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Dampf steigt vom Vattenfall Heizkraftwerk Scharnhorststraße am Morgen auf. Im Hintergrund steht der Fernsehturm.

© dpa/Sebastian Gollnow

Kann Berlin in 20 Jahren klimaneutral sein?: CDU will Ziel korrigieren, SPD und Grüne wehren sich

CDU drängt auf eine Korrektur der einst definierten Klimaschutzziele des Landes Berlin für 2045. Der rote Koalitionspartner und die grüne Opposition will standhaft bleiben.

Stand:

Ein Vorstoß der Berliner CDU, die vergleichsweise ambitionierten Klimaschutzziele des Landes Berlin abzuschwächen, scheint auf absehbare Zeit nicht umsetzbar mit dem Koalitionspartner SPD. Bei den Grünen, derzeit in der Opposition im Abgeordnetenhaus, provozieren entsprechende Überlegungen heftigen Widerstand.

Christian Gräff, Sprecher für Wirtschaft, Energie, Bauen und Stadtentwicklung der CDU-Fraktion, hatte in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel geschrieben: „Berlin möchte bei diesem Thema Vorreiter sein. Aber ist das überhaupt erreichbar?“ Er glaube nicht, und argumentierte, dass Wohnungsbaugesellschaften, Einfamilienhausbesitzer, Unternehmen „und nicht zuletzt die klamme öffentliche Hand Milliarden Euro in die Hand nehmen“ müssten, um zu investieren und die Auflagen zu erfüllen.

„Daher müssen wir uns als Politik ehrlich machen und vor diesem Hintergrund auch die Berliner Ziele zum Klimaschutz neu überdenken – oder sie stehen nur auf dem Papier und stehen für keine echten, erreichbaren Ziele“, schrieb Gräff. Es wäre eine Enttäuschung, wenn die Politik dieses Klimaversprechen bräche. „Dann besser die Ziele realistischer anpassen“, forderte der CDU-Politiker.

Christian Gräff (CDU) betreut in der CDU-Fraktion die Themen Wirtschaft, Energie, Bauen und Stadtentwicklung.

© picture alliance/dpa/Annette Riedl

Gräffs Parteifreund, Finanzsenator Stefan Evers, schafft derweil erste Fakten. Das wurde am Dienstag bei der Vorstellung seiner Investitionsplanung für die Jahre ab 2026 und 2027 deutlich. Diese sieht erhebliche Kürzungen im Bereich Klimaschutzmaßnahmen vor: So soll das Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK) – laut Senat das „zentrale Instrument zur Erreichung der Berliner Klimaziele“ – in den kommenden beiden Jahren statt rund 24,5 Millionen Euro nur rund sieben Millionen erhalten. Wie dies sich konkret auf einzelne Maßnahmen auswirkt, wird sich erst mit der Haushaltsaufstellung zeigen.

Grüne nennt Manöver „peinlich“

„Die Koalition hat erst Milliarden versprochen, dann alles abgesagt. Jetzt wundert sich Herr Gräff über fehlende Kapazitäten“, sagte Tuba Bozkurt, die Sprecherin für Industrie und Digitalwirtschaft der Grünen im Abgeordnetenhaus.

Tuba Bozkurt (Bündnis 90/Die Grünen) ist für ihre Fraktion Sprecherin für Themen Industrie und Digitalisierung.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Nicht nur das Klima wartet nicht, auch die Fachkräfte haben Besseres zu tun, als dem Senat hinterherzulaufen. Jetzt nach dieser politischen Rosskur noch zu beklagen, das sei alles nicht mehr erreichbar, ist peinlich.“

Bozkurt verwies auf eine aktuell formulierte Einschätzung von Ottmar Edenhofer, Professor an der TU Berlin und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: „Manche tun so, als gehöre Klimaschutz zum Luxusgedöns nach dem Motto: Wenn wir politisch nix mehr zu tun haben, wenn die Wirtschaft wieder richtig brummt, dann machen wir mal wieder Klimapolitik“, sagte Edenhofer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. In diesem Duktus sei der Gastbeitrag des Kollegen Gräff verfasst, urteilte Bozkurt. Der verstehe nicht: „Die Wirtschaft wird nur dann wieder richtig brummen, wenn wir konsequente Klimapolitik betreiben.“

Giffey hält an Klimaziel fest

Franziska Giffey (SPD), Berlins Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, lässt sich durch Gräffs Beitrag und Evers Finanzplan nicht irritieren. Ihr Sprecher verwies am Mittwoch auf Gültigkeit von Aussagen, die Giffey bereits vergangene Woche in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel gemacht hatte.

Energiesenatorin Franziska Giffey (SPD) beim Interview mit dem Tagesspiegel vergangene Woche.

© Tagesspiegel/Mario Heller

Auf die Frage, ob es Zeit sei angesichts der Sparzwänge, sich ehrlich zu machen und die Klimaziele zu relativieren, hatte sie geantwortet: „Unser Ziel ist die Klimaneutralität Berlins bis spätestens 2045. Dafür ist uns im vergangenen Jahr die größte klimapolitische Weichenstellung des Jahrzehnts gelungen, nämlich die Fernwärme wieder nach Hause zu holen ins Eigentum des Landes.“ Natürlich müsse jetzt viel für die Dekarbonisierung der Wärme getan werden, „und das bedeutet auch riesige Investitionen und vor allem mehr Tempo.“

Das Gute bei den Investitionen in Klimaschutz sei, dass es Investitionen in die Zukunft seien, „die schuldenbremsenkonform geleistet werden können“, erklärte Giffey und nannte als Beispiel die landeseigene Stromnetz Berlin GmbH. Die werde in den nächsten zehn Jahren 300 Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung gestellt bekommen, damit das Unternehmen Kredite aufnehmen könne, um selbst die Verdopplung ihrer Netzkapazität zu finanzieren. „Dieses Modell müssen wir weiterverfolgen“, forderte Giffey. 

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