
© Büşra Delikaya
Engagementzentrum lädt Freiwillige ein: „Wir wollen alle 265 Stolpersteine in Neukölln polieren“
Für die Freiwilligentage hat sich das Engagementzentrum Neukölln vorgenommen, die Stolpersteine im Bezirk wieder zum Glänzen zu bringen. Viele Putzspaziergänge sind öffentlich.
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Sie bilden das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Auch in Neukölln sind sie überall zu finden, dem Berliner Auge meist so vertraut, dass man sie leicht übersieht. Oder man sieht sie, denkt aber nicht weiter darüber nach. Sie sind ein scheinbar alltäglicher, vertrauter Teil des städtischen Raums.
Und doch erzählen Stolpersteine von Menschen, die einer Diktatur zum Opfer fielen, die ihresgleichen sucht. Die Verantwortung, sie nicht zu vergessen, geht mit der Verantwortung einher, ihre Lebensgeschichten nicht nur als persönliche Schicksale zu erzählen, sondern als Teil einer Ideologie der Entmenschlichung und des Massenmordes, die bis heute die Demokratie im Land gefährdet.
Die kleinen Gedenktafeln jeden Tag zu sehen, soll erinnern, und nicht zur Gewohnheit werden. Die Erinnerungskultur auf Gehwegen, wo sie unter Fußsohlen und eiligen Schritten nun immer weniger sichtbar werden.
Dem will das seit 2018 bestehende Neuköllner Engagementzentrum mit dem Hashtag #NeuköllnpoliertStolpersteine entgegenwirken. In dem unscheinbaren Kiezladen in einer Seitenstraße des Hertzbergplatzes (Hertzbergstraße 22) laufen bereits die Vorbereitungen. In den Schaufenstern hängen Plakate, die auf den Stolpersteinspaziergang und viele andere Aktionen hinweisen.

© Jörg Carstensen
Das Zentrum, das Freiwillige und Hilfesuchende unterstützt sich zu finden, plant auf Hochtouren. „Das zivilgesellschaftliche Engagement in Neukölln ist beeindruckend, die Angebote sind extrem vielfältig – durch meine Arbeit hier nehme ich den Bezirk noch einmal ganz anders wahr“, sagt Projektmitarbeiterin und Wahl-Neuköllnerin Johanna Sünnemann.
Projektleiterin Olivia Reber deutet auf eine große Ledercouch in der Mitte des offenen Eingangsbereichs des Ladens: „Hier führen wir unsere Beratungsgespräche mit Interessierten, manchmal auch digital“.
Die meisten wollen sich einfach in die Gesellschaft einbringen. Sie verstehen Demokratie als Ganzes, als Gemeinschaftsprojekt.
Olivia Reber, Projektleiterin im Engagementzentrum Neukölln
Die Hauptaufgabe des Engagementzentrums Neukölln ist es, das bürgerschaftliche Engagement in Neukölln zu stärken. Wenn sie nicht gerade Aktionen wie die Stolpersteinspaziergänge planen und koordinieren, vermitteln sie ehrenamtliches Engagement. Dabei beobachten sie, wie sich das Interesse der Engagierten entwickelt.
„Ich kann mich erinnern, dass sich 2015 sehr viele Menschen für Flüchtlinge engagieren wollten. Das ist dann zurückgegangen, obwohl eigentlich alle Strukturen wieder da waren und man sich jetzt besser engagieren konnte“, sagt Projektleiterin Olivia Reber. „Die meisten wollen sich einfach in die Gesellschaft einbringen. Sie verstehen Demokratie als Ganzes, als Gemeinschaftsprojekt.“
Insgesamt sollen 265 Stolpersteine poliert werden. Anlässlich der Freiwilligentage vom 20. bis 30. September hat das Engagementzentrum Neukölln in seinen Netzwerken einen Aufruf gestartet: „Wir wollen alle 265 Stolpersteine in Neukölln polieren“. Träger wie die AWO meldeten sich und übernahmen Spaziergänge. So wurden die Routen unter den Trägern aufgeteilt.
Das Neuköllner Engagementzentrum ist am 25. September an der Reihe und startet seinen Spaziergang um 16 Uhr in Rixdorf (Wanzlikpfad 3). Unter dem Titel „Zivilgesellschaftliches Engagement für Erinnerung und Demokratie“ steht die Erinnerungskultur im Mittelpunkt. „Aufgrund der aktuellen politischen Lage und des Rechtsrucks wollen wir das Thema Erinnerungskultur in den Vordergrund rücken“, so Reber.
„Viele Steine sieht man gar nicht mehr. Deshalb polieren wir sie mit einer Metallpolitur, damit sie glänzen und die Blicke der Passanten auf sich ziehen“, erklärt Olivia Reber. Neben jedem Stolperstein wird eine Rose niedergelegt und ein Text über die Geschichte des jeweiligen Namens überreicht.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Engagementzentrum Neukölln einen solchen Spaziergang organisiert. Zweimal wurde er schon angeboten, das erste Mal zur Corona-Zeit, weil es eine Aktion war, die man draußen machen konnte. „Dieses Jahr haben wir uns gedacht, wir machen es ein bisschen größer: Wir wollen alle Stolpersteine in Neukölln polieren“, sagt Johanna Sünnemann.
14 Spaziergänge sind für alle öffentlich, wie der des Engagementzentrums Neukölln. Einige finden nur intern in den Teams der jeweiligen Organisationen statt. Insgesamt finden 22 Spaziergänge statt.
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