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© imago/Westend61/IMAGO/Nina Janeckova

Gegen Rassismus an Schulen: Verein geht mit App für Schüler neue Lernwege

Demokratiebildung ist das Kernthema des Vereins Bidigi aus dem Berliner Südwesten. Mit einer neuen Lernapp und vielen Projekten sollen junge Leute für Diskriminierung sensilibisiert werden.

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Ist die Art, wie Schülerinnen und Schüler über den Nationalsozialismus oder Rassismus lernen, überhaupt noch zeitgemäß? Das fragte sich Fabian Eckert, der dem Verein Bidigi e.V. vorsteht. Der Verein aus Steglitz-Zehlendorf möchte einen digitalen Ansatz bieten, um junge Menschen für die Themen Diskriminierung und Demokratie zu sensibilisieren. So hat der Bildungsverein die Lernapp „Disco“ entwickelt, der Name ist aus dem Lateinischen abgeleitet und bedeutet „Ich lerne“.

Anders als bei der Lektüre im Schulbuch oder beim Lehrervortrag können sich Schülerinnen und Schüler mit der App auf interaktive Weise mit Themen wie Rechtsextremismus, Rassismus und Rechtspopulismus beschäftigen. Dabei geht es nicht nur um die Nazi-Diktatur, sondern auch um die Zeit nach 1945 – wie zum Beispiel eine Bürgerbewegung von Sinti und Roma.

Fachleute sowie Aktivistinnen und Aktivisten erklären in Sprachnachrichten und Videos die wichtigsten Aspekte zu einem Thema. Anschließend gibt es Quizfragen zur Wissensüberprüfung. Vorab wurde die App mit Schülern zwischen 14 und 16 Jahren getestet, um herauszufinden, welche Inhalte sie wirklich interessieren. „Es ist uns wichtig, Projekte auf Augenhöhe zu entwickeln“, sagt Eckert, der selbst bis vor Kurzem als Lehrer an einer Schule gearbeitet hat.

Wie kann man Betroffene „empowern“ und generell etwas an der Schulgemeinschaft ändern?

Fabian Eckert über den Umgang mit Opfern von Rassismus

Dort hat er selbst erlebt, wie eine Schülerin rassistisch beleidigt wurde. Anstatt der Betroffenen solidarisch Unterstützung zu bieten, hätte sich die Schule vor allem auf die Sanktionierung des Täters konzentriert, so Eckert.

Fabian Eckert ist Vorstand des Vereins Bidigi. Der Verein bietet digitale Ansätze, um junge Menschen für die Themen Diskriminierung und Demokratie zu sensibilisieren.

© Fabian Eckert

Daraufhin suchte er das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern der betroffenen Klasse und fragte sie, was sie nach diesem Vorfall brauchen. „Ihnen ging es in erster Linie nicht darum, den Täter zu bestrafen, sondern vielmehr darum, zu überlegen: Wie kann man Betroffene ‘empowern’ und generell etwas an der Schulgemeinschaft ändern?“, sagt Eckert. In den Gesprächen wurde zudem deutlich, dass die Schülerinnen sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Schule regelmäßig rassistische Übergriffe erleben. Häufig würden solche Vorfälle allerdings unter den Teppich gekehrt – nach dem Motto: „Ist ja nicht so schlimm.“

Neues Projekt zu Antisemitismusprävention

Die Erkenntnisse aus diesem Erlebnis begleiten Eckert in seiner Vereinsarbeit. Aktuell arbeitet Bidigi an einem Projekt mit Schülern einer Kreuzberger Förderschule zum Thema Antisemitismusprävention. Am Ende des Projekts soll ein digitales Bildungsangebot stehen. „Wir wollen das Angebot auf ihre Bedürfnisse zuschneiden. Dafür müssen wir sie zunächst kennenlernen“, erklärt Eckert. Im Anschluss soll das Angebot an weiteren Förderschulen getestet werden.

Wir wollen Demokratie lebendiger gestalten, indem wir mehr Menschen mitnehmen und einbinden.

Fabian Eckert

2024 hat Bidigi zudem in Steglitz-Zehlendorf das „Netzwerk Demokratiebildung“ gegründet. In dieser Initiative vernetzen sich verschiedene Träger, darunter die Volkshochschule, das Martin-Niemöller-Haus und die Bildungsstätte Wannseeforum. „Wir wollen Demokratie lebendiger gestalten, indem wir mehr Menschen mitnehmen und einbinden“, sagt Eckert. In der Praxis könnten das zum Beispiel niedrigschwellige Workshops an Orten mit viel Publikumsverkehr sein – etwa in einem leerstehenden Einkaufszentrum in der Schlossstraße.

Unabhängig davon, wie wichtig Angebote zur Demokratiebildung durch Vereine wie Bidigi e.V. sind, liegt die Verantwortung, Schulen beim Umgang mit rassistischen Vorfällen zu unterstützen, bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung. Und diese hat bereits einige Maßnahmen ergriffen: So ist Berlin mit Wanjiru Njehiah das einzige Bundesland mit einer eigenen Antidiskriminierungsbeauftragten für Schulen. Zudem gibt es eine unabhängige Beratungsstelle, die als Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen dient.

Doch zumindest manchen Lehrkräften seien diese Unterstützungsmöglichkeiten nicht bekannt, hat Eckert beobachtet. „Ich kann nicht für alle Lehrer*innen sprechen, aber mir waren diese Angebote damals nicht bewusst“, sagt Eckert. An dieser Stelle sieht er auch sich selbst in der Verantwortung, sich besser zu informieren. Zudem wünscht er sich, dass der Umgang mit Diskriminierung bereits in der Lehramtsausbildung mehr Raum einnimmt. „Zumindest in meiner Lehramtsausbildung spielte das Thema keine Rolle“, sagt er.

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