenbüro zunächst den Zuschnitt der Wohnungen vor. Die waren nicht mehr zeitgemäß. Deswegen wurden Wände entfernt, Zimmer vergrößert. Auch die Wohnungstüren hat das Team um Gunnar Theobald verbreitert und erhöht, zudem sämtliche Fenster des Hauses um 28 Zentimeter vergrößert. An allen fünf Hauseingängen wurden Aufzugskerne angebaut. Optisch gehoben wurde das Gebäude durch einen Sockel, der verklinkert wurde.

Nicht an jeder Stelle des ehemaligen „Russenblocks“ – der Begriff geht auf den Bau vor fast 40 Jahren zurück, an dem einige Russen beteiligt waren – war es möglich, zeitgemäß zu modernisieren. So liegen einige Heizungsrohre und Steckdosen auf Putz. Frank Schiffer: „Weitere Bohrungen hätten hier die Standfestigkeit der Platten gefährdet.“

Zugeständnisse mussten auch bei den auf 2,55 Meter Höhe abgehängten Decken gemacht werden. Hier haben die Architekten halbrunde Stuckleisten anbringen lassen, um dahinter eine etwa ein Zentimeter breite Dehnungsfuge zu ermöglichen.

Visualisierung der Balkone am sanierten Plattenbau.

© Catella

Ein weiterer kniffliger Punkt war, die Wohnungen an den beiden Kopfseiten mit mehr Licht auszustatten. WBS-70-Plattenbauten hatten ursprünglich keine Fenster an den Schmalseiten. Jetzt gibt es hier pro Einheit gleich zwei. Dafür mussten zunächst jeweils vier Kernbohrungen durchgeführt und Stahlträger zum Abstützen eingesetzt werden. Dann wurden mit Mauersägen die Fensteröffnungen herausgeschnitten.

Das Ergebnis: In jeder der acht Wohnungen ist ein großzügiger, heller Wohn-Essbereich mit Parkettfußboden und integrierter Küchenzeile entstanden. Damit nicht genug. Wie alle 44 Einheiten im Block Lindenweg haben sie einen zehn bis 14 Quadratmeter großen Südbalkon bekommen.

Die Kirsche auf der Torte ist das aufgestockte fünfte Geschoss mit sechs Wohnungen. Hier wurde auf die CLT-Bauweise gesetzt, bei der Massivholzschichten kreuzweise miteinander verleimt werden, um stabile, tragende Wand-, Decken- und Dachelemente zu schaffen. Die Platten bieten hohe Stabilität und Festigkeit, eine gute Wärmedämmung und ermöglichen eine schnelle Vorfertigung und Montage.

Letztere hat in Paulinenaue „nur drei Wochen gedauert“, wie Schiffer betont. CLT gilt als nachhaltige Alternative zu Beton und Stahl, weil es CO₂ speichert. Der Bau eines solchen Attikageschosses erfordert gute Planung des Rücksprungs, der Geschosshöhe und der Entwässerung.

Im Lindenweg hebt sich das Geschoss durch die zurückgesetzte Grundfläche von der Fassade ab. Die Holzbauweise passt zur Idee des Investors vom Wohnen im Grünen. In den sechs Dachgeschosswohnungen, die wie Lofts wirken, beträgt die Deckenhöhe 3,20 Meter bis 3,50 Meter. Von den offenen Terrassen aus haben die Mieter „einen unverbaubaren Blick über das herrliche Havelland“, schwärmt Keune.

Bei der Vermarktung nimmt Catella Berliner in den Blick

Die Vermarktung der neuen Wohnungen in der „Pauline“ soll im Dezember starten. Die Catella-Geschäftsleitung hofft, dass die kernsanierte ehemalige Land-Platte auf der Talsandinsel im Niederungsgebietes des Havelbogens vor allem Berliner begeistern wird, die sich mit dem Gedanken tragen, aus der Metropole in einen Ort im Speckgürtel mit guter Anbindung an die Hauptstadt zu ziehen.

Laut einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft wollen immer mehr Menschen ins Grüne ziehen. Mittlerweile pendeln demnach in den sieben größten Städten Deutschland bereits fast 2,6 Millionen Menschen täglich zwischen Land und Metropole. Das hat deutliche Auswirkungen auf die Immobilienpreise im Umland. So sind in vier der sieben größten Metropolen – Köln, Frankfurt am Main, Düsseldorf und Stuttgart – in den letzten fünf Jahren die Preise im Umland durchschnittlich stärker gestiegen als in den Städten selbst.

Im Berliner Speckgürtel ist das noch nicht der Fall, obwohl auch hier die Kaufpreise und Mieten klettern. Auch im Havelland. Keune: „Wir sind von dem Standort überzeugt.“ Er hat als Zielgruppe für die Mietwohnungen im Lindenweg vor allem junge Familien im Auge: „In Paulinenaue ist das Wohnen auf 90 Quadratmeter mit vier Zimmern im Grünen bezahlbar.“ Und das soll es erstmal auch bleiben. Keune: „Wir planen für die nächsten Jahre keine Mieterhöhungen.“

Das Projekt in Paulinenaue zeigt, dass es möglich ist, aus einem einstigen Schandfleck ein freundlich wirkendes Gebäude im höchstmöglichen Effizienz-Standard zu machen und im Berliner Umland bezahlbaren attraktiven Wohnraum zu schaffen. Der Aufwand war hoch, das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })