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Zwischen Sparkurs und Spin-offs: Wie die Charité über Berlin hinaus zum Wirtschaftsfaktor wird
Berlins landeseigene Universitätsklinik hat ein Gutachten in Auftrag gegeben: Es geht darum, welche ökonomischen Effekte die Charité auch bundesweit erzeugt.
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Alle Kliniken stehen wegen steigender Kosten unter Druck, dazu kommt die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). In Berlin verschärft der Sparkurs der schwarz-roten Koalition die Lage, denn öffentliche Mittel sind knapp.
Unruhige Zeiten, in denen die landeseigene Charité ein Wirtschaftsgutachten in Auftrag gab. Jetzt liegt das Papier vor.
Kernaussage: Jeder Euro aus der Landeskasse an die Universitätsklinik führe zu vier- bis sechsfacher Bruttowertschöpfung. Das Hochschulkrankenhaus sichere durch seine Einkäufe, Forschung, Patientenversorgung sowie Beziehungen zu diversen Partnereinrichtungen fast 25.500 Arbeitsplätze in Berlin und mehr als 45.000 bundesweit.
Die Charité hatte „DIW Econ“ mit der Studie beauftragt, die Consulting-Agentur des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Konkreter heißt es in dem Papier: Für das Jahr 2023 verzeichne man eine auf Berlin bezogene Bruttowertschöpfung von 1,8 Milliarden Euro, auf Deutschland bezogen von 3,3 Milliarden Euro.
Hohe Drittmittel-Einnahmen
Die vom Senat gezahlten Landesmittel für die Charité hätten im betrachteten Jahr bei 427 Millionen Euro gelegen. Pro bereitgestelltem Euro entstünden 4,18 Euro Bruttowertschöpfung in Berlin und 6,58 Euro Bruttowertschöpfung bundesweit. Bruttowertschöpfung ist der Gesamtwert erzeugter Waren und Dienstleistungen abzüglich des Wertes der im Produktionsprozess verbrauchten Waren und Dienstleistungen.
Die ökonomischen Effekte würden auch durch das Drittmittelaufkommen der Charité erzeugt, heißt es im DIW-Papier: „Seit Jahren steigen die Drittmitteleinnahmen kontinuierlich – allein in den letzten zehn Jahren haben sich die Drittmitteleinnahmen nahezu verdoppelt.“ Die Charité werbe seit 2022 mehr Drittmittel ein, als sie vom Land für den laufenden Betrieb erhalte.
30 Prozent der Intensivbetten
Den Analysten geht es zudem um „Wissenstransfer“: Seit 2014 war die Charité demnach an 44 Ausgründungen und Spin-offs beteiligt. Mit dem mit Bayer geplanten Zentrum werde dieses Engagement verstärkt: Der Pharmakonzern und die Charité wollen am Nordhafen gemeinsam Start-ups ansiedeln, die zu Gen- und Zelltherapien forschen. Schon heute werde „medizinische Translation“ im „Berlin Institute of Health“ der Charité vorangetrieben.
„Wir arbeiten in der Krankenversorgung und in der Forschung – und wir sind eine der größten Schnittstellen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Genau an dieser Translation mangelt es in Deutschland leider oft“, sagte Charité-Chef Heyo Kroemer auf Anfrage. Für 2023 gilt: Mit fast 3300 Betten findet 16 Prozent der stationären Versorgung in Berlin in der Charité statt; bezüglich der Intensivstationen sind es 30 Prozent.
Gesetzlich gilt: Die Bundesländer bezahlen Bauten und Technik der Plankrankenhäuser. So werden Kliniken bezeichnet, die vom Land für die Versorgung als notwendig eingestuft werden. Die Krankenkassen kommen für Personal, Medikamente und Energie auf.
Teure Sanierungen nötig
Oft reichen die öffentlichen Mittel nicht für nötige Sanierungen und die Kassengelder nicht für Medikamente und Personal. Als staatliche Wissenschaftseinrichtung erhält die Charité dazu Hochschulzuschüsse, sie wirbt wie erwähnt zudem Drittmittel internationaler Akteure, diverser Stiftungen und Unternehmen ein.
Bei Gesamteinnahmen von 2,6 Milliarden Euro versorgte die Charité im Jahr 2023 mehr als 137.000 stationäre und teilstationäre sowie fast 790.000 ambulante Fälle. Wie berichtet, schloss sie jenes Jahr mit ihrem höchsten Defizit ab: fast 135 Millionen Euro. Samt Tochterfirmen beschäftigt die Charité 23.500 Mitarbeiter, davon 6200 Pflegekräfte sowie 5700 Forscher und Ärzte.
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