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Die SPD sollte sich nicht als Werbeplattform zum Verkauf der Bücher von Sarrazin missbrauchen lassen - und ihn ignorieren.

© AFP

Aus Angst vor Lockdown-Diskussionen „via Facebook“: Darum hielt Pankows SPD ihre Versammlung geheim

Auf einer Versammlung im Poststadion nominierte Pankows SPD ihre Bundestagskandidaten. Der Vorstand legte den Delegierten nahe, lieber nichts darüber zu posten.

Von Christian Hönicke

Ungeachtet des harten Lockdowns soll sich die SPD Pankow am vergangenen Wochenende zu einer "geheimen" Groß-Versammlung getroffen haben. Das berichten Berliner SPD-Parteimitglieder anonym. Demnach soll der SPD-Wahlkreisverband Pankow am 16. Januar von 10 bis 13 Uhr eine Sitzung mit mehr als 100 GenossInnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten haben.

Die Wahl habe an einem "geheimen Ort" trotz des Lockdowns physisch im Freien stattgefunden. Auf der Sitzung sei unter anderem Klaus Mindrup erneut als Bundestags-Kandidat gewählt worden, berichten Parteimitglieder. Mindrup bestätigte seine Nominierung in einem Social-Media-Post - es war der einzige öffentliche Hinweis auf die Veranstaltung.

Hintergrund soll sein, dass der Kreisvorstand die Delegierten aufgefordert habe, keinerlei Veröffentlichungen bezüglich der Veranstaltung zu tätigen, berichten GenossInnen. Sie zeigen sich "über dieses Vorgehen mehr als irritiert" und kritisieren es als "intransparent" und "Geheimniskrämerei". Über die Veranstaltung seien generell nur ausgewählte Pankower SPD-Mitglieder informiert worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum etwa die CDU einen digitalen Parteitag abhalte, die SPD Pankow aber eine "geheime physische Veranstaltung inmitten des Lockdowns".

Dem widerspricht der Vorstand des SPD-Wahlkreisverbands Pankow. "Es ist richtig, dass die Pankower SPD am letzten Samstag eine Delegiertenversammlung zur Vorbereitung der Bundestagswahl durchgeführt hat", erklärt Dennis Buchner. "Satzungsgemäß stellt die Pankower SPD ihren Bundestagskandidaten im Rahmen einer Wahlkreiskonferenz mit 130 Delegierten auf." Diese Aufstellungsversammlungen in Präsenz seien nach der Berliner Corona-Verordnung unter Einhaltung der Hygienekonzepte zulässig, sowohl in Innenräumen als auch im Freien. Am Ende seien etwa 100 Delegierte anwesend gewesen.

Die Veranstaltung sei bewusst im Freien durchgeführt worden, und zwar im Poststadion. Es habe ein Hygienekonzept mit Mundschutzpflicht während der gesamten Veranstaltung, Einhaltung großer Abstände auf der Tribüne des Stadions sowie individuellem Einwerfen des Stimmzettels gegeben.

Dies sei auch gar nicht anders möglich gewesen, so Buchner. "Während für innerparteiliche Wahlen die Gesetze im Herbst 2020 geändert worden sind, so dass die Videoversammlung und eine anschließende Urnenwahl hier zulässig sind, gibt es diese Möglichkeit für die Aufstellung zu staatlichen Wahlen nicht." Eine entsprechende Verordnung des Innenministeriums sei bisher nicht erlassen worden. "Nach derzeitiger Rechtslage ist also die Aufstellung für die Bundestagswahl digital oder im Wege einer Urnenwahl nicht möglich." Der Vergleich mit dem CDU-Parteitag sei demnach "unzutreffend".

In der Tat haben etwa die Grünen im September es genauso gemacht, sogar auch im Poststadion. Der Kreisverband Mitte tagte da mit 251 Mitgliedern, und machte das auch öffentlich.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Allerdings herrschte im Herbst noch kein Lockdown. Buchner räumt ein, dass die Pankower SPD die Veranstaltung genau deswegen bewusst nicht an die große Glocke gehängt hat. Zwar seien die Delegierten "fristgerecht und ordnungsgemäß" eingeladen worden, und es habe auch keinen Maulkorb gegeben ("Selbstverständlich stand es allen Delegierten frei, ihre sozialen Netzwerke in jeder Form zu bespielen"), so Buchner. Grundsätzlich jedoch sei die Versammlung "nicht öffentlich gewesen".

Und auch einen dezenten Appell zur Verschwiegenheit gab Buchner nach eigenem Bekunden in Richtung der Delegierten aus: "Richtig ist, dass ich zu Beginn der Sitzung darauf hingewiesen habe, dass die Zulässigkeit der Veranstaltung nicht jedem bekannt sein dürfte und man sich dann auf Diskussionen via Facebook einstellen müsse." Auch habe man die Empfehlung gegeben, dass auf Gruppenfotos "lieber verzichtet werden sollte, da diese leicht dazu verleiten, die Abstandregeln nicht einzuhalten".

Erst am Dienstag nach der Tagesspiegel-Anfrage versandte die Pankower SPD eine Pressemitteilung, die die Versammlung erwähnt und die Hintergründe erklärt. Der Fall zeigt, wie vorsichtig und verunsichert inzwischen auch die Politik angesichts der fragilen Lockdown-Gesamtstimmung agiert. Am Nachmittag desselben Tages traf sich übrigens auch die SPD Friedrichshain-Kreuzberg im Poststadion und nominierte Cansel Kizeltepe für den Bundestagswahlkreis 83. Dieser Wahlkreis umfasst auch den Osten von Prenzlauer Berg.

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